an möchte es verstehen. Manchmal. Möchte es und sich begreifen. Gelegentlich. In den Minuten geistiger Schwäche, welche den sentimentalen Gedankenzügen mit ehrlicher Gutmütigkeit den Vorzug lässt. Die Antwort auf die Frage finden, warum die heutige Betrachtung der Dinge der des einsten Kindes so derart in den Rücken fällt. Warum man nur fern der Lichter der Zivilisation das innere Leuchten des Weihnachtsfestes spürt. Man möchte seinen wirklichen Platz suchen und will aus der Stadt zurücktreten. In den Winkeln der Natur Schutz vor den urbanen Lichtkegeln finden. Um von der Anmut ihrer beruhigenden Kontrastarmut umhüllt zu werden. Und in innere Meditation zu versinken. Zu sehen, wie der Schnee die schroffen Kanten der Landschaft zu harmonischen Wogen glättet. Zu sehen, wie unbekümmert die Spuren der Tiere dieses silbern glitzernde Meer durchbrechen und somit doch zu Kontrasten nötigen. Spuren der Tiere die sich ihrer Bewährung gegenüber sehen. Den Trotz gegenüber der Kälte, des Futtermangels sowie der aggressiven Fressfeinde verkörpern. Sich als erhobene Sieger über diese Zeit der Entbehrung behaupten können und Opfer der fern hallenden Schüsse von Hobbyjägern werden.
Man möchte dennoch eintauchen in diese Welt. Da diese die Illusion der Harmonie besser spielt, als die Stadt ihr Versprechen von Lebensqualität. Und doch stockt man. Aus Angst, schon allein mit dem ersten Schritt dieses Gefüge zu zerstören. Mit dem ersten Krater der grobstolligen Stiefel im Schnee würde man dieser Welt seine Existenz aufzwängen und mit ungewollter Dominanz das hermetisch wirkende Schaubild des Winterwaldes einreißen. Und so folgt man dem Wink des Milchshakebechers, der, tiefer in den Straßenschneematsch getreten, den Wegweiser zum urbanen Winterwunderland mimt. Zum Rummelplatz der Freude und Sorglosigkeit.
Man stolpert durch das Gehege des Weihnachtsmarktes. Sieht die bemützten Menschenmassen, die wie aufgescheuchtes Rotwild innerhalb ihrer Lichterkettenumzäunung des Budenwaldes hin und herirren. Ja nichts versäumen, nichts verpassen, nirgends zu spät kommen. Die Angst der ausverkauften Leckerei im Hinterkopf und den Blick geschärft für die Bedürfnisbefriedigung der quengelnden Sippe. Oder die da wie gelähmt entlang schleichen. Sich dem Nutzen der Bewegung zum Fortkommen entgegenstellen. Einen in der eigenen Zielstrebigkeit bremsen, da man, in aufdiktierte Pfade eingepfercht, unweigerlich auf diese prallen muss. Und innerlich von deren Fortbewegungsapathie zur Antipathie gereizt wird. Die beginnende Konfrontation im Kopf durch unweigerlich permanente Kollision der Körper. Verstand man die Evolutionstheorie falsch? Pflanzte die Natur etwa die Gliedmaße unter den Hinter, um denselbigen kriechend vorwärts zu bewegen. Darwins Erkenntnis ist doch fehlbar, ein Punkt für die begeistert Bibelfesten. Die nun euphorisch ihrem Glaubensfest frönen können. Dürfen sie sich nun ungestraft und unverspottet unters Volk mischen. Da sie in dem Augenblick der Weihnachtlichkeit von jedem Clown bekräftigt werden, der mit dem Christentum ungefähr soviel gemein hat, wie ich mit treudeutschem Karneval. Mit dem Unterschied, dass ich mich nicht lauthals in einen solchen Umzug platzieren und mir die Peinlichkeit des Mitmachens auferlegen würde. Diese Menschen aber tuen genau dieses. In freiwilliger Freude und aus Tradition. Oderwohl sie im Grunde gegenüber des Ursprungs und Grundgedanken desinteressiert genug wären, um zu glauben, dass zum Krippenspiel auch ein Kamel, Pinguin und Wackeldackel gehören. Oder das Frau durch Windbestäubung schwanger wird. Und der Gesalbte wie die Schönlingsversion des mitteleuropäischen Jünglings anmutete. Natürlich, wie jeder im arabischen Raum. Die »Wahrheit« der Bibel, die sich gegenüber der Evolutionstheorie nie zu verbessern brauchte. Wohl dem, der dabei begreift, dass dies geschied, weil eben nur die Theorie die Wahrheit sucht und seine Gedanken nicht dogmatisiert. Weicht man ab? Mit dem vom Weihnachtsrummel gelösten Blick verlassen auch die Gedanken diese Nichtigkeit der Zuwendung…
Und so hüpfen die Menschen beschwingt im Rausch christlichen Eifers und der Nächstenliebe an den Festtagsbettlern vorbei. Deren südländische Erscheinung sich zumindest mit der des Christus deckt, aber dennoch als Werbemittel nicht den erhofften Erlös hervorruft. Wie auch. Der Deutsche hat schon pflichtbewusst gespendet. Zu Hause im Warmen und aller Gemütlichkeit. Damit die Kinder, die zurzeit in noch wärmeren Gefilden ohne Schokoweihnachtsmann und Stollen rumschwitzen, auch wieder ehrlicher grinsen können. Zumindest auf den photoshopgetrillten Plakaten. Denn wenn schon Armut, dann wenigstens werbetauglich stilisiert und der Schönheitsästhetik hin angepasst. Man will ja keine Kunden verschrecken. Und so kam er, der Kunde, und spendete in der eigenen Seligsprechung. Da bleibt kein Geld mehr für so einen bettelorganisierten Lump aus nächster Nähe. Der am Ende der Schicht wieder zu seinem Gewerkschaftler in den Mercedes steigen und seine Beute abziehen lassen darf. Der Deutsche braucht das Kleingeld für Glühwein und gebrannte Mendeln, für Würste und Gebäck. Damit sein Märtyrergang in die kalten Winterabende nicht grundlos gewesen sein muss. Damit er zum Jahreswechsel wieder pflichtbewusst und voller Inbrunst seinen Willen zur Gewichtsregulierung in die begeisterte Menge blöken kann.
Man sieht dem Treiben zu. Sieht die Köpfe und deren verbissene Gesichter beim Glühwein durch die Massen manövrieren. Sowie deren Körper, die, am Ziel angekommen, ebenso dreist im Weg rumstehen. Man sieht die Hunde, aus deren Blick ebensolche Überforderung aufgrund von Reizüberflutung, wie der immer schmerzlicher werdende Gehorsam spricht. Und muss sich eingestehen, dass man auch den ganzen Rest sieht.
Aber es trägt dazu bei, dass man beginnt, sein Unverständnis zu verstehen. Man ergreift den kandierten Apfel und beginnt dabei den geschlossenen Kreis seines Desinteresses zu begreifen. Man benötigt den Horizont eines Kindes, um in dessen Enge ausreichend Platz für ehrliche Begeisterung zu finden. Verloren hat der, der zu wachsen begann. Dessen Skepsis und Argwohn einen Horizont schuf, dessen Ende nun weit hinter der Fassade abgesteckt worden war. Und damit genug Nährboden für all die nüchternen Fragen und ausreichend Ackerland für all die Negativbilder schuf. Vielleicht sollte man mehr wie diejenigen sein, dessen Freude das Ziel und zudem die Belohnung ihres Daseins darstellen. Welche die Dinge einfach nur beim Namen nennen, ohne die Bedeutung des Namens nachschlagen. Die an der Bude Geld ausgeben. Ohne einen inneren Dialog mit der eigenen Existenzminimumsverbitterung zu führen. Ohne Kosten-Nutzen-Analyse und Haushaltskalkulation. Die in der Selbstverständlichkeit ihrer menschlichen Überlegenheit in die Bratwurst beißen. Und nicht daran denken, dass es nur ein evolutionärer Glücksfall war, dass nun nicht ihr Fett aus der Pelle kleckert. Die sich für Gutmenschen halte und deren Gespür für Ethik und Moral am Tor der Schlachthöfe oder zumindest vor der Landesgrenze endet. Als wären dahinter nur noch Rübenfelder. Vielleicht sollte man nicht an die Unwiederbringlichkeit denken, an das Gestern und an das Später. Sondern sich betäubt vom Jetzt allen hingeben und glücklich lachend mit gebackenen Maronen werfen. Das Nutella vom Crêpe saugen und den Hund vergnügt in den Schneehaufen werfen. Sich selbst zum eigenen Wohl und dem Wohle der Allgemeinheit aufgeben. Auch auf die Gefahr hin, dass das Lachen dann nur ein allzu sardonisches wird. Hauptsache man lacht. Verzehrt das Gesicht wie ein Schimpanse, anstatt mit stoischer Mine den Volksquerulanten zu mimen. Das dankt einem sowieso keiner.