Das Sein des Morgens

Photobucketie Sonne geht auf. Vorher erschallte mein Wecker auf seine charmant aufdringliche Art gegen Vier Uhr irgendwas. Im Grunde ohne Sinn und Zweck. Doch einerseits erscheint mir der Schlaf ohnehin nutzlos.

Egal wie viel Stunden dafür aneinander gereiht werden, die schläfrige Dumpfheit im Kopf bleibt dieselbe. Und was erfüllt der Schlaf für einen Nutzen, wenn der Zustand des Ausgeruhtseins ausbleibt.

Lieber schwelge ich in meiner Leidenschaft für diese Tageszeit. Wenn besagtes Gestirn die ersten Kontraste zeichnet. Wenn noch Ruhe herrscht. Nur die Vögel skeptisch die tropfnassen Blätter beeugen. Während ihre Stimmen mit der klammen kalten Luft durch das Fenster sickern.
Wer solche Sommer vor sich hat, der benötigen keinen Herbst mehr. Nass. Sonnenlos. Kalt. November am Tage und März in der Nacht. Früher einmal war es mich gleich gewesen. Früher war so vieles anders.
Und doch steigt mit dem Sonnenaufgang ein Wille nach Taten empor. Für einen kleinen Moment und ohne gestört zu werden. Man fühlt sich frei und aktiv. Allein und doch nicht verloren.

Einzig der Stadtteil, der noch ruht, erweist sich als vertrauenswürdig. Ein Grund, weshalb ich mit der ruhelosen Betriebsamkeit der Großstädte nie Freund werde. Womöglich, weil ich innerlich selbst ruhelos geworden bin und somit einen Gegenpol brauche. Und sind dies eben die ersten drei Stunden des Morgens. Das Zeitfenster zwischen Vier und Sieben, als Refugium vor der Unruhe ohne Antrieb. Die ich womöglich geworden bin. Oder vor der Schwelle jenes Seins stehe.

Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden. Worte die mit Sokrates in Verbindung gebracht werden. Dessen Gegenstand der Philosophie mich in seiner Theorie zu beeindrucken vermochte. Leite deinen Gegenüber mittels Fragen zur seiner eigenen Erkenntnis. Schwatze ihm diese nicht auf. Sei weder Belehrer noch Bekehrer, sondern Wegweiser. Womöglich auch Weggefährte. Hinterfrage, aber richte nicht.

So banal dies auch klingen möge, so schwer kann der Weg dahin sein. Sollte man doch dabei seine eigene Meinung verbergen ohne diese zu hintergehen. Meinungsfrei bleiben und als Neutrum einzig die Moderation übernehmen. Die Weichen stellen, ohne den Gegenüber zum nutzen dieser zu drängen. Sokrates hatte damit Erfolg. Ihm gelang das Kunststück. Zurückblickend betrachtet gelang es ihm zu gut.

Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden. Und doch sind diese Worte brüchig. Können ihre Richtigkeit nur für lebenstrunkene Gedanken beanspruchen. Wer weder glaubt, etwas zu sein, noch auf dem Weg ist, etwas zu werden…was ist mit ihm. Was geschied mit denen. Haben diese schon aufgehört überhaupt zu sein. Wurde das bloße Dasein schon abgesprochen.

Kein Sein und kein Werden. Kein Nichts, das somit zwangläufig ein Nichts darstellt. Wer nichts darstellt, im Hier und Dann, der ist ein Nichts. Nüchterne Logik lebt nicht für den Trost. Sie existiert um es auf den Punkt zu bringen, um die Wahrheit zu finden.
Doch wer getröstet werden will, sucht auch selten nach Worten der Wahrheit. Er will den Schrecken der Wirklichkeit mit der Missgunst der Lüge überspielt wissen. Will die Gesetze der Physik auf seine Mentalität übertragen sehen und zwei Minuspole zum positiven Enden multiplizieren.

Somit kann man der Lüge als ewigen Gegenpol auch etwas positives abgewinnen. Was sich dem ewigen Kontra verschrieb, muss unweigerlich auch für etwas stehen. Je nach Standpunkt.
Muss? Was muss man schon. Allerhöchstens sterben, der Rest untersteht der Freiwilligkeit.
Ebenso die Richtigkeit im Denken. Vorallem, da auch die Richtsprechung von Richtig oder Falsch nur mit einem Standpunkt aus existieren kann. Richtig oder Falsch. Wahr oder Verfehlt. Getäuscht oder Enttäuscht. Wobei sich letztere nicht unbedingt ausschließen müssen. Mitunter sogar bedingen. Doch was weiß ich schon. Theorien. Hypothesen. Ein Gedankenkonstrukt ohne Widerhall oder vorbereitende Überlegung.

Ich, der ich weiß, mir einzubilden, dass ich weiß, nichts zu wissen, weiß, dass ich nichts weiß. Ein ebenso Sokrates zugeschriebenes Zitat. Deren Mittelteil für den Hausgebrauch allerdings zu wirr geworden war und somit zu dem flapsigen »Ich weiß, dass ich nichts weiß« modernisiert wurde.
Das fundamentale Wissen über das eigene Nichtswissen. Jenes fast schon banale Paradoxem, da ein Wissen über das Nichtwissen ein komplettes Unwissen im eigentlichen Sinne ausschließt.

Doch was will man machen, man muss sich diesen Frevel an der Logik eingestehen. Da dieses weniger vermessen ist, als die persönliche Unwissenheit in Frage zu stellen oder gar zu leugnen. Egal was man von seinen Gedanken hält. Ganz gleich wie viel diese zählen oder wieviel Macht man mit Wissen innehat, man ist und bleibt ein armer Tor.
Der in seinem Horizont umherirrt. Diesen für die unendliche Weite hält und dabei verkennt, dass dieser einer Mauer gleicht, die ihn einengt.

Man ist der räudige Köter der tagein tagaus diese Mauer abläuft. Täglich aufs neue daran schnüffelt, als gäbe es etwas zu entdecken. Und fortwährend nur die Abschnitte markiert, die einem ohnehin schon gehören. Und einem auch niemand streitig machen wird, da jeder seiner eigenen Rundmauer gefangen ist.
Ohne eine Ecke als Bezugspunkt, sich ewig wirr im Kreise dreht.
Und will man einmal innehalten. Den Moment auskosten. Sich in dem neuen verlieren und in dem fremden wiederfinden, so zieht einen das Leben angenervt weiter. Man spürt das Zerren am Hals und ist dennoch davon überzeugt, sein eigener Herr zu sein.

Man glaubt, dieses zu sein, und hörte somit auf, es zu werden. Damit schließt sich der Kreis. Damit ist der Horizont erneut schon abgelaufen. Die Rotation erneut zum Fortgang verklärt. Der Eingliederungsvertrag wurde erneut in Gedanken unterzeichnet und man reiht sich ein. Im gewohnten Kreislauf. Beglückt, dass die ersten Zeilen des Vertrages neu formuliert waren und somit eine Änderung unterstellten.

Doch auch wenn man im Karussell umsteigt, so ändert das nichts am Lagepunkt. Anderseits, auch wenn man den Weg zurückgeht, so macht man doch unweigerlich Schritte nach vorn.
Wie die Zeit. Aus dunkel wurde hell. Aus Vier wurde Acht. Und somit gehe ich zum Training. In den Trott der gleichen Übungen und bilde mir ein, durch 1,5 Kilogramm mehr, dem Tag einen Nutzen gegeben zu haben. Ist doch der Rest der dumpfen Zeit nur noch durch Verbrauch bestimmt. Weniger durch das Erschaffen.

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