Gothic Friday 2016 – Ambivalenz-Konflikt

Da es sich hierbei verstärkt um das WGT drehen soll, könnten diese Worte etwas widersprüchlich werden. Vielleicht aber auch nicht. Wirklich weiß ich das erst, wenn der letzte Punkt gesetzt worden sein wird. Aber dennoch sage ich es schon mal im Vorfeld, wer hier erwartet, heitere bis überschwängliche Festivalstimmung in Worte gepackt vorzufinden, der kann den Link gleich wieder schließen. Braucht gar nicht weiter zu lesen. Gesell dich zu den Berichten der Feiernden, des Partyvolkes. Ich kann es nicht. Denn dann müsste ich lügen. Müsste Märchen erzählen und spannende Kurzgeschichten erfinden. Und ganz ehrlich, darauf habe ich momentan so absolut keinen Bock…

 
Warum fährst du zum WGT?

Die Frage stelle ich mir auch jedes Jahr auf´s neue. Ist mein Besuch in Leipzig beschlossen, so nehme ich es gleichgültig zur Kenntnis. Vorfreude, aufgeregtes durch das Zimmer gehopse, nervöses Kostümgesuche oder Prä-WGT-Träume und all dieser unangebracht alberne Bullshit, der Tage vorher Facebook zumüllt, ist mir so fremd wie die Begeisterung für eine Beschneidung ohne Betäubung. Und da spreche ich aus Erfahrung. Es ist einfach so. Das WGT passiert eben. Nüchtern gesagt, nüchtern gedacht und Punkt. Einzig wenn ich dann aus dem Zug steige, vor mir der Hauptbahnhof und kilometerweit hinter mir der Wohnort, flammt kurze Emotion empor. Die mir jene Worte in den Gedanken unterstreichen: »Hallo, Leipzig«. Aber das denke ich auch, wenn ich dort einfach mal zu Besuch auftauche, für Clubabende oder für einen neuen Tattoo-Termin. Zudem ist dieses einzig temporär und reicht ungefähr so lang, wie der Bahnhof breit ist.
Im Grunde hätte ich diesem Zirkus auch schon längst den Rücken gekehrt, wenn sich nicht das Duo vom Pfingstgeflüster alle Mühe geben würde, mich dort hin zu lotsen. Und wer noch immer unwissend genug ist, um mit dem Namen nichts anfangen zu können. Das war keine unterschwellige Werbeandeutung, das war eine offenkundige Aufforderung. Holt euch das Heft. Was stilvolleres werdet ihr nicht finden. Nun, und ihnen gelingt es fast immer. Denn allzu oft behandelt mein dahingehender Schreibauftrag Dinge, für die ich nicht einzig am Schreibtisch, im Netz und in der Bibliothek recherchieren kann, sondern für den ich schon Vorort gewesen sein sollte.

Was habe ich ansonsten auf dem WGT zu schaffen? Erfahrungsgemäß nichts. Mich beim »Treffen« treffen? Ich kenne kaum eine Sau, von denen, die dort herumturnen. Oder anders gesagt, ich lege wenig Wert darauf, dort irgendwem bewusst zu begegnen. Wenn, dann trafen die anderen mich. Aber wer stumm an mir vorbei zieht, obwohl man sich kennt… was interessiert es mich.
Und was ich schon gar nicht vorhabe, ist, irgendwen neues kennenlernen zu müssen. Und wenn ich eines hasse, dann ist es die hemmungslose Kontaktgeilheit mir fremder Mitmenschen. Besonders auf Festivals. Wenn diese Gestalten dem Trugschluss verfallen, man wäre eine Familie, wäre sich deshalb besonders nahe und somit allzu kommunikativ. Mit Verlaub, aber einen scheiß bin ich. Und schon gar nicht kommunikativ. Weder am Einlass, noch in der Tram, noch sonstwo. Es sei denn, ich werde berufsbedingt dafür bezahlt. Mich ödet es schon an, wenn ich bei den Ständen zum Dialog aufgefordert werde, nur weil ich mal zu lange irgendein Ding betrachtete.
Im Grunde gibt es nur zwei Situationen, in denen ich bedingt gesprächig werde. Grund Eins: Ich werde von einem Weibchen angesprochen. Mit Sympathie, Singlehintergrund und im Beuteschema. Das aber nur in der Theorie, in der Praxis geschah das in den 20 Jahren… lass´ mich nachdenken… ein mal. Oder ich treffe wirklich gute alte Bekannte. Dann aber auch eher zufällig, da ich es mir abgewöhnte, es wirklich darauf anzulegen. Schon alleine aus dem Grund, dass diese definitiv wichtigeres zu tun haben.

Somit steht weiterhin die Frage nach dem Warum im Raum; außerhalb der Pflicht. Nun, ich liebe Leipzig. Es ist mein gelobtes Land. Aber ebenso hasse ich diese Stadt. Es ist mein zweiter Höllenkreis. Ich liebe sie wegen ihrer Geschichte, Kultur, Architektur und ihrem Wesen. Daher bin ich gerne dort. Und ich hasse sie wegen all dem was ich an ihr schätze, da ich weiß, dass ich kein Teil dessen bin, sondern nur ein Tourist. Aus einer Gegend, der ich in ewiger Monotonie all das vorhalten, was diese gegenüber Leipzig nicht hat. Nie haben werden kann.
Leipzig baute mich nach dem Fall auf, um mich später wieder zu brechen. Natürlich nicht die Stadt ansich. Aber eben Lebenswege innerhalb dieser. Wen es interessiert, der kann weiterlesen. Wer nur nach exakten Antworten giert, darf sich gerne zur nächsten Zwischenüberschrift trollen.

Ein Festival macht ungemein Spaß wenn man mit seinem Weibchen dort unterwegs ist. Das weiß ich. Oder wenn man sich frohen Mutes unentwegt mit anderen trifft. Ein Festival erfüllt einen mit weniger Lust und Laune, wenn man drei Probleme besitzt: die Stadt, sich und den ganzen Rest.
Warum die Stadt? Weil ich bis vor fünf Jahren in dieser studierte und seitdem kaum ein Tag vergeht, in dem ich mir nicht die eigenen Vorwürfe anhören darf, warum ich damals nicht dorthin gezogen bin. Die Chance nutzte und nicht den Fuß wieder aus der Tür zog, sondern den andere mit hineinsetzte. Klare Antwort: Skepsis und damalige Freundin. Obwohl uns, oder vielleicht auch nur mir, bald klar wurde, dass unsere Zukunft in Leipzig liegt. Ihre ja. Meine noch ganze drei Tage. Denn dann rückte sie endlich damit raus, dass das Wir nun endgültig vor sein. Und als ich ihr darauf hin später ihren Kram brachte und meinen abholte, dann begannen viele Ecken Leipzig plötzlich einen faden Beigeschmack zu bekommen. Das ganze muss um die fünf Jahre her sein. Und seitdem sitze ich förmlich in diesem Kaff hier fest. Immer noch mit gepackten Kisten sowie Kartons, und darauf wartend, den erneuten Sprung nach Leipzig zu schaffen. Ja, und das halt verdammt erfolgreich. Aber scheiß drauf, könnte ich verschmerzen, denn schließlich habe ich hier einen guten Job, der die Miete und das Studio zahlt. Und mittlerweile sogar wieder ein paar Blu-Rays. Sowie dieses Hipster-Mate, an dem ich mich in Clubs festhalte, um überhaupt etwas zu tun zu haben.
Womit ich das größere Problem habe, ist die Zeit. Fünf Jahre. Fünf verdammte Jahre. In denen jeder Monat sich mehr und mehr in Einsamkeit hüllt. Alles, was mich einst charakterlich definierte, mit seinem toxischen Schleier umgibt. Und dem es gelang, über die Zeit, vieles an Persönlichkeit, Leichtigkeit und plump gesagt, Lebensfreude, wegzuätzen. Übrig blieb das ewige flüstern der eigenen Dämonen im Kopf. Das Rattern der Eventualitäten im Schädel. Die Verbitterung, die einen das Gesicht zur stoischen Miene meißelt und der Zynismus, der das bildet, was andere heiter ungezwungenen Smalltalk nennen.
Fünf Jahre… und denke jetzt bloß nicht an den scheiß Titel von L’Âme Immortelle. Und es ist interessant, was es aus einem Menschen macht. Klar, zwei Mädels erbarmten sich in der Zeit meiner. Für jeweils ein Quartal, dann durfte ich mich sinngemäß wieder aus deren Leben verpissen und Platz für eloquentere Typen machen. Klar, die dazugehörige Argumentation ihrerseits war diplomatischer. Aber trotz der Euphemismen bleibt die Aussage die gleiche. Ungeachtet derer viele, bei denen irgendwelche Versuche sinnlos gewesen wären oder erfolglos blieben. Überflüssig zu erwähnen, dass mein Kontakt danach stetig auf den Gefrierpunkt fiel. Denn eines brauche ich nicht, mir von anderen ein verdammtes glückliches Leben vortanzen zu lassen.
Und das erlebe ich in Clubs, auf Konzerten, innerhalb von Festivals und damit natürlich auch beim WGT. Egal wo ich bin. Unaufhörlich kommen mir Menschen entgegen, die mir hämisch das vorhalten, das vorleben, was ich seit Jahren schmerzlich vermisse. Ich sehe Pärchen. Ich sehe Leidenschaft, sehe Liebe, sehe Zuneigung. Ich sehe wie es ist und es wirkt auf mich so verletzend wie surreal. Verletzend, weil man noch irgendwo weiß, wie es sich anfühlte. Und wenn man auch nichts vermisst, was man nicht kennt, haut der Verlust des bekannten richtig rein.
Und surreal, weil man es sich nicht mehr vorstellen kann, wie das im alltäglichen ist. Ich habe vergessen wie es war, als man nicht nur für eine Nacht vögelte, jenachdem auch mal recht emotionslos und nur des Triebes wegen. Sondern wie es ist, wenn man liebt. Nicht zeitlich eingeschränkt und nicht für umsonst, sondern dauerhaft. Und vor allem, wenn man von dem Menschen zuhause erwartet wird, der gleiches tut. Nicht eine Nacht, nicht ein Wochenende, nein, ein Leben.
Diese beschissene Normalität ist eine fremde Welt. Permanent um einen herum. Und das hebt die Stimmung ungemein. Nein, verdammt, das martert. Und dann noch in dem Mix einer städtischen Kulisse, deren Postleitzahl man nur allzu gerne im Ausweis tragen würde. Das WGT ist nicht mein glücklicher Urlaub. Nein, es macht mich depressiv. Es lähmt mich. Macht apathisch, lethargisch. Es schmerzt, wenn man ein Mädel im Beuteschema bei einem anderen sieht. Und das dauerhaft. Wenn man vielleicht seine letzten verdammten Mut zusammenkratzt und endlich den Gesprächsknüpfpunkt gefunden hat, der perfekt wäre, und dann doch ein Penner ankommt und ihr mit Kuss Cola oder Wein oder sonstwas bringt. Man auf halben Weg abbiegt und sich denkt: »Fickt euch doch!«
Das WGT zerstört mich und dennoch zieht es mich immer wieder dorthin zurück. Ob Masochismus oder Hoffnung, wäre beides der gleiche sinnlose Interpretationsversuch. Ebenso wie man vergeblich versucht, den biologischen Trieb in romantischer Verklärung als Liebe abzutun. Damit es schon sentimental klingt, man schmachtend seufzen kann und sich denkt, wie schön das ist. Was ist schön an einem Wesenszug, der eher dem Drogenrausch und kalten Entzug nahe kommt, als aller Romantik und Minne. Das können doch nur die übersättigten glauben…

Und seitdem ich zum WGT nicht mehr zelten, sondern mich in eine Wohnung einquartieren kann, sinkt die Motivation, mir das Treiben zu geben, minütlich. Aus eben besagten Gründen. Ab Samstag ist die neutrale Ansicht der Dinge zu einem depressiven Brei geworden, der nur noch eine logische Konsequenz beinhaltet: Tasche packen und wieder abreisen. Schließlich habe ich bis dahin ohnehin schon alles gesehen. Und Bands bauen mich seit langen nicht mehr auf. Da ich in Gedanken immer nur mich mit einer Ex tanzen sehe. Egal welche, auch das saugt einen leer.

 
Wie war Dein letztes WGT?

Wie gesagt: pflichtbewusst. Ich hatte Glück, dass ich den dahingehenden Freitag keinen Dienst hatte. Und so konnte ich das tun, wozu ich dieses Jahr vom Pfingstgeflüster angeheuert wurde: Inspizierung vom Belantis. So schleppte ich mein Zeug zur Schule, von dort am Nachmittag zu Bahnhof, von dort zur Unterkunft und fand mich am Abend in einem mir bis dato unbekannten Freizeitpark wieder. Wie das gewesen war, das erspare ich mir jetzt. Denn wer es wissen will, der weiß nun, wo er den dazugehörigen Bericht finden wird.
Freitag unternahm ich das, was schon fast Tradition besaß: Futter besorgen, Presseausweis abholen und in der Agra sowie im Heidnischen Dorf meine Runden drehen. Und ja, die Stände, besonders die CD-Auslagen, sind das, was mich als erstes anzieht. Und was ich zumeist noch durchhalte. Da es auch hier traditionell so war, dass, anhand der zuvor geschilderten Eindrücke, ab Freitagabend der Nebel einsetzt. Was dazu führte, das ich sämtliche zuvor herausgeschriebene Clubabende und Konzerte rigoros ignorierte. Ich hatte keine Lust mehr darauf. Und alles wurde sowas von egal. Vorhaben wie Vorsätze versanken in der Teergrube, die dort blubbert, wo eigentlich die Begeisterung für das Dasein erblühen sollte.
Abney Park bekam ich noch zu Gesicht. Zumindest das erste Viertel. Dann verließ ich gelangweilt die Halle, da die Band ohne weibliche Zweitstimme komplett an Atmosphäre einbüßte. Die Krupps sah ich mir auch kurz an und ging irgendwann angenervt. Einzig Leæther Strip verfolgte ich wirklich aktiv. Da man, für meine momentanen Verhältnisse, frustriert und depressiv am Rand herumstehen, schon als »aktive Teilnahme« definieren kann. Vor allem, da dieses das komplette Konzert über gewesen war. Aber eigentlich freundete ich mich Freitagabend schon mit dem Gedanken an, Samstagmorgen wieder zu fahren. Im Grunde war ich einfach leer und nichts im Umfeld vermag es, das irgendwie wieder zu füllen. Wohl auch, da ich dafür mit Sicherheit selbst genügend Barrieren liefere. Aber Fakt ist, mich können alle, die mich blöde fröhlich angrinsen einfach mal sowas von am Arsch lecken.
Schließlich zog ich noch mit den Flüsterern umher. Schon alleine deswegen, weil diese meine zynische Art einfach abkönnen. Es ist ja auch nicht einmal Hobby. Es ist einfach Schutz und Resultat. Ist man innerlich leer, so versucht der Kopf das Vakuum verzweifelt mit allem zu füllen, was die Emotion noch hergibt. Ist dieses nur noch Frust und bohrende Fragen, so wies dieses aufgesaugt, als einziges. Somit ungefiltert und ungebremst.
Und so blieb ich noch. Versuchte vergeblich aus einer Ausstellung noch etwas brauchbares für einen Artikel mitzunehmen. Tattoos im Grassi-Museum. Das Museum war schnell gefunden, Tattoos suchte ich allerdings vergeblich. Ebenso die Begeisterung für Leipzig.
Die Tatsache, dass mir Belantis den Vorboten einer netten Erkältung bescherte, sorgte dafür, dass ich dann doch Sonntagmittag im Zug Richtung Wohnort saß.

Mit anderen Worten, das WGT war wie all die Jahre zuvor: nichtexistent. Ich war dort, nahm es aber nicht als persönliche Interaktion wahr. Es war losgelöst, als würde ich durch eine imaginäre Welt ziehen. Durch etwas Virtuelles und nur Teilhaber sein. Alter Ego oder Avatar. In einer Welt, mit der ich nicht interagiere und welche auch nicht auf mich reagierte. An mir vorbeizieht. Unbeteiligt, unbeeindruckt. Als säße man in Einzelhaft mit Blick auf ein Autokino. Oder in Worten klassischer Philosophie gesagt: Als säße man in Platons Höhle.

 
Wie Dein erstes?

Keine Ahnung. Das war 1996. Wir zogen im damaligen Freundeskreis dorthin. Ein Bund, von dem momentan noch einer übrig ist. Der Rest ist entweder verstorben oder verschollen oder beides oder ich habe einfach den Kontakt auslaufen lassen. Sofern ich mich aber noch daran erinnere, waren die Festivals damals impulsiver. Zum einen, da wir damals in unserem Zeltkreis nur Unsinn im Kopf hatten. Bis hin zu interessanten Experimenten mit Campingfeuer. Die damaligen Festivals konnten ohnehin pauschal als allzu selbstzerstörerisch betrachtet werden. Aber damals mehr körperlich. Aber selbst die Anreise. Auto war Illusion und so besetzten wir wie selbstverständlich das, damals noch separate, Fahrradabteil. Müllten dieses mit unserer Anwesenheit und unseren Rücksäcken, Schlafsäcken, Zeltstangen und was weiß ich nicht alles zu. Den Rekorder und schräger Musik in der Mitte und den Festivalswahn im Schädel.
Gegessen wurde so gut wie nichts. Getrunken auch nicht. Es war einfach keine Zeit dafür und ich war auch zu faul gewesen, großartig dafür einzukaufen. Somit ernährte man sich die fünf Tage von trockenem Brot und ein paar Würstchen. Viel später, ab 2007, bei meiner dritten Festivalsphase, von Haferkeksen und Energydrinks. Das wenige essen hatte auch pragmatische Gründe. Denn ich habe keine Hemmungen in diese Dixiplastiken zu pinkeln. Aber mehr auch nicht. Und öffentliche Toiletten waren damals rar.
Dennoch, man war den ganzen Tag auf den Beinen. Durchwühlte die CD-Auslagen nach Raritäten und normalen Alben. Ende ´90 noch intensiver als heute. Da ich zumindest als damals städtischer Arbeiter mehr Geld als heute zur Verfügung hatte und man damals nicht jeden Blödsinn freihaus im Netz fand.
Und abends zogen wir von Konzert zu Konzert. Schlappmachen galt in unsere Gruppe nicht. Und wenn, dann puschte der einen den anderen wieder auf. So dass man irgendwann gegen 4 oder 5 Uhr morgens ins Zelt krachte. Um ein paar Stunden mit Schüttelfrost, wegen konsequenter Erschöpfung, im Schlafsack zu verbringen. Sich anschließend gegen Mittag irgendwo vor dem Zelt auf einen Stein in die Sonne zu legen und wie eine Echse darauf warten zu müssen, bis die Sonne einen endlich von den steifen schmerzenden Gliedern erlöste. Und man sich wieder normal bewegen konnte. Danach ging es wieder auf die Piste. Geduscht wurde wenn es regnete. Ansonsten: Scheiß drauf. So dass spätestens am zweiten Tag selbst die Stiefel jene markante Salzablagerung besaßen und mitsamt Hose und Shirt wie marmoriert wirkten. Aber wozu wechseln, wenn man am nächsten Abend ohnehin nach dem Gepoge bei der ersten Band wieder nach Puma stank. Ich schätze, das zog damals die Mädels nicht gerade an. Doch interessanter Weise war es mir damals egal. Ich wollte laute Musik, CDs und Spaß. Frisur war zufallsbestimmt und irgendwann auch sämtliche Motorik. Und spätestens am Sonntagabend fühlte man sich wie im Bootcamp oder einer Höllen-Woche irgendeiner Rekrutierung für ein Sondereinsatzkommando. Und wehmütig erinnere ich mich der Zeit, denn das hatte echt was gehabt.

 
Was ist Dein schönstes Festivalerlebnis?

Im Grunde war es vor einigen Jahren und genau ein Jahr nach meinem unerfreulichsten. Letzteres geschah übrigens in der Agra. Ein halbes Jahr, nachdem ich von ihr abgeschossenen wurde, schlendere mir meine Ex entgegen und fing auch noch grinsend an Small-Talk halten zu wollen. Ganz so als ob wir alte Freunde wären. Ich hatte sie über Jahre verehrt und bekam dann, als sie in Leipzig angekommen war, mit Phrasen sinnloser Ausflüchte die Abfuhr. Und bevor ich die Brücken gänzlich einreißen konnte, bekam ich zur allem Überfluss noch mit, dass ich bald ersetzt wurde. Zugegeben, ich schrieb dem Kasperkopp von meinem Nachfolger damals noch ein paar Zeilen und freude mich schließlich, dass ich mit vielen Recht behalten würde. Dennoch, diese Trennung hatte mich zertrümmert. Zu einem Zombie werden lassen, der danach für Monate nur auf den Sofa vegetierte und Jahre nicht drüber weg kam. Und als wenn es in dieser scheiß Stadt, an diesem verdammten Ort nicht hunderte andere Idioten gäbe, die mir begegnen könnten, war sie es. Ich antwortete in kurzen knappen Worten und war froh, weiterhin meine Sonnenbrille auf zu haben. Und fühlte mich alles, nur nicht wohl. Nach wenigen Minuten ließ ich sie stehen, verabschiedete mich hastig und eilte aus der Agra. Mein Herz pumpte auf Anschlag, so dass ich es in der Kehle hämmern fühlte und mein Magen begann sich umzudrehen. Mir war schlecht und wurde immer schlechter. Draußen angekommen holte ich einige Minuten tief Luft und kämpfte gegen das Gefühl an, hinter das nächste Gebüsch kotzen zu müssen. In meinem Schädel entfachte sich der reinste Holocaust an Negativ-Emotionen. Und wäre die Agra nicht so ungemein kindersicher gelegen und eingerichtet, ich hätte im Affekt heraus irgendwelchen selbstzerstörerischen Blödsinn anrichten können. Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, holte ich mir einzig noch Met im Heidnischen Dorf und reiste augenblicklich ab. Und war zum Glück im Zug zu sehr damit beschäftigt, die Fassung zu bewahren, um in irgendwelchen verzichtbaren Gedanken zu verfallen.

Aber man will ja hier schönes lesen. Nun gut. Ein Jahr später in der Villa. Zugegeben, dass die Villa dieses Jahr ihren Abschied von dem Clubwesen bekannt gab, erfreute mich nicht gerade. Denn egal wie, dort gab es noch immer die beste Musik, die ich all die Jahre in einem Club hörte. Und leider auch mit die süßesten Mädels. Damals ebenso. Und ja, ich war sogar recht gut drauf gewesen. Wahrscheinlich noch aufgekratzt von irgendeinem Konzert. War es Feindflug gewesen? Ich weiß es nicht mehr. Ist auch egal. Ich verschaffte mir Platz und Respekt auf der Fläche und wurde verstärkt von einem Elektro-Girlie angegrinst. Wow, Premiere, nach zig Jahren Nachtleben im Club. Klar, dass Mann dann zurückgrinst. Vor allem, wenn diese gar nicht so schlecht aussah.
Irgendwann tanzte man enger oder saß plaudernd am Flächenrand. Irgendwann tanzte man noch enger und gegen die Wand gedrückt. Begann sich zu erkunden. So dass ich herausfand, dass sie gepiercte Nippel besaß und sie, dass mir dieses gefiel. Bis man etwas inniger am Rand der Fläche saß und wusste, dass der Abend nicht so schnell enden würde. Zumindest, wenn sie nicht so voreilig gewesen oder auch irgendein Penner im Club gewesen wäre. Und nicht begonnen hätten, auf meinem Bein sitzend, schon vorfreudig vor und zurück zu rutschen. Was diesem Typen, ich glaube es war sogar der DJ, derart missfiel, dass er uns derb in aller Sitte anfuhr und irgendwas schnauzte, was ich aber bei der Lautstärke der Musik allerdings nicht verstand. Dennoch verfehlte es die Wirkung nicht, die Stimmung war im Arsch. Ich wollte ihr noch zu verstehen geben, dass es dem nicht gefiel und ob wir das nicht auf gleich verschieben könnten. Worauf ihre letzten Worte ein »Bin gleich wieder da.« waren. Nach zwei Stunden erfolglosen Wartens ging auch ich, gänzlich angepisst. Denn egal welcher verklemmte prüde Sacktreter dieses Problem gehabt hatte, mein Weltbild versteht derartiges Handeln nicht. Denn egal wie frustriert ich bin, ich lasse anderen wenigstens ihren Spaß und denke mir nur meinen Teil. Und es war ja nicht so, als hätten wir es nackt inmitten der Fläche getrieben und dabei sämtliche Brandschutzbestimmungen missachtet…
Und ja, das Ganze hat kein Happy End. Und ja, ich fand es eine verdammt lang nicht witzig. Schon allein aus Gründen der Rarität. Doch wann immer ich seitdem in den Clubs herumstehe. Ich Schatten bin und Luft. Und nicht mal irgendeiner Blicke gewürdigt werde. Dann erinnere ich mich daran, wie gut man sich fühlt, wenn man wahrgenommen wird. Nicht nur als Person, der man Platz macht oder aus dem Weg geht. Sondern wahrgenommen wird als Mann, als Beute. Als attraktiv und temporärer nächtlicher Gefährte. Manche werden darin nichts Besonderes sehen. Schön für euch und behaltet eure dahingehenden unerwünschten Kommentare für euch. Mir gibt es allerdings einen kleinen Impuls. Einen Moment der nicht gezeichnet ist, von dem Verlust weiblicher Wärme auf der Tanzfläche, der einen einfach nur am Flächenrand eingefrieren lässt.

 
Was war Dein eindrücklichstes Konzert?

Jedes Konzert hat seinen Eindruck hinterlassen. Und verdammt viele werde ich davon auch wieder vergessen haben. Doch am »eindrücklichsten« waren die, bei denen ich die Arme um mein Weibchen legen konnte. Geile Musik zu hören, mit ihr dazu zu feiern und ab und zu ihren Körper zu spüren und Duft zu atmen, wenn das keinen Eindruck hinterlässt, dann weiß ich auch nicht…

 
Welche Festivals sind noch Teil Deines schwarzen Planeten?

Ehemals: Dark Storm, Zillo Festival, M´era Luna, Amphi Festival, Woodstage
Zudem hoffe ich, dass ich in nächster Zeit wieder auf einige andere komme. Elektroanschlag oder Familientreffen zum Beispiel. Oder auch mal das Runes and man. Aber letztendendes wünsche ich mir keine Veränderung im Was bzw. Wo, sondern im Wie.

26 Gedanken zu „Gothic Friday 2016 – Ambivalenz-Konflikt

  1. Guldhan, da kommt bei mir ja der mütterliche Instinkt durch. Ich möchte dich in den Arm nehmen, hin und her wiegen, über den Kopf streicheln, dich trösten. Einerseits! Andererseits möchte ich dir in den Hintern treten und dir sagen bekomme denselbigen hoch und komme aus deinem Bad in Selbstmitleid heraus. So wie ich das verstehe, bist du unabhängig. Also los, verlege deinen Lebensmittelpunkt in die Stadt, von der du so träumst. Was steht dem entgegen? Und ich denke, wenn du nicht ganz so misantrophisch daher kommen würdest, könnte es auch mit einem „Weibchen“ klappen. Und natürlich, wenn du aufhörst die Frauen „Weibchen“ zu nennen. ;-)

  2. Es ist nicht so, dass ich es in den Jahren nicht versuch(t)e, den Lebensmittelpunkt nach Leipzig zu legen. Doch bei dem was ich bin, da deckt sich Leipzig seinen Bedarf selbst.
    Ich bin in meiner Arbeit relativ unabhängig. Das stimmt. Das heißt aber nicht, dass ich nicht auf Auftraggeber angewiesen bin. Und damit quasi Bildungsträger oder Studios. Und dahingehend gelang es mir nur hier etwas aufzubauen. Und zugegebener Maßen auch etwas, bei dem es töricht wäre, dieses leichtfertig aufzugeben. Doch eines weiß ich, sollte einst die Hälfte der Arbeitswoche in Leipzig liegen, dann bin ich weg von hier und pendle lieber.

    Frauen werden von mir nicht pauschal als »Weibchen« tituliert. Denn da es für mich keine Herabsetzung darstellt, sondern sehr emotional belegt ist, bezeichne ich so nur Gefährtinnen. Maßgeblich potenzielle oder ehemalige. Mag sein, dass der Begriff für manche abwertend erscheinen mag, aber eine… sagen wir mal repräsentative Umfrage im Kreis der Freundinnen ergab, dass es erstaunlich viele sogar als niedlich empfanden. Und für mich ist diese Begriff auch persönlicher, da er eine engere Verbundenheit symbolisiert, als die zur Trivialität versachlichten Bezeichnungen »Freundin, Partnerin, ect.«.

    Misanthropie hat mit Erkenntnis zu tun, das legt man nicht ab. Daher werde ich wohl immer so rüberkommen. Aber falls damit gemeint ist, ob ich auch etwas anders sein könnte, als ein zynischer, verbitterter Unsympath, der schon alleine mit der Verachtung im Blick jede abschreckt. Ja, und sogar das komplette Gegenteil. Aber brachte es mich bis dato weiter? Nein. Allerhöchstens beruflich. Doch privat einen Scheiß. Somit lasse ich mich lieber dafür bezahlen, dass ich die Maske des Nice Guy trage. Anstatt diese erneut verschwendet zu wissen und mit zweckloser Hoffnung auf dem Sofa zu liegen. Ein Teufelskreis, ich weiß…

  3. Nicht wundern, hier finden sich die Kommentare in voller Länge.

    Zu Flederflausch

    „Wow, das ging aber schnell. […]“

    Nun, wenn ich anfange zu schreiben, dann schreibe ich. Die meiste Zeit geht ohnehin nur für das Suchen und Finden der meisten damit verbundenen Rechtschreibfehler drauf.

    Zu strangeplant

    „[…]Ich wünsche Dir, dass du aus diesem Strudel der Tristesse irgendwann wieder herauskommst.[…]“

    Der Strudel wird von den meisten „Leben“ genannt. Und das Problem ist, dass die Natur mittels des Selbsterhaltungstriebes schon dafür sorgte, dass man lebenslang darin gefangen ist.

    […]“Man kann niemanden ändern außer sich selbst”[…]

    … einigen wir uns mal darauf, dass es von Klöters ist, so möchte ich diese Aussage doch relativieren. Natürlich wird dieser Ausspruch gutmütig sentimental gemeint sein und auch seine Berechtigung haben. Doch die Psychologie zeigt sehr wohl, dass der Mensch zu Machtspielen neigt. Arbeitsplatz, Familiäre Prägung, vor allem die Beziehung und sogar das Umfeld als „Schwarmintelligenz“. Allem unterliegt ein bewusstes oder unterbewusstes Machtverlangen, den Menschen, der hineintritt, so zu verändern, dass er auch den letzten Anforderungen entspricht.
    Sind es Gewohnheiten oder Traditionen, sind es Stil oder Auftreten. Man wird überall geprägt. Nimmt Kleinigkeiten von der anderen Menge oder anderen Personen in seine Persönlichkeit auf und lässt sich damit ändern.
    Ein gut gemeinter philosophischer Leitsatz, der aber mit der Realität des Menschseins kollidiert.

    […]“Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwer.”[…]

    …der Trost der Philosophie? Zugegeben, dass war Boethius. Worte haben eine entscheidende Schwachstelle: sie sind nicht physisch und können somit physisches nicht verändern. Trost findet nur der, der an Trost glaubt. Wer einfach nur hören will, was er ohnehin schon denkt und weiß, den kann man mit solchen Worten wieder aufrichten. Das weiß ich, weil ich vielen schon damit geholfen habe. Sei es privat, sei es schulisch. Und weil ich weiß, wie die „Mechanik“ von Trost und Hoffnung funktioniert:
    Hat man ein Fundament, gut gemauert, mit soliden Türen und Fenstern, die allerdings offen stehen und somit die Kälte reinlassen, dann kann die bloße Luft der Worte diese zuschlagen. Wieder für Wärme und Schutz sorgen. Hockt man aber in einer Ruine, dann umweht einen der ganze Blödsinn auf allzu lästige Weise und lässt einen noch mehr frieren. Worte sind Schall und heiße Luft. Oder in diesem Fall einfach nur leerer Code. Was nicht persönlich gemeint ist, sondern rein theoretisch.

    Zu Rena

    […] aber ich finde es sogar irgendwie erfrischend wenn jemand sich traut so frei raus zu sein, wahrscheinlich wohl wissend das es einige schockieren wird! […]

    In der Tat, deshalb habe ich mich noch zurück gehalten. Es ist allerdings auch der Verschiebung der Wahrnehmung verschuldet. Nimmt man die sozialen Netzwerke, speziell Facebook, so werden fast ausschließlich nur positive Aspekte gepostet. Was dazu führt, dass diese Orte zum Ausbund der Freude und Leichtigkeit werden. Was zwei Dinge zur Folge hat. Zum einen kann sich schnell jeder, der dieses eben nicht abschätzen kann, von seinem eigenen Leben betrogen fühlen; da er selbst nicht nur hohen Spaßfaktor und Unterhaltungswert zu posten wüsste. Zum anderen verschreckt es mehr als es müsste, wenn man mal mit der anderen Seiten konfrontiert wird.

    Zu Tanzfledermaus

    […]Inwiefern dieser Frust sein tägliches Leben bestimmt, lässt sich schwer erahnen. Aber es wäre natürlich fatal, wenn es neben diesem Frust kein oder nicht genug positives Gegengewicht gäbe.[…]

    Wenn Festivals und Clubabende eigentlich das sind, was einen vom tristen Alltag erholen sollte, und so verlaufen, wie wird dann wohl der Alltag aussehen. Das einzig positive Gegengewicht ist wörtlich zu nehmen. Nämlich die 4×90 Minuten pro Wochen an denen ich gegen schweren Stahl ankämpfe und der Wille dieses zu bewegen sowie der damit verbundene Schmerz in den Muskeln den Kopf ins Stand-By setzt. Der Rest ist nichtexistent. Entweder ich tue es, weil ich dafür bezahlt werde oder es verschwand im emotionslosen Nichts. Oder wie paradox ist es, dass jemand, der seine FEstivals so durchlebt, die ganzen restlichen Tage immer was zu Lachen hat…

  4. Ich persönlich finde ja, dass „Weibchen“ so nach Tierreich klingt. Logisch, wenn du davon ausgehst, dass wir Säugetiere sind, dann passt es wieder. Aber etwas niedliches kann ich daran nicht erkennen.
    Gefährtin oder auch Gefährten (sind ja in der Regel zwei) hört sich dagegen viel besser an. Es vereint all das, was man gemeinhin mit einer Partnerschaft verbindet.

    Wie meinst du das, dass du dich dafür bezahlen lässt Mr. Nice Guy zu sein bzw. dessen Maske zu tragen?

    Und ist es denn Verschwendung, wenn man Gefühle investiert? Wunderbare Gefühle wie Liebe, Freundschaft, Freude am Leben, sind nicht verschwendet. Auch wenn das Leben manchmal hart ist, lohnt es sich IMMER Gefühle zu investieren. Gerade weil man sich in liebenden Momenten wohl fühlt. Natürlich kann man auch mal einen kräftigen Tritt in den Hintern bekommen. Nichts desto trotz hat es sich vorher gelohnt, weil man in dem Moment des Gefühls einfach nur glücklich ist. Ohne Wenn und Aber.

  5. Kann ich verstehen. „Gefährtin“ klingt mir zu neutral. Aber ich sage dieses dennoch auch gelegentlich. Doch das kann ebenso eine gute Freundin oder Seelenverwandte sein. Während „Weibchen“ für mich auch den biologischen Aspekt unterstreicht. Und seien wir ehrlich. Anziehung und Partnerschaft basiert nicht primär auf Charakter, sondern auf einfachste biologische Mechanismen. Allesamt angelegt auf Fortpflanzung. Man liebt sich, weil es der Trieb vorgibt. Und dieser tut es, weil der Instinkt sagt, dass die Nachkommen optimal wären. Egal ob man Kinder haben will oder nicht. Aber natürlich, sollte die Freundin den Begriff nicht mögen, so wird dieser aus meinem Vokabular gestrichen. Aber dann würden wir von der Mentalität her ohnehin nicht zusammenpassen. Denn der Charakter bestimmt noch immer, ob man zusammen bleibt…

    „Wie meinst du das, dass du dich dafür bezahlen lässt Mr. Nice Guy zu sein bzw. dessen Maske zu tragen?“

    Ich unterrichte, bzw. lehre. Und da hat es nicht zu interessieren, ob man das Wochenende zuvor nur depressiv auf dem Sofa lag. Da hat es nicht zu interessieren, welcher Stellungskrieg im Kopf wütet. Dass man den Abend zuvor vor Wut und Frust irgendwas, das einem in der Wohnung dummer Weise im Weg stand, durch den ganzen Raum getreten hat. Wenn du unterrichtest dann lächelst du. Egal ob du heulen könntest oder es getan hast. Dann bist du ausgeglichen und bringst der Späße mit rein, schafft gute Stimmung, bist Tröster und Motivator. Das machst du, weil es dein Job ist, weil du dafür bezahlt wirst. Bin ich auf offener Straße unterwegs, habe ich dafür weder die Lust, noch die Kraft. Da lasse ich es mir ansehen, dass ich morgens nicht mit einem Lächeln auf dem Gesicht aufgestanden bin. Dass ich einfach nur so satt von meiner Existenz bin. Wozu auch, die Resultate sind eh die gleichen. Warum Energie darin verschwenden. Für nichts. Nicht einmal einen verdammten Blick. Energie, die ohnehin nicht mehr da ist.

    „Und ist es denn Verschwendung, wenn man Gefühle investiert?“

    Ja, ist es. Vor allem, wenn sich die Investition nicht lohnt. Vielleicht für den Moment. Aber zu welchem Preis? Der Moment zählt 3 Sekunden. Das ist die Gegenwart in unserer Wahrnehmung. Alles andere ist Vergangenheit und damit nicht mehr existent. Somit warum in etwas investieren, das nach 3 Sekunden physisch erlischt. Für die tolle Erinnerung? Was hat man davon? Ist wie das Betrachten eines Bildes, während man sich einredet, dass der chaotisches Farbbrei irgendeinen Einfluss auf die Emotionen hätte. Als wenn es etwas wäre, das haptisch erfassbar sei und einen dadurch berühren könnte.

    Das wunderbare Gefühl der Liebe… Welche Liebe denn. Die von meinen halbvertrockneten Zimmerpflanzen? Von den Spinnen in den Ecken? Die letzten zig Jahre war mein Gefühl der Liebe einseitig. Ohne einen Scheiß von hoffnungsvoller Resonanz. Zumindest nicht länger als wenige Tage oder Stunden. Was daran wunderbar sein soll, muss man mir erklären. Aber vielleicht fehlt mir einfach der Hang zum Masochismus. Ist nicht persönlich gemeint, aber Liebe ist einfach nur zum Kotzen. Es macht einen fertig. Und ich sehe es nur an anderen.
    Und welche Freude an welchem Leben? Natürlich animiert einen der Selbsterhaltungstrieb dazu weiterzumachen. Aber macht es einen Freunde, macht man es gerne? Man macht es einfach. Macht es wie die Arbeit, des Machens wegen. Oft ist es einem egal. Oft genug kotzt es einen an. Aber Freude…. worüber. Mir fällt nichts ein. Doch, ich erinnere mich. Zuletzt im Oktober 2015. Da hatte ich mal einen schönes Wochenende in Weimar, Erfurt und Leipzig. Aber nützt es mir heute noch. Nein. Die Erinnerung zeigt nur was man verloren hat. Mehr nicht. Somit ist es nicht ohne Wenn und Aber, sondern einfach nur Null und Nichtig. Und alles so leer und sinnlos wenn man nur für sich alleine existiert.

  6. Ohne jetzt auf deine ausführliche Antwort einzugehen und vor allem ohne dir nahe treten zu wollen: hast du dir schon mal Hilfe gesucht?

  7. Ja, hatte ich. Aber da man mir über mich wenig bis gar nichts von dem erzählen kann, was ich nicht schon selber wüsste, hielt sich der Erfolg in Grenzen.

  8. Ich kenne dich leider nicht persönlich, habe mir aber immer mal wieder deine Schreibergüsse durchgelesen und kann mir ungefähr vorstellen, wie das dann abgelaufen sein könnte. Man muss natürlich auch bereit sein und es zulassen sich helfen zu lassen. Sich mit vor der Brust verschränkten Armen und verkniffenem grimmigem Blick hinzusetzen, so dass schon die ganze Körpersprache eine einzige Ablehnung ist, bringt einen nicht weiter.
    Bist du ein hoffnungsloser Fall?
    Ich will das eigentlich nicht glauben. Wie oft habe ich beim Lesen deines Blogs lachen oder schmunzeln müssen. Wie oft fühlte ich mir aus der Seele gesprochen. Und ich bin mir sicher, dass ich nicht die einzige bin. Wenn ein Mensch das vermag, ist er doch kein hoffnungsloser Fall. Oder doch?

  9. Wie was abgelaufen sein könnte? Ablehnung gegenüber Hilfe? Kommt drauf an. Wenn man mir mit solchen Phrasen wie: „Wird schon alles wieder. Warte nur ab.“ kommen will, dann darf man sich meiner Abwehrhaltung erfreuen. Und wenn ich so etwas obendrein noch von Gestalten an den Kopf geworfen bekomme, die absolut nichts darüber wissen, wie es sich anfühlt, dann erleben diese zudem meine sarkastisch feindselige Seite. Denn solche Worte bedeuten mir einen Scheiß. Vor allem von Pennern, die das nur als hohle Phrasen ohne Erfahrung absondern.

    Vor allem, da ich Jahre über Jahre hoffnungsvoll gewartet habe. Wie lange denn noch? Bis ich anfange faltig zu werden und zu stinken. Ich merkte, dass es gesünder ist, Gefühle wie Hoffnung zu tilgen. Hoffnung muss man sich leisten können. Und wozu auch. Leben ist einzig ein nüchterner Zustand. Was hat der mit Glück oder Freude darüber zu tun. Klar, man sieht es bei den anderen. Doch wer weiß, vielleicht sind die einfach nur naiv oder dumm genug, dass zu glauben. Oder weil sie einfach gar nicht wissen, was für einen gottverdammten Luxus sie besitzen: nämlich nicht nur eine physische Existenz, sondern ein emotionales Leben.
    Ich behaupte nicht, dass diese Einstellung die richtige ist. Sie ist die logische Konsequenz der letzten Jahre. Ich behaupte auch nicht, dass ich alles daran setze, diese gegen sämtliche Hilfeversuche aufrecht zu halten oder gar zu verteidigen. Doch ich weiß, dass man diese bis jetzt gerade mal mit Hilfeversuchen ankratzen konnte. Denn egal wie, gegen Worte war und bin ich immun. Mir kann man viel erzählen. Doch mich mit Argument vom Gegenteil zu überzeugen? Viel Vergnügen beim Scheitern… Denn ich weiß, was ich falsch mache. Ich weiß, was meine Fehler sind. Im Handeln, denken und fühlen. Das braucht man mir nicht zu erzählen. Doch ich weiß nicht, wie man da rauskommt (außerhalb der Universal-Lösung). Und alle anderen auch nicht.

    Beim Lesen meines Blog lachen? Das muss echt lang her sein. Schließlich hatte ich den die letzten vier Jahre hinweg eingestampft, da ich ohne Resonanz nicht mehr viel Bock drauf hatte. Oder jetzt erst rückblickend darin gestöbert? Denn 2016 wird hier definitiv wenig Anlass für Gelächter gegeben haben.
    Aber ich kann Menschen zum Lachen bringen, kann diesen ein gutes Gefühl geben. Habe ich ja nie dementiert. Humor, Charme, Zuvorkommenheit… Frage meine Klassen. Frag´ meine Freundinnen oder Bekannte. Frag´ meine Exen: „Ich kann nicht verstehen, dass so ein toller Kerl wie du Single ist.“ und bla bla bla. Sorry, aber wie soll man da nicht mit Zynismus kontern, wenn man dennoch im Stadtzentrum sieht, wie jeder unsympathische Troll das Leben mit dem verbringt, wonach man sich Jahr für Jahr sehnt. Und Jahre können einen wirklich brechen.

  10. Ich meine professionelle Hilfe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Therapeut mit so einer selten dämlichen Floskel daherkommt.

    Vor allem, da ich Jahre über Jahre hoffnungsvoll gewartet habe.
    Worauf wartest du denn?

  11. Ich spreche auch von professioneller Hilfe. Zumindest dieser, die man so ohne weiteres bekommen kann. Denn in diesem Bereich kann man nicht einfach spontan zum Facharzt spazieren, wie mit Zahnschmerzen oder einem Hüftbruch. Wohl auch von derer innerhalb des Bekanntenkreises. Wenn man dort von Hilfe sprechen kann, und nicht nur von Smalltalk.

    Worauf ich warte? Auf ein Leben jenseits der Leere und verdammten Einsamkeit.

  12. Ich weiß wohl, dass man professionelle Hilfe nicht ohne weiteres bekommt. Ich selbst habe lange darauf gewartet und musste mir im Endeffekt selbst helfen. Allerdings hatte ich ein anderes psychisches Problem.
    In deinem Bekanntenkreis wird nur Small Talk betrieben? Was ist mit „richtigen“ Freunden? Familie?

    Machst du das Glück in deinem Leben allein von einer Partnerschaft abhängig?

  13. Freunde bedingt, da geht es natürlich tiefer ins Detail. Aber halt auch nur Worte, was sollte auch anderes kommen können. Familie halte ich da konsequent raus.

    Ja, mache ich. 2011 hatte ich meine letzte Beziehung. Seidem nur noch mal ein paar Wochenende eine, somit sage ich es gleich, ich bin dahingehende Gegenargumente leid. Da man mir schon oft genug erzählen wollte, dass dieses nicht alles sei und der Fokus darauf Blödsinn ist und all das. Was man auch toll daher reden kann, wenn man jede Nacht zu seiner Frau oder seinem Mann ins Bett steigen kann.

  14. Ich kann dazu nur einwerfen, dass es nicht unbedingt mit diesen scheiß Gedanken zu Ende ist, wenn man jemanden gefunden hat, bzw. gefunden wurde. Zu leicht wird man von Selbstzweifeln zerfressen, legt vom Gegenüber unbedachte Aussagen auf die Goldwaage, gerät ins Grübeln, ja zermartert sich die Birne, ob da schon wer Anderes ist, gerät in Zoff usw.. So läuft es nämlich, wenn man nicht nur unglücklich verliebt war, sondern von geliebten Menschen so richtig schön verarscht und ins Herz gelatscht worden ist. Da bleibt immer was zurück – immer. Neben all der Dankbarkeit für den Moment des Glücks, der Zweifel, dass er eben genau das bleibt – ein Moment und keine Gewisskeit. Zwischenzeitlich empfand ich gar nur noch Verachtung und Spott für so etwas wie Liebe, weil ich sie fast nur noch mit Schmerz verband. Mittlerweile hat es sich insofern „normalisiert“, dass nur noch eine Grundangst sich immer wieder mal hoch- und durchdrängt, dass es wieder in einem selischen Abgrund enden könnte. Gute Ratschläge gibt es von mir keine, woher auch. Ich habe nur den Wunsch, du mögest dein Glück dennoch finden bzw. es möge dich finden. Dann gibt es vielleicht ne Chance auf Linderung, aber keine Heilung.

  15. @Gruftfrosch, so ähnlich wollte ich auch antworten.

    Es gibt nämlich nicht nur DIE eine große Liebe. Man findet sich, verliebt sich, schwebt auf Wolke 7. Doch irgendwann setzt du die rosarote Brille ab, der Alltag hat dich eingeholt, die Leidenschaft ist erloschen und du merkst, dass du auf dem Weg bis hierher irgendwo die Liebe auf der Strecke verloren hast. Das ist ganz normal und die Realität.
    Die große Liebe gibt es nur im Märchen und in selten dämlichen Liebesfilmen.

  16. Wertungsfrei gesprochen, es ist schon faszinierend, wie sich die Argumentationen bei dem Thema immer ähneln. Egal in welchem Kontext, egal von welchen Gruppen.

    Zu Gruftfrosch:
    Natürlich ist dahingehend nichts zu ende. Tod bleibt Tod und Narben bleiben Narben. Jede Beziehung, die in die Brüche ging, lassen bei jedem, der darauf sensibel reagiert, Spuren zurück, die in die nächste Beziehung getragen werden. Ich war einst auch aufopfernder für das Mädel und weniger vorsichtig, wenn es darum ging, meine Zeit und Energie im radikalen zu investieren. Denn stand ich doch immer an zweiter Stelle, Hauptsache ihr wurde geholfen oder der Wunsch erfüllt. 2-3x jedoch gegen andere Penner eingetauscht und ich überlege mir nun sehr gut, ob es das wirklich wert ist, meine Bedürfnisse zu ignorieren und mehr einzugehen, als nur einen Kompromiss. Es mag wohl bedauerlich sein, da die Neuen nie etwas dafür können, jedoch sind solche Lernprozesse wohl allzu menschlich.
    Vieles des Ratterns im Kopf wird damit nicht schlagartig getilgt sein. Das zu glauben wäre naiv und nur Tatbestand schwachmatischer Hollywood-Phantasie. Aber ich weiß aus Erfahrung, dass es verdammt viel lindert. Was ich an Persönlichkeit verloren habe, dass wird sie auch nicht wieder finden können. Aber vielleicht irgendwann ich mit ihr gemeinsam. Oder neu erschaffen. Denn vieles von dem, was ich einst war, steckt noch in mir. Irgendwo eingefroren, hinter Frust, Verachtung, Verbitterung und weiß der Geier für Negativemotionen. Ich darf mich ja schließlich oft genug miterleben, somit weiß ich von mir ganz gut Bescheid. Und das taut nach und nach wieder auf. Ich weiß es zudem, weil es zwei Mädels schon mal gelang, zumindest fast, bevor die dann mit einem: „Es ist nicht deine Schuld, aber…“ wieder gingen und damit die Gefrierkammer von mir wieder zugetreten wurde.

    Zu Donna-Clara
    Sollte die Leidenschaft in merklicher Schnelligkeit erloschen sein, dann war es einzig Sympathie, was zusammen brachte. Der Trieb ist nicht wählerisch, der Kopf schon. Und dieser sorgt dann einzig für die Flaute. Hat aber der Instinkt in vielerlei Hinsicht grünes Licht gegeben, dann kühlt das nicht so schnell ab. Es sei denn, auch dieses war einseitig. Leidenschaft ist das, was Beziehungen hält. Wenn ich von anderen erfahre, dass diese schon nach 2-3 Jahren förmlich um Sex betteln dürfen. Diesen termingerecht immer auf jeden zweiten Freitag zwischen 22Uhr und 22:15Uhr legen. Nämlich auch nur die 15 Minuten DIN-Gevögel. Das tut es mir leid. Nein, ganz ehrlich, tut es mir nicht. Denn auch das kann man lernen, wenn man nicht zu bequem dazu wäre oder im schlimmsten Fall zu verstockt oder zu beschränkt.

    Ich bin überaus dankbar für jede Nacht, die mir geschenkt wurde. Was ja außerhalb der Beziehung und des Alpha-Proll-Gehabes nicht sehr üppig ist. Dass ich diese immer bis zu Letzt ausgekostet habe. Und dadurch eben lernte. Zudem Freundinnen fragte. Seriöse Ratgeber wälzte und eben auf das höre, was Frauen sagen und wünschen. Und mir zu viele im Anschluss gestehen musste, dass sie diese Intensität noch nie so erlebten.
    Ich persönlich finde das als allzu bedauerlich. Doch wer keinen Wert darauf legt… selber schuld. Klebe ich als Frau an einem Kerl, der meine Bedürfnisse nicht befriedigt, wie gesagt, selber schuld. Und da bin ich auch unsensibel und womöglich auch Arschloch. Da ich selbst unter den trivialsten Gründen verlassen worden bin. Und ich es einfach nicht gönne, dass andere trotz Fehler und Schwächen, die ich ihr nie antun würde, diese Frau halten.
    Ich will nur sagen, dass Leidenschaft keine Frage der Zeit ist, sondern des Charakters. Rosarote Brille hin oder her. Entweder man besitzt diese oder eben nicht. Ich bin kein Teenie mehr, so dass ich diese Brille längst weggeworfen habe. Zudem bin ich recht gut darin, die Fehler und Schwachstellen anderen Menschen finden zu können. Aber das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Und wenn beide einfach von Anbeginn an nicht krampfhaft gefallen wollen, den Menschen als Menschen sehen und nicht als Traumgestalt. Und damit nicht ihre Authentizität verlieren, dann weiß man auch von Anbeginn an ganz gut, worauf man sich einlässt.

    Tust du aktiv etwas, um diesen von dir verhassten Zustand zu ändern?
    Ist das eine rhetorische Frage… nein. Ich sitze nur zu Hause, damit es mir nicht passiert, dass ich plötzlich meinen Frieden finde. Okay, das war sarkastisch. Ja, natürlich. Ich bin kein Masochist. Ich will daraus und jaule jeden Abend den verdammten Mond an, der mir sagt, dass es mir noch immer nicht gelang. Warum, weil wenn mir nicht die Hände gebunden sind, ich mir selbst im Weg stehe.

    Denn:

    Bist du verschmolzen mit einen Subkultur, brauchst du auch nur darin zu suchen. Und das schränkt ein. Glaube mir, weiß ich aus Erfahrung.

    Bist du Eremit, hast du keine Chance über die Kontakte deine Kontakte Kontakt zu bekommen. Weil eben keine Kontakte da sind. Je größer der Freundeskreis, desto wahrscheinlicher wird man angelächelt. Je kleiner, desto mehr nähert sich diese Möglichkeit des Kennenlernens auf Null.
    Dieses Kaff bietet viele tolle Möglichkeiten für Rentnertreffs. Und mehr nicht.

    Gehöre ich zu denen, die Mädels im Netz eloquent anschreiben können? Ja. Bringt mir diese Fähigkeit was? Nein. Gehöre ich zu denen, die Mädels in Clubs anquatschen können? Nein. Bringt mir das was? Klar, 100 Punkte. Und dafür freue ich mich die nächsten Wochen wieder was für ein verdammter Feigling ich bin. Ich stehe jedes Jahr vor neuen Klassen und vermag es diese binnen von Minuten in den Bann zu ziehen. Aber stehe ein Mädel vor mir, dann bekomme ich nicht mal ein verdammtes Wort raus. Es sei denn, sie macht den Anfang oder die Situation ergibt den Dialog.

    Sehe ich so aus, als würde man mich anreden wollen: Nein. Denn mit all diesem Rattern im Kopf, mit diesem Dämon im Schädel, zeugt auch dein Gesicht nicht gerade von Freundlichkeit. Und es gibt verdammt wenig, die diese Mimik als Trauer verstehen und nicht als bloße Verachtung fehlinterpretieren.

  17. Wenn sich die Argumentationen ähneln, könnte dann nicht auch ein bisschen Wahrheit darin zu finden sein?

  18. Welche Wahrheit? Dass einem jeder sagt, dass die Beziehung das alles nicht perfekt macht und auch nicht das Allheilmittel ist. Das weiß ich auch. Natürlich wird ab dem Moment nicht alles perfekt. Natürlich wird es nicht alles Rattern im Kopf lindern und nicht völlig den Dämon im Schädel mit einem Schlag besiegen.
    Aber man kann durch dieses wieder erste Schritte nach vorne machen. Sich wieder ins Lebens wagen. Der Frust, der alles Wollen und Sein vergiftet, wird verfliegen. Und das wäre mir schon soviel wert. Ich will es nicht perfekt. Ich will einfach das, was andere Leben nennen und nicht schon erleichtert sein, wenn ich einfach mal nur Leere fühle, da ich weiß, dass es ansonsten schlimmer geht.

  19. Ich habe lange darüber nachgedacht einen weiteren Kommentar zu posten. Wie du selbst sagst, bist du gegen Worte immun. Und mehr als Worte habe ich in diesem virtuellen Rahmen nicht.

    Ich kann dir nur wünschen, dass du irgendwie und irgendwann Gefallen an deinem Leben findest und nicht weiterhin so selbstzerstörerisch unterwegs bist. Ich bin eben ein lebensbejahender Mensch und trotz einiger Tiefschläge nicht daran zerbrochen. Natürlich darf/soll/muss jeder so leben, wie er es mag und für richtig hält. In diesem Punkt kommen wir aber nicht zusammen, weil ich denke, dass eine Partnerschaft nicht ALLES im Leben ist und du ALLES davon abhängig machst.

  20. Jetzt hab ich so lange für meine Antwort gebraucht, dass hier schon eine wilde Diskussion entbrannt ist. Guldhan, hier erst mal meine Stellungnahme zu Deinem Post an mich, noch bevor ich die anderen Beiträge gelesen habe :D Leider vermisse ich die Zitat-Funktion… Ich hoffe, ich habe im Nachhinein nicht vergessen, irgendwas zu quoten :#

    (Zitat Guldhan)“Der Strudel wird von den meisten „Leben“ genannt. Und das Problem ist, dass die Natur mittels des Selbsterhaltungstriebes schon dafür sorgte, dass man lebenslang darin gefangen ist.“ (Zitat Guldhan)

    In meinem Leben war der Punkt an dem ich mich „gefangen“ fühlte jeweils ein Grund, etwas zu ändern. Privat, beruflich, an meiner Einstellung zu mir, zu anderen etc.

    (Zitat Guldhan)“… einigen wir uns mal darauf, dass es von Klöters ist, so möchte ich diese Aussage doch relativieren. Natürlich wird dieser Ausspruch gutmütig sentimental gemeint sein und auch seine Berechtigung haben. Doch die Psychologie zeigt sehr wohl, dass der Mensch zu Machtspielen neigt. Arbeitsplatz, Familiäre Prägung, vor allem die Beziehung und sogar das Umfeld als „Schwarmintelligenz“. Allem unterliegt ein bewusstes oder unterbewusstes Machtverlangen, den Menschen, der hineintritt, so zu verändern, dass er auch den letzten Anforderungen entspricht.“(Zitat Guldhan)

    Genau das ist doch der frustrierende Punkt. Die Schwierigkeit im Zusammenspiel mit anderen Menschen. Als ich Mutter wurde, habe ich angefangen, mich mit familiärer und gesellschaftlicher Prägung, deren Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen, Kommunikation und der Sinnhaftigkeit von Autorität auseinanderzusetzen. Weil ich manche Dinge anders machen wollte als meine Eltern und weil einige Dinge nicht zufriedenstellend für mich liefen. Es ist anstrengend, ständig an den Menschen in seinem Umfeld herumzuerziehen. Für beide Seiten. Außerdem ist es idR nicht zielführend. Der Eine fühlt sich kritisiert und nicht geliebt , der andere nicht wahrgenommen und nicht geliebt.

    (Zitat Guldhan)“Sind es Gewohnheiten oder Traditionen, sind es Stil oder Auftreten. Man wird überall geprägt. Nimmt Kleinigkeiten von der anderen Menge oder anderen Personen in seine Persönlichkeit auf und lässt sich damit ändern.
    Ein gut gemeinter philosophischer Leitsatz, der aber mit der Realität des Menschseins kollidiert.“(Zitat Guldhan)

    Gewohnheiten zu ändern, ist ziemlich harte Arbeit :D Beziehung ist Arbeit. Arbeit an sich selbst. Seine eigenen Grenzen erfahren, sie kommunizieren gegenüber anderen. Wertschätzen, Einfühlen, Wiederspiegeln.

    Es ist menschlich, sich anzupassen. Für das Zusammenleben mit anderen Menschen halte ich das für extrem wichtig. Erst recht, für die Selbstentwicklung. Aus seiner Lebenserfahrung Schlüsse und Konsequenzen zu ziehen macht Sinn. Schade, für die, die es nicht können und in ihren Handlungsweisen gefangen sind. Gefangen, weil sie sich eingesperrte fühlen, aber nicht in der Lage sind, auszubrechen.

    Es macht einen enormen Unterschied, ob ich meine Verhaltensweisen ändere, weil ich es möchte, oder weil andere es verlangen. Eine menschliche Beziehung kann nicht dauerhaft funktionieren, wenn man über seine eigenen Grenzen hinausgeht, weil der Andere es verlangt oder erwartet. Zu wissen, was der anderen Person am Herzen liegt und ihr in diesem Punkt zu begegnen, weil es Freude macht, weil es wertgeschätzt und zurückgeworfen wird, halt aus Liebe, DAS ist etwas ganz anderes.

    (Zitat Guldhan)“…der Trost der Philosophie? Zugegeben, dass war Boethius. Worte haben eine entscheidende Schwachstelle: sie sind nicht physisch und können somit physisches nicht verändern. Trost findet nur der, der an Trost glaubt. Wer einfach nur hören will, was er ohnehin schon denkt und weiß, den kann man mit solchen Worten wieder aufrichten. Das weiß ich, weil ich vielen schon damit geholfen habe. Sei es privat, sei es schulisch. Und weil ich weiß, wie die „Mechanik“ von Trost und Hoffnung funktioniert:
    Hat man ein Fundament, gut gemauert, mit soliden Türen und Fenstern, die allerdings offen stehen und somit die Kälte reinlassen, dann kann die bloße Luft der Worte diese zuschlagen. Wieder für Wärme und Schutz sorgen. Hockt man aber in einer Ruine, dann umweht einen der ganze Blödsinn auf allzu lästige Weise und lässt einen noch mehr frieren. Worte sind Schall und heiße Luft. Oder in diesem Fall einfach nur leerer Code. Was nicht persönlich gemeint ist, sondern rein theoretisch.“(Zitat Guldhan)

    Philosophie, Psychologie… ja, das ist die Theorie… Aber wenn die Praxis in einer Sackgasse steckt, ist diese Theorie gut, um die möglichen anderen Wege zu sehen. Dem, der in der Ruine sitzt, können Worte kein neues Haus bauen. Das muss er selbst tun. Aber Worte helfen ihm vllt. Aufzustehen und anzufangen.

  21. Moin,
    ich kann dich gut verstehen – war nach einer absoluten Psycho-Beziehung (Trennung von `ner Borderline-Frau mit allen „lustigen“ Begleit-Erscheinungen) fast 10 Jahre solo. Das Problem ist letzthin: man schmort im eigenen Saft. Man ist isoliert, weil man isoliert ist. Man hat Angst, die nächste Enttäuschung seelisch / psychisch / physisch nicht zu überleben. Deshalb nützen „externe“ Ratschläge einen Scheiß. Ich bin auch der Meinung, dass Hilfe nur von einem selbst kommen kann. Du kannst anderen Menschen wohl erzählen, wie Du dich fühlst – aber Gefühle interpretiert jeder anders. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass irgendwelche Seelen-Klempnerei nur Menschen etwas bringt, die sich eh´schon gerne „einen erzählen lassen“. Individuen mit starker Selbstreflektion (das bin ich, und dich schätze ich auch mal so ein) dürften da (leider?) relativ immun gegen sein.
    Manchmal funktioniert die „Maschine Mensch“ erst dann wieder, wenn man aufhört, an den Knöpfen `rumzuspielen.
    Ich bin seit ca. 6 Jahren wieder in einer Beziehung. Hat sie alles geläutert, was mir vorher widerfahren ist? Nein. Versinke ich noch in diesem Strudel aus Glückseligkeit, diesem Gefühl von „Two hearts beating as one“? Nein. Warum? Nun – meine Lebenserfahrung hat mir gezeigt, wie flüchtig all´diese vermeintlich großen, wahren, und „universellen“ Werte doch sind. Eine flüchtige Bekannte hat mir mal den Rat gegeben, dass man „sich selbst genügen müsse“.
    Das ist einer der wenigen klugen Sprüche, an denen wirklich etwas dran ist. Und ich will nicht behaupten, dass es mir gelungen ist.
    Aber er ist es wert, darüber nach zu denken.
    Jörg
    P.S.: Und auch heute noch steige ich in finsterste Seelenkeller hinab. Zu viele Freunde tot. Zu viel Verrat.

  22. Zu Jana strangeplant

    In der Tat, Funktionen gibt es hier nicht wirklich. Was zum einen daran liegt, dass der Blog eigentlich brach lag und zum anderen nie wirklich viel Kommentare provozierte. Deshalb habe ich mich um solche Gimmicks nie geschert. Aber vielleicht hole ich das bei Gelegenheit nach.

    Wenn man vor einer Wand steht, dann etwas am Hier und Jetzt ändern. Das kommt mir recht bekannt vor. Und dazu fällt mir immer die Kleine Fabel von Kafka ein:
    „Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“ – „Du mußt nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie.

    „Es macht einen enormen Unterschied, ob ich meine Verhaltensweisen ändere, weil ich es möchte, oder weil andere es verlangen[…].„

    Oder Fall 3, weil einen der Lebensweg verändert. Das unterliegt nicht einmal dem bewussten Willen der anderen, noch dem eigenen. Aber es geschieht. Als Reaktion auf alles was man selbst provoziert. Oder eben andere. Und irgendwann schaut man sich an, blickt die Jahre zurück und fragt sich, wer das ist, den man nun sieht und wo der verblieb, der man gewesen war.

    „Dem, der in der Ruine sitzt, können Worte kein neues Haus bauen. Das muss er selbst tun. Aber Worte helfen ihm vllt. Aufzustehen und anzufangen..[…]“

    Einzig nur dann, wenn er es ohnehin selber wollte. Wenn nicht, kann jedes Wort, jede euphorische Rede oder motivierende Phrase hinterfragt werden. Und da Worte nur Hypothesen sind, einzig als Beweiskraft die Wahrscheinlichkeit besitzen, können diese jederzeit leicht zertrümmert werden. Und das brachte dann letzten Endes gar nichts. Außer Scherben vor den Füßen, in die man selbst oder der andere noch hineintritt. Man kann mir viel erzählen. Wenn es Freude macht, nur zu. Dann erzählt für das eigene Seelenheil. Aber für mehr nicht.
    Taten haben Substanz. Diese bleiben sichtbar und heben ihre Resultate in die reale Welt. Aber wer kann schon mit Taten aufwarten. Das kann man nur selbst. Aus eigener Kraft. Muss es ohne Hilfe schaffen, da die Worte der anderen eben keine Hilfe sind. Außer, man brauchte nie welche. Ein netter Teufelskreis.

  23. Zu Mr. Niles

    „Deshalb nützen “externe” Ratschläge einen Scheiß. Ich bin auch der Meinung, dass Hilfe nur von einem selbst kommen kann. Du kannst anderen Menschen wohl erzählen, wie Du dich fühlst – aber Gefühle interpretiert jeder anders. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass irgendwelche Seelen-Klempnerei nur Menschen etwas bringt, die sich eh´schon gerne “einen erzählen lassen”. Individuen mit starker Selbstreflektion (das bin ich, und dich schätze ich auch mal so ein) dürften da (leider?) relativ immun gegen sein.“.

    Exakt. Ich könnte da jetzt noch was ergänzen, aber im Grunde ist schon alles gesagt.

  24. Zitat Guldhan: „Oder Fall 3, weil einen der Lebensweg verändert. Das unterliegt nicht einmal dem bewussten Willen der anderen, noch dem eigenen. Aber es geschieht. Als Reaktion auf alles was man selbst provoziert. Oder eben andere. Und irgendwann schaut man sich an, blickt die Jahre zurück und fragt sich, wer das ist, den man nun sieht und wo der verblieb, der man gewesen war.“

    Richtig. Jede Aktion erfordert eine Reaktion und umgekehrt. Das das ist das Leben. Alles was passiert, setzt Dinge in Gang. Dinge, die einem gefallen, oder auch nicht, aber auch das ist wieder Grundstein für Weiteres. Als lebensbejahender Mensch konzentriere ich mich auf die positiven Dinge, die sich aus negativen ergeben. Das geht natürlich auch andersrum.

    @ Mr. Niles… Ich finde, Deine Bekannte hat recht, wenn sie sagt, dass man “sich selbst genügen müsse”.

    Wenn man hohe Erwartungen an andere hat, wird man definitiv enttäuscht werden. Und es ist nicht zielführend, an einer gescheiterten Beziehung einzig den anderen verantwortlich zu machen. Da wäre Selbstreflexion angebracht… siehe Aktion und Reaktion ;)

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