Gothic Friday 2016 – W3

Da möchte sich das Gothtum noch immer als Underground verstehen und dann gibt es eine Sommerpause wegen vermeintlicher Urlaubsgefahr. Ist man noch Underdog, so sieht man sich auf´s neue auf humoristische Art und Weise mit der Spießbürgerlichkeit des Mittelstandes konfrontiert. Irgendwie niedlich, wie das einst kontroverse doch mit der Konversion kokettiert. Aber zum Thema…

Gruften und das Internet? Ich muss gestehen, dass ich bis jetzt mit so vielen Themen gerechnet habe. Waren diese doch thematisch eine allzu wahrscheinliche und damit logische Komponente gewesen. Aber das Internet… das kam unerwartet. Da dieses so derart eng und allgemein mit dem westlichen Lebensstil verwoben ist, dass ich in dessen schier unendlich vielschichtigem Gewebe vorerst keinerlei szenenthematische Abgrenzung zu sehen vermute. Ähnlich einer Frage: Was trinkt ihr für Alkohol oder welches Auto wird gefahren. Aber vielleicht weiß mich das Thema ja zu verblüffen.
Oder es setzt einfach nur den Stempel der allgemeinen Volksmentalität darunter. Dass die alten alles skeptisch und mit Sicherheitsabstand zerreden, was bei den jungen als nüchterne Selbstverständlichkeit akzeptiert wird… und das hier, bei Websites, öfter als im normalen Durchschnitt die Worte: »Schwarz« bzw. »Black« oder »Dead« auftauchen werden.

 
Internet & Schwarzsein

Ich schätze, dass es einem das www mit seinem Darknet erleichtert, mehr durch die dunklen Schattenseiten der menschlichen Psyche zu ziehen, als noch vor 100 Jahren die Hinterhofkneipe der Arbeitersiedlung es je ermöglicht hätte. Aber das wird wohl nicht gemeint sein.

Was soll man schreiben? Einen auf elitär machen und eine Schmähkritik darüber verfassen, wie leicht es den heutigen Kiddies gemacht wird? Dass jeder Pohl-Backfisch und TBM-Lauch nur drei Suchanfragen weit vom ultimativen Gothsein entfernt ist. Und dabei noch nicht einmal auf die Rechtschreibung achten muss. Oder dass man heute schon bei minimalem Interesse ohne großes Aufsehen eine externe Festplatte mit einem Terrabyte Musikmumpitz von jedem anderen Dödel hinterhergeworfen bekommen kann. Frei nach dem Motto: »Weiß´ nich´ ob ich von denen auch Alben habe, schau einfach mal rein.«.
Klar könnte ich dabei nun auch den Untergang der Hochkultur beschreien. Kannte ich es ja noch anders. Ohne Internet. Ohne große Clique. »Learning by doing« und das über Jahre hinweg. Aber warum sollte ich. Es ist der Lauf der Zeit. Damals Kassetten, heute mp3s. Damals Festivals, heute Youtube. Muss jeder selber wissen, wie er das Medium nutzt. Und letzten Endes ließ es die Szene selbst zu, dass diese in diesem trivialen Internetrummel mitmischt, wie so ziemlich jeder andere musikorientierte Selbsthilfeverein. Sei es Hiphop, sei es Metal, Techno oder eben die Schwarzkittel.

Nein, ich sehe das Internet so gut wie gar nicht auf die Szene bezogen. Zumindest außerhalb der anfänglich beschriebenen Aspekte innerhalb des verlinkten Kolumnentitels. Ich weiß nur, dass ich ohne das Internet arbeitslos wäre. Da es ohne dieses den Boom in meiner Branche nie gegeben hätte. Dass ich mein letztes Studium nicht in der Qualität hätte über die Bühne bringen können. Nicht in der Kürze der Zeit noch all das hätte lernen können, was ich nun zu meinem Dienst brauche. Oder einfach im Coop temporär ein alternatives Leben zu finden. Und wohl jetzt noch am Kredit für die papierenen Bewerbungsschreiben abzuzahlen hätte. Und ohne das Internet wäre es durchaus schwerer gewesen, all die Weibchen kennenzulernen, die einen ignorieren oder zum Teufel jagen konnten. Aber das wäre wohl auch schon der einzige Knüpfpunkt, den ich mit der Szene im www sehe.

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Soziale Medien

Selbst wenn mich ein Betriebsunfalls diverse Finger der rechten Hand kosten würde, so könnte ich mit dieser weiterhin meine Freunde und Bekannte in dieser Einöde abzählen können. Und im Umkreis von einer Stunde Autobahn ebenso. Somit stellt das Internet den Kontaktport schlechthin da. Gesetz dem Fall, es besteht ohnehin die Notwendigkeit für Dialog.
Zumal ich ohnehin lieber tippe als stundenlang blöd einen Fernsprecher am Ohr kleben zu haben und dabei in all den anderen Beschäftigungsarten gehemmt zu sein, außer der, mir langsam einen Krampf in dem jeweiligen Arm einzufangen. Und wo kann man Menschen, die einem gerade auf die Ketten gehen, eloquenter ignorieren oder zum Teufel jagen, als im Internet.
Somit, ja, ich nutze Facebook. Hatte unlängst auch für Groupies WhatsApp auf dem Rechner emuliert. Und seit einem Monat nun auch ganz offiziell, authentisch, live und in Farbe auf dem ersten Smartphone meinerseits. Warum auch nicht. Es läuft im Hintergrund und wer sich davon versklaven lässt ist selber schuld. Denn nur, weil ich dadurch theoretisch immer erreichbar sein könnte, muss ich es ja nicht permanent nutzen. Und wer mich anschnauzt, dass ich auf eine Nachricht in Facebook oder WhatsApp erst Stunden später reagiere, der hat mich darüber sowieso die längste Zeit kontaktieren können. Es sei denn, es wäre wirklich mal ein Notfall gewesen. Aber wann ist es das schon.

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Sinkendes Niveau und Selbstdarstellung

Ganz ehrlich, narzisstischer als diese Szene zu sein, das wird schon schwer. Warum? Da jenes haptische Pfauengehabe nichts anderem dient als sich selbst. Es besitzt keine Pragmatik mehr, wie einst der Ursprung von Kajal oder Patchouli. Besitzt keinerlei gesundheitlichen Aspekt, wie der neumodisch selbstverliebte Fitnessfetisch. Es besitzt nichts, außer die Geilheit beim Blick in den Spiegel und die Ergötzung darüber, wie irrsinnig individuell man sich doch geben kann. Persönlichkeitsverklärung hin oder her. Und ich mache da keinen Unterschied darüber, ob ein vollbusiges Mädel mit Duckface durch die sozialen Medien stolziert oder eine schwarze Haarsprayblinze. Dekolleté oder Kutte, die Quantität an Stoff zeugt nicht von der Qualität an Narzissmus. Und klar, gelegentlich mache ich auch mit. Einfach nur, weil es menschlich ist.
Erkenne dich selbst. Dieses war einer der Gründe für den Einzug der Aufklärung. Nicht nur das bezahlbare Buch, sondern auch der ebenso immer billiger werdende Spiegel. Man erkannte sich selbst. Sah sich plötzlich als Individuum zuhause und nicht mehr als anonymer Teil der Masse auf dem Feld.

Und was die Diskussionskultur anbelangt. Für diese ist das Internet ein Segen. Gibt es dieser nicht nur eine Plattform, sondern auch damit einhergehende Beständigkeit. Foren oder Blogs, welche die Gedankenfindung archivieren und damit im wertvolleren Umfang nutzbarer machen können, als der Debattiertisch. Zumindest für die Allgemeinheit
Dass natürlich jeder Bierbudenrülps, der sonst seine inhaltsleeren Phrasen nur über den Stammtisch blökt… und damit die Außenwelt verschonte… sich nun auch einer ewigen Hinterlassenschaft erfreuen kann, das ist halt unerfreulich. Aber dafür erfand der lesende Mensch ja das überfliegen des Textes. Bzw. der »Digital Native« das diagonale Scannen nach wertvollen Schlagworten.

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Bestandsaufnahme

Wenn ich so darüber nachdenke, dann verfolge ich über das Netz erstaunlich wenig. Keine Blogs, keine Foren, außerhalb spezieller Suchanfragen zumindest, keine Fachportale. Vielleicht sollte ich damit mal anfangen…
Facebook: Hier laufen sämtliche Infoseiten zusammen. Sei es im Sinne von Design, Satire oder Fitness. Wenn man es so sagen will, ist das der einzige Grund, weshalb ich Facebook noch außerhalb des Smartphones auf den Bildschirm ziehe.
Youtube: Wenn, dann auch als Alternative zu den Mediatheken. Für das, was man vielleicht allgemein als Fitnessvideos abstempeln könnte. Doch vor allem laufen im Hintergrund fast grundsätzlich Let´s Plays. Wenn etwas läuft.

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Euer Teil des Netzes

Einst, aber nicht mehr aufzufinden. Je nach Hoch oder Tief erwäge ich, meinen Youtube-Kanal wieder zu beleben. Aber im Grunde ist dieses eher todgeweiht… wie sämtliche anderen Projekte aus der Vergangenheit. Gelegentlich landen noch die Botschaften über verkaufte Motive im Postfach; der Rest hingegen ist Geschichte. Denn prinzipiell dient mir das Netz zum Ziehen von Information. Weniger zum geben. Aber wer weiß das schon. Klingt dieses Haifischbecken, dass Youtube mittlerweile geworden ist, doch verlockend selbstzerstörerisch.

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Und ja, alle andere Zeit im Internet ist für Porno…

5 Gedanken zu „Gothic Friday 2016 – W3

  1. Ja, das war auch sehr überraschend für mich, dass plötzlich alle in den Urlaub verschwanden. Dennoch liegen die Gründe auf der Hand. Studium und Schule folgen einem gewissen Kalendarium und danach müssen sich selbst die „echtesten“ Gruftis richten. Diese Tatsache aufgrund einer latenten Angst, Spießbürgerlich zu wirken, zu ignorieren halt ich dann doch irgendwie für doof ;)

    Schöner Beitrag übrigens und irgendwie dann auch verbindend, wenn man merkt, dass man nicht der einzige seines erlesenen Freundeskreises ist, der Gronkh gut findet ;)

  2. Erst einmal einen Dank für deinen rasch eingereichten Beitrag, Guldhan.

    „Ich muss gestehen, dass ich bis jetzt mit so vielen Themen gerechnet habe. Waren diese doch thematisch eine allzu wahrscheinliche und damit logische Komponente gewesen.“

    Natürlich standen noch andere Themen zur Auswahl, es wurde sich jedoch letztlich für dieses entschieden. Was wäre denn so deiner Meinung nach als anschließendes Thema auf den Juli wahrscheinlich gewesen, rein aus Interesse gefragt?
    Was die Urlaubssache betrifft, da hats der Robert schon erläutert: Jeder brauch mal eine Auszeit vom Alltag, sei es Arbeit oder Studium – mit Spießbürgerlichkeit hat das auch mMn. nix zu tun.
    Das es allerdings ziemlich alle im August abwesend waren, war schlicht Zufall – und in meinem Fall längst überfällig.

    „(…) narzisstischer als diese Szene zu sein, das wird schon schwer. Warum? Da jenes haptische Pfauengehabe nichts anderem dient als sich selbst. Es besitzt keine Pragmatik mehr, wie einst der Ursprung von Kajal oder Patchouli. Besitzt keinerlei gesundheitlichen Aspekt, wie der neumodisch selbstverliebte Fitnessfetisch. Es besitzt nichts, außer die Geilheit beim Blick in den Spiegel und die Ergötzung darüber, wie irrsinnig individuell man sich doch geben kann.“

    Provokant formuliert, doch werden hier nicht alle Schwarzen, aufgrund gewisser Individuen, die (leider) durch ihr auffälliges Gehabe heute als Stereotyp für die Schwarze Szene gelten, über einen Kamm geschert, oder täusche ich mich?

  3. Zu Robert

    Ja, schon klar. Im Sommer wird in Urlaub gefahren, im Winter der Besinnlichkeit gefrönt und sich zu Ostern der Eier erfreut. Es wirkt auf mich nur so faszinierend, da sich der Drang nach speziellen Urlaubsriten nie einstellte. Sowie ich den Urlaub ansich ohnehin wohlwollend der Mittelschicht überlasse.

    Gronkh… wieviele Abonenten hat der momentan? 4,3 Millionen? Es wird somit im Zockermilieu schwer fallen, jemanden zu finden, der nicht das eine oder andere Video von dem mag. Ich persönlich verfolge ihn sein seinen ersten 200 Abonenten. Und auch wenn ich mit dessen LaFamilia nichts anfangen kann, so haben mich dessen Videos in den Jahren durch so verdammt viel Dunkelheit an unzähligen Morgen oder Abenden gebracht. Daher ist er einer der wenigen, dem ich den Status auch gönne. Sei es wegen der Person und der Ideen des Gronkh.

    Aber nicht nur er, ich kann auch die Videos von GameTube und Gerugon empfehlen. Bzw. Pandoria und Honeyball.

    zu Savatur Nott

    Schwer zu sagen. Rückwirkend sind da die Schlüsse immer einfacher. Aber das mit der Musik war logisch, das mit dem WGT, das mit dem Dasein und auch das mit dem Job. Selbst das mit den Lieblingsplätzen. Jenes kam recht unerwartend. Recht „weltlich“ daher.
    Ich kann nicht sagen, was da passen würde. Aber zum Thema Urlaub vielleicht die Frage, inwieweit man selbst mit der Ideologie der Schwarzen Szene bricht. Entgegen der gewöhnlichen Philosophie lebt. Oder entgegen dem, was man selbst für typisch schwarz hält. Wenn es denn so etwas gibt. Ähnlich dem: „Ich lag 3 Wochen nur auf Malle am Stand.“. Oder: „Ich wähle die AfD.“ …aber ich glaube, die Blöße solcher Offenbarungen wäre ungünstig.

    Das mit dem Pfauengehabe war Polemik und diese lebt auch von Pauschalisierung. Doch im Grunde: Ja. Für mich ist jedes Element, das ohne Nutzen getragen wird, nur Sinnbild der Eitelkeit. Und da beziehe ich mich mit ein. Es sei denn, es kann mir von z.B. Pikes der Nutzen erklärt werden, der sich über den „normaler“ BW-Stiefel erhebt.

  4. Es gilt, das „normale“ besonders zu machen, die vollständige gesellschaftliche Rebellion ist mir zu punk. Oder vielleicht bin ich doch zu alt. Oder zu spießig. Oder beides? Ist Urlaub im groben nicht auch spießig? Wenn du im Winter wegfährst, reihst Du Dich argumentativ in die Wintersportler ein. Und was hat Urlaub mit Mittelschicht zu tun? Heute fliegen mehr „Unterschichtler“ nach Malle als jemals zuvor. Oder kommt mir das nur so vor? Und wenn Urlaub der Mittelschicht überlässt, zählst du Dich zu „Unterschicht“ oder zur „Oberschicht“? :)

    Komm, gib zu: Ein bisschen Urlaub tut gut. Als wir zwei auf dem Kölner Dom gekuschelt haben, war das dann doch irgendwie… putzig?

  5. Ja, das gekuschel am Kölner Dom war wirklich mein vorletzter Urlaub. Wann war das eigentlich gewesen… 2012? Irgendwann muss das mal wieder wiederholt werden.

    Urlaub ist Luxus und das verbinde ich gehässiger Weise mit der Mittelschicht. Aber keine Sorge, das ist nur subjektive Lästerei. Denn wenn ich mich hier so umschaue, dann bin ich definitiv kein Angehöriger der Oberschicht.

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