22ter Februar – Kein Kommentar zu Kommentaren

»Das Wesen einer Gesellschaft erkennt man anhand der Staubschicht auf ihren Büchern« So oder im übertragenen Sinne lautete der Willkommensgruß an der Tür zu Bibliothek des philosophischen Institutes der Bochumer Ruhr-Universität. Und ich kann mich daran erinnern, dass mir diese These damals in den verschiedensten Varianten begegnet war. Was im Grunde auch nicht ungewöhnlich ist, denn dieser Satz lässt sich auf die unterschiedlichsten Situation übertragen, sodass selbst Alltagsbanalitäten damit einer tieferen Bedeutung unterworfen werden können:
»Den Anstand eines Menschen erkennt man anhand seines Umgangs mit den Tieren« oder
»Die Ästhetik einer Gesellschaft erkannt anhand der Kaugummiflecken auf den Gehwegen.«
So konnte ich beispielsweise während meines Fachstudiums in Leipzig sagen:
»Die geistige Reife einer Altersschicht erkennt man anhand der Dialoge in öffentlichen Verkehrsmitteln« bzw.
»Die Mentalität einer sozialen Gruppe erkennt anhand der Wortwahl in aller Öffentlichkeit«
Zugegeben, beides ähnlich sich in der Aussage. Zudem musste ich nur selten die Dialoge in Bahn und Tram miterleben; meist bewahrte mich mein mp3-Dröhner davor. Aber erst gestern wurde mir wieder bewusst, wie einfach und schnell man heutzutage einen Überblick über die geistige Verfassung unserer Gesellschaft haben kann. Zumindest dem Anteil der unter 40jährigen. Man braucht keine kompliziert ausgetüftelten Fragebögen mehr, benötigt weder ausgefeilte Persönlichkeitstest noch aufwendige statistische Erhebungsmechanismen. Man braucht einfach nur noch eine handvoll Menschen, die sich innerhalb einer Woche einen groben Überblick über die Kommentare bei youtube.de verschaffen. Denn diese bilden einen exzellenten Querschnitt in die gedanklichen Höhen- wie Tiefflüge dutzender Vertreter dieser Alterschicht. Und egal, wie weit man sich traut die Unterteilung zu spannen, man findet immer wieder Glanzbeispiele für die beiden Extreme.
Wodurch man zu dem Ergebnis kommen könnte:
»Das geistige Vermögen einer Gesellschaft erkennt man anhand der Kommentare bei youtube«

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