Gothic Friday – Februar: Musik und Leidenschaft

Der zweite Monat ist angebrochen, das zweite Siegel der Runde wurde gebrochen und enthüllt einen Fragekatalog, um den ich im Grunde hätte wetten können. War doch Musik die logische Weiterführung innerhalb des Gothic Friday. Des Freitags innerhalb nun gotischer Klangbauten. Die einen zurückbringen in die wüsten Zeiten.
In denen sich Kunstnebel in die Atemwege klebte. Sich Schweiß und Zigarettenqualm zu neuen Duftnoten vereinte und man erst gegen 4 Uhr morgens zurück auf die Straße stolperte, mit EBM-Stomp-Blutblasen an den Fersen, obwohl einen in 1½ Stunden der Wecker zu neuer Produktivität antreiben wollte. Eine Zeit des Tinnitus und Frontpogos. Zurück in die Zeit der Musik von damals und vielleicht auch heute.
In diesem Sinne: Music isn´t just a five letter word.

Was bedeutet Musik für Dich? Wie wichtig ist sie Dir?

Gothic Friday

In erster Linie Ausdruck. Vielleicht auch Flucht. Oder gar Rausch. Man meinte herausgefunden zu haben, dass das hören, vornehmlich laute hören, von geschätzter Musik die gleiche Wirkung aufbaut wie ein allzu erfolgreicher Einwurf von Drogen. Ich möchte dieses nicht bestreiten, auch wenn mir der unmittelbare Vergleich fehlt.

Musik ist Träger der Emotionen. Da Musik ein Destillat der Emotionen darstellt. Die Stimme, der Text, die Musik überhaupt. Nichts davon vermag es Sachlichkeit auszustrahlen. Musik ist Emotion, vor allem für mich. In dieser berechnenden und stärkefetischisierten Gesellschaft womöglich die einzige ehrliche Emotion, die der unterworfenen Kunst noch geblieben ist.
Die Töne rauschen nicht einfach an mir vorbei. Sei es in Clubs oder unter dem Kopfhörer. Die Gewalt der Lautstärke und der Präsens reißt mich mit. Reißt mich aus dem Moment, aus der momentanen Stimmung meines Selbst. Oder es unterstreicht dieses. Je nachdem, ich ordne mich dem unter. Mische die Empfingung beim hören jedes Mal neu. Und ständig entsteht ein neues Resultat. Eine neue Mixtur aus der Chemie der Musik und meiner Verfassung. Immer anders und immer unvorhersehbar.
Depressive Stimmung mit finsterer Musik, mit euphorischer Musik. Innere Harmonie mit aufwühlenden Klängen oder melancholischen. Wut mit Harmonie oder musikalischer Bestätigung.
Man kann sich dadurch neu erschaffen, sich aufbauen, niederschmettern und einfach zum Neutrum zurück gleiten lassen. Beim Training gegen die eigene Leistungsgrenze anbrüllen. Den Kopf leeren, bevor dieser platzt oder man beginnt sein Gesicht zu verlieren. Trost schöpfen oder sich der Trauer ergeben, um diese hinfortzuspülen.
Ich kritisiere an Musik allzu schonungslos. Aus dem einfachen Grund, weil ich mich ebenso schonungslos der Musik hingebe. Theatralisch könnte man sagen: Ein gegenseitiges Spiel von Gedeih und Verderb.

Musik ist die Quelle der Inspiration. Sei es der Ton, die Melodie, ein Wort oder ein Gedanke, der die Synapsen anschlägt. Die Emotion der Musik transformiert sich in meinen Gedanken ebenso zu Situationen oder Worten, wie ausgesprochene Gedanken des Liedes. So ziemlich alle Kapitel, die meinen Geschichten ihren Fortlauf gaben, würden ohne den Funken der Musik nicht einmal träge erklimmen. Es ist auch kein unmittelbarer Gedankenraub.
Man hört beispielsweise »Battlefield« von Panzer AG und mit dem Refrain baut sich schlagartig das Grundgerüst für einen epochalen Brückenkampf auf. Man geht weiter zu Triarii und das Kapitel bekommt seine Siegeseuphorie. Ab Haus Arafna untermalt man die mitschwingende Angst, skizziert das Kanonenfutter und den Untergang, die Gewalt.
Die Inspiration unterfüttert das Denken und formt die Worte. Während man sich in den Rausch der Musik schreibt.

Musik ist das Fenster in die Vergangenheit. Musik vermag es Momente mit sich zu verknüpfen. Einschlägige Musik, die innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts vermehrt erschallte, verbindet sich mit dem Damals. Seien es Momente der Freude oder des Schmerzen gewesen. Momente des Wandels oder des Bruchs.
Selbst Jahre später transportiert einen dieser eine Titel oder gar das komplette Album zurück in die jeweilige Situation. Man sieht sich von damals vor dem inneren Augen. Erinnert sich an Gefühl, Geruch. An die Empfindungen und die Wahrnehmung. Spürt erneut die damalige Wärme oder Kälte auf der Haut und fühlt sich zurückkatapultiert in einschneidende Momente. Die nie vergessen gehen können, nie an Intensität verlieren. Zumindest solange diese Musik existiert.

Welche Richtungen »schwarzer Musik« hörst du? Nenne ein Beispiel, das für Dich deine Bedeutung des Genre am besten Wiedergibt.

Dark Wave – Silke Bischoff »On the other Side«

DarkAmbient – Herbst9 »Blood whispers«

Neue Deutsche Todeskunst – Das Ich »Reanimat«

Electro / EBM – Leæther Strip »Strap me down«

Industrial – Karjalan Sissit »Har du Horat Runt P Campingen«

Neofolk – Orplid »Nächtliche Jünger«

Military pop – Triarii »victoria«

»Crossover« – Oomph! »Feiert das Kreuz«

Gothic – Sopor Aeternus & the ensemple of shadows »In der Palästra«

Wie würdest du deine musikalische Laufbahn beschreiben? Über welche Richtung der Musik bist Du in die Szene gekommen, welche hast du hinzugewonnen, welchen hast du abgeschworen und was hörst du heute?

Der Hauptstrang, der Stamm meines Musikstammbaumes sozusagen, blieb die Jahre über konstant. Er schlug die Wurzeln ins Reich des Elektrokrachs und später noch im Crossover sowie viel später in »Gothnazimucke« und entfaltet in diesen Bereichen auch seine Krone. Zumindest was die Szenenmusik anbelangt.
Davor hörte ich einiges an Punk bzw. Anstandspunk. Feeling B, Toten Hosen, Abstürzenden Brieftauben. Lauter solchen Unfug. Gelegentlich betreibe ich noch Rückführungen in diese Musik. Man ging ja schließlich nicht in Feindschaft auseinander. Aber im Grunde schwor ich dieser Gattung ab. Genauso wie fast allem aus NDW-Tagen. Aber vor allem der Schritt, den ich in pubertärer Verwirrtheit in Richtung Techno ging, wird sich nicht mehr wiederholen. Denn wir beide trennten uns in erbitterter Feindschaft; zumindest was mich betrifft.

Das, was dahingehend wechselte, waren die Triebe, die sich je nach damaliger Mentalität stärker reckten und wieder eingingen. So war ich über die Jahre mal mehr und mal weniger im allgemeinen Gothic involviert. Hörte in der Jugend Dinge wie L´Âme Immortelle oder Umbra et Imago. Relatives Menschsein und Goethes Erben. Später kamen dann Janus und Samsas Traum hinzu. Solche Quotenbringer wie ASP, Unheilig -oder für die flotteren- Combichrist gab es damals noch nicht. Ab und zu dominierte auch mittelalterliches Spektakel oder man lauschte solchen technoziden Sentimentalitäten wie Covenant oder VNV Nation. Beides aber nur fragmental. Oder Welle:Erdball.

Die Anfänge waren im Elektrokrach und dabei blieb es bis heute. Später, ab der zweiten Hälfte der 90´er, kam das hinzu, was ich gerne vereinfachend unter »Crossover« abstempel. Da mir dieser ganze Kategoriefetisch zu blöd ist. Vor allem, wenn ich bei wikipedia lesen muss, dass man manchen Projekten bis zu vier Genre unterstellt. Die nun alle fleißig in ihrer chronologischen Richtigkeit gelernt werden müssen. Das ist mir zu kompliziert und zweckentfremdet. Somit ist aller Gitarrenkrach mit gelegentlichem Pieps: Crossover. Basta.
Jedenfalls trat damals Oomph! in mein Leben. Putziger weise durch eine Doku über Joachim Witt. Der Einzige, der für mich von NDW noch übrig ist.
Ich kannte ja schon so etwas wie Rammstein, Crematory und Atrocity. Mir waren demnach Gitarren nicht unbekannt und ich blieb vor der dahingehenden Allergie verschont, die viele EBMer heimsuchte. Doch Crematory war mir zur metalhaft und der Sänger zu magersüchtig. Atrocity zu belanglos und Rammstein nahm ich erst nach Oomph! wirklich bewusst wahr. Dem folgten Korn, Clawfinger und Marilyn Manson. Letzterer erst gegen 2001 und als Trotzreaktion meiner damaligen Freundin. Da ich vehement über diesen Kasperkopp lästerte. Kannte ich ihn doch damals nur von Bildern aus der Mechanical Animals–Zeit. Es gelang meiner damligen allerdings sehr schnell mich vom Gegenteil zu überzeugen. Etwas später machten Eisbrecher bzw. Megaherz meine Zeit als Gitarrengrobian perfekt. Eine Bindung, die noch bis heute anhält.
Wobei ich mich sogut wie nicht für Metal interessiere bzw. interessierte. Denn, auch wenn ich weiß, dass dieses nur Stereotype ist, so ist Metal für mich nur unverständliches Gegrunze mit hektisch unmelodischer Gitarrenvergewaltigung. Für Halbstarke, die sich das Restbier aus Birne und Föhnflokatifrisur schütteln.

Aufgrund der herben Enttäuschungen die ich im elektro-musikalischen Bereich ab 2000 durchleben durfte, begann ich erneut mit der Suche. Zwar blieb ich dem Elektrokrach treu, machte aber kaum Anstalten neue Projekte kennenzulernen. Die Ausbeute von individueller Qualität war zu gering geworden. Ich suchte wieder nach einer Goldgrube.
Mein Bruder war hierfür eine recht gute Quelle, denn dieser bewegte sich schon seit geraumer Zeit in den Sparten des Neofolk. Anfangs war ich davon nicht sonderlich begeistert. Klang doch das meiste wie ein akustikgitarreklimpernder Sozialpädagoge im Patriotismuswahn. Aber mit der Zeit tauchten auch andere Perlen auf. Man lernte Orplid, Dernière Volonté und Seelenthron kennen. Fängt an einiges von Death in June gut zu finden. Kirlian Camera sowieso und so kam nach und nach einiges hinzu. Forseti, Of the wand and and the moon…und so weiter.

Viele nette Dinge, die nach der Probe auf rechtsextreme Propaganda aufgenommen wurden.
Von dort aus war es nur ein kleinen Sprung zu dem recht edlen Military pop. Eine Gattung die gerade bei youtube allzu gut verdeutlicht, was für einen Geltungsdrang doch noch braunes Gesindel hat und selbst neutrale Ästhetik für ihre Ideologie missbraucht. Aber sollen sie machen, mir ist das egal. Denn in dem um 2007 neuentdeckten Genre fühlte ich mich besonders wohl.
All die Kraft, die der Elektro seit Jahren nicht mehr ausstrahlte, zumindest in der Masse, war dort wieder zu finden. Eindringlich, martialisch, militärisch. Nur dass dieses Mal kein künstlicher Knusperbass ertönt, sondern klassische Trommeln und Pauken die Membran vibrieren lassen.
Fast zeitgleich ging es auch in eine andere Richtung. In das gediegene Klangfeld des DarkAmbient. Ein weites Feld, das überreif zur Ernte stand, denn viele der dort ansässigen Interpreten agierten schon sein 1990, wenn nicht noch früher. Wie beispielsweise Lustmord.

Diese Genre hatten den Vorteil, dass man diese wunderbar zum Arbeiten nutzen konnte. Waren diese doch verstärkt instrumentaler Natur. Der Neofolk weniger, aber das Ambient und der Military pop dafür mehr. So entfernte ich mich seit 2000 zunehmend von der Gothicseite der Musik und wandte mich einem Genre zu, dessen Sympathie ich niemals für möglich hielt.

Wie und wo hörst du Musik am liebsten?

Im Prinzip überall und zu jeder Zeit. Früher war der erste Schritt nach dem Heimkehren der zur Stereoanlage. Dann der zum Lappen, weil die Stiefelsohlen auf das Laminat dreckten. Es gibt zu jeder Stimmung, Emotion und Atmosphäre den passenden Titel. Warum sollte man sich diesen also vorenthalten.
Momentan ist die häusliche Musik aber verstärkt Hörspielen- bzw. Büchern gewichen. Aber auch nur aus dem Grund, weil ich das meiste an Musik schon auswendig kann und sich die Routine des »Kommunikationsdesignen« mit gesprochener Unterhaltung weniger zäh gestaltet. Aber dennoch bleibt die musikalische Untermalung auf Reisen allgegenwärtig. Sei es im Privatfahrzeug, in Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs oder einfach nur zu Fuß. Mir genügen schon die Momente nachdem sich der Akku leergepumpt hat, um mir wieder der Notwendigkeit solcher kleinen Geräte bewusst zu sein. Denn nichts ist schlimmer, als sich im vollen Bus dem unnötigen Geschwätz anderer Menschen ausgeliefert zu sehen.
Was das Wie angeht, so neige ich oft zu Kopfhörern. Im mp3-Spieler sowieso, aber auch zu Hause. Zum einen der Umwelt zuliebe, aber hauptsächlich, weil man dann nur von der Musik umspielt und nicht von Zivilisationsgeräuschen belästigt wird. Es sei denn es ist nachts, dann gönne ich es mir, die Musik sehr leise zu drehen und einfach meine Sinne darauf zu schärfen. Ein zu empfehlendes Gefühl der Ruhe.

Welche Musik hörst du außerhalb der typischen dunklen Musik noch?

Unheilig… Aber ersthaft getippt und um jetzt wieder den Querulanten zu mimen. Im Grunde gibt es auch innerhalb der typisch dunklen Musik hell erleuchtete Klangbilder. Ebenso, wie es außerhalb des musikalischen Schattens aus andersweite Finsternis gibt. Doch dahingehend verfolge ich ein ausreichendes Farbspektrum. Sei es diverse Chartsplatzierungen aus den 80´ern oder The Doors, um in der Entstehungszeit etwas weiter zurückzugehen. Gelegentlich auch einmal Folklore diverser Länder. Sowie Beethoven oder Neoklassik à la eScala. Die Klänge von Gregorian oder überhaupt die Musik von stilverwanden Vertretern sind meinen Boxen ebenfalls nicht unbekannt.

Zudem fühle ich mich in weiten Teilen bei dem zuhause, dass ich einmal schnöde als Crossover abtun möchte. Derartiges wie Korn, Marilyn Manson, Clawfinger oder Linkin Park. Die ja gegenüber Oomph!, Rammstein oder Eisbrecher noch keine wirklich szenetypischen Festivals zu Gesicht bekamen. Aber das schrieb ich bereits. Es ist nur der Punkt, dass diese Musikgattung auf einer Art in die Szene passt, auf anderer aber wieder nicht. Oder ganz einfach zu den Grenzgängern gezählt werden kann. Ähnlich den Mittelalterklängen.

Auch bin ich bekennender Fan von ihr hier. Und wäre doch verwundert, wenn das den Spontis nicht zumindest verblüffen würde. Oder anders herum. Aber im großen und ganzen beziehen sich meine Diskografien schon auf Szene- bzw. szenetypische Interpreten. Zumal ich außerhalb meiner Genre nur noch auf der Suche nach guten Soundtracks bin. Sei es meditatives oder vom ganz großen Kino bzw. nicht minder großen Spielchen:

Mal angenommen, Du könntest ein Instrument spielen, hättest eine tolle Stimme und würdest zusammen mit Freunden eine Band gründen. Welche Rolle in der Band wäre Deine?

Ein lang gepflegter Traum. Der abwechselnd zur schmerzlichen Sehnsucht anschwillt oder als Jugendträumerei begrinst wird. Wobei erste Emotion mit den Monaten wieder stärker im Herzen pulsiert. Ist doch der ehrliche Musiker der größte unter den Künstlern. Und mit »ehrlich« meine ich nicht diese Marionetten oder Pantomime, die nur das hopsen und nur das jodeln, was ihnen der Kader an Textern, Komponisten und Choreografen vorsetzt.

Sondern all jene Interpreten, die mit Leib und Seele das sind, was sie auf die Bühne bringen und das verkörpern, was sie erklingen lassen. Bei jedem Konzert, das ich besuchte stellte ich mir vor, wie großartig es doch sein muss, dort oben zu stehen. Emotionen zu wecken, Begeisterung zu erschaffen und mit seinem Wesen, mit seiner Kunst die Menschen in den Bann zu ziehen. Zu wissen, dass man mit Darstellung, Text, Musik und manchmal sogar Bild den Nerv trifft. Somit sämtliche Wahrnehmungen abdeckt und der Kunst unterstellt. Das muss ein belebendes Gefühl sein. Ist es doch schon eine interessante Erfahrung zu dozieren.

Ich glaube am wohlsten fühlen und gleichzeitig am meisten einpissen vor Nervosität würde ich mich als Frontmann. Als der Unhold, der sich auf der Bühne abreagieren kann und sich nicht an die Noten halten muss. Dem die Band den Rücken stärkt und der die Band tragen muss. Ich glaube, das würde ich lieben und gleichzeitig hassen. Und aus diesem Zwiespalt die Kraft für die Kreativität schöpfen.
Gleichzeitig würde ich es auch begrüßen, ab und zu einmal von der direkten Bildfläche zu verschwinden und hinter dem Keyboard zu stehen oder an Pauken einen abzutrommeln. Während einmal eine weibliche Stimme ertönt. Denn ich finde, dass eine Band ohne diese nur halb so spannend ist. Aber es bleibt ein Traum…ein bitterböser Traum. Denn das Leben wird derartige Höhepunkte vor mir verbergen. Weil ich mir auch zu oft selber im Weg stehe, wenn es nicht schon das Leben tut.

Und um einmal ungefragt das Genre des Projektes zu definieren.

Ähnlich dem würde es wohl unter meiner Ophut erklingen. Träge, brachial, kantig, kraftvoll. Und mit einer herrlich süßen »Leck-mich-am-Arsch«-Stimme der Sängerin. Apropos Stimme. Die ist eh egal, wozu gibt es schließlich Verzerrer.
…wer macht es mir also vor und macht dann mit? Zu erleben, wie es sich anfühlt, bei solchen Klängen über die Bühne zu springen, während vor einem die Massen pogen.

Nenne 5 deiner Alben die für Dich unverzichtbar mit Szene verbunden sind.

In den Klausuren war »Nenne« immer nachdrücklich wörtlich zu nehmen. Jedes Wort, das dabei aus der Reihe tanzte verärgerte nur den Korrigierenden. Und da hier kein »nenne und begründe« steht…

Project Pitchfork – Io

Die Form – L´âme électrique

:wumpscut: – Embryodead

Der Blaue Reiter – Le Paradise Funebre – L´envers Du Tristesse

Kirlian Camera – Odyssey Europa

Welche musikalischen Eigenschaften hat für dich das ideale Lied?

Ausdruckslose Monotonie ist mir ein Gräuel. Wenn schon monoton, dann ausdrucksstark. Siehe bzw. höre dazu beispielsweise Feindflug. Die Antwort war jetzt allerdings recht speziell. Zu speziell für diese Frage.

Im Kern muss jedes Lied in sich stimmig sein und vor allem glaubhaft. Je mehr Ecken und Kanten es besitzt, desto ehrlicher wirkt es für mich. Denn all diese perfektionierte, abgefeilte und rundgelutschte Musik wirkt zu gestellt, um wirklich noch aus künstlerischem Ausdruck heraus entstanden zu sein. Was natürlich nicht bedeuten soll, dass das Lied dilettantisch wirken muss, um mir zu gefallen. Mitnichten.
Denn gerade in der Sparte des DarkAmbient ist man nur von ausgetüftelten Alben umgeben. Aber auch das ist für mich dann glaubhaft, wenn man die investierte Zeit an Tüftelarbeiten geradezu hören kann. Ich will keine Titel, deren Struktur so simple ist, dass man mit den ersten drei Tönen auch schon den Rest des Liedes vor Ohren hat.

Ich möchte beim hören nur gerne das Gefühl haben, dass der Musiker ein Stück seiner Seele mit hineinlegte. Dass das Lied eine Momentaufnahme seiner selbst ist. Und kein Kunstprodukt, um dem Groupi und seinem Image zu genügen. Und dass der Titel Klangmuster bereithält, die man erst nebenbei, manchmal auch erst plötzlich nach zigmaligem hören wahrnimmt. Die Musik als Labyrinth oder gelegentlich auch als Irrgarten, aber niemals als komplett einsehbare Einbahnstraße.

Dabei ist die Stimmung völlig nebensächlich. Es kann hart, melancholisch, aufbrausend oder introvertiert sein. Die verbreitete Stimmung hat keinen Einfluss auf das Gefallen oder Nichtgefallen. Es ist einfach die Vielschichtigkeit, das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten, das mir die Laune erhöht.
Die Stimmung des Titels verfügt lediglich für den Moment über genügend Einfluss, um auf die Frage des Anhörens oder Weiterklicken eine Antwort zu geben.

Welche Band oder welchen Musiker/in würdest Du gern mal interviewen und auf welchen Frage musst Du dabei unbedingt eine Antwort haben?

Plaudern würde ich mit so vielen. Das interessante an dieser Szene ist ja zudem, dass man es auch tatsächlich kann. Dass beispielsweise ein Mozart in der Kulturruine auflegte und einem um den Hals fiel, nur weil man ihn einen »alten Helden« nannte, während sich unten an der Theke die halbe Corvus Corax-Belegschaft im Kampftrinken mit den Fans übte.
Dass man nach dem Auftritt Claus Larsen in gebrochenem Englisch belästigen kann oder Johan van Roy im Hintereingang die Funktionsweise eines Silbereddings zum Pumpen erklärt. Ok, das war Anfang 1990, schätze jetzt weiß er wie es geht. Dass man wie selbstverständlich in der Moritzbastei hinter die Bühne geht und der Truppe von Janus zu ihrem allerersten Konzert gratuliert, das diese damals dort gehalten hatten. Oder das einem die Interpreten auf dem Festivalsgrün entgegenschlendern und auch die Hand schütteln, ohne das man von einem Rudel Leibwächter zerpflügt und in die nächste Grobmülltonne geworfen wird. Diese Mentalität erfüllt mich fast mit soetwas wie Stolz. Vor allem dann, wenn ich die Berichte von Teenies sehe, die durch halb Deutschland pilgern, nur um den verdunkelten Van von Britney Spears zu betatschen.

Momentan würde ich gerne mit Rudy Ratzinger über den Wandel in seiner Musik plaudern. Über Intention, die Bewusstheit gegenüber dem Wandel und überhaupt.
Sowie mit Angelo Bergamini. Aber dabei ohne spezielle Fragen. Natürlich würde es mich schon interessieren, wie man über die Jahre hinweg so ein Projekt und so eine Bandidentifizierung aufrecht hält; besonders was die Inspiration anbelangt. Aber im Grunde würde ich einfach nur über alles und nichts reden wollen. Da mich die Präsens des alten Knaben fasziniert.

Wer oder was repräsentiert für die Dich die Zukunft der »schwarzen« Musik?

Es ist schwer zu sagen. Fast schon unmöglich dieses global einzuschätzen. Denn eine Band in einem Genre kann nicht als Pauschalrepräsentant geltend gemacht werden. Dafür ist das alles hier zu vielschichtig. Aber um einmal meine Ängste und Hoffnungen zu definieren:

Den Alptraum der Weiterentwicklung stellt noch immer dieses dar. Soman…dekadente Tekkerscheiße, ohne Ästhetik, ohne Sinn und ohne Verstand. Für Zuhörer deren Verständnis von Musik beim Brunftschrei beginnt und beim Bierrülps endet. T´schuldigung. Aber das muss einmal getippt werden.
[Nachtrag] Am besten kann man den Appell verstehen, wenn man dem eben gesehenen dieses gegenüberstellt. Ein jeder, der nun keinerlei Unterschied unterstellt, wird von mir in diesem Blog allerhöchstens noch weiterhin geduldet werden. So wie man das Geziefer im Keller duldet.

Die Hoffnung, ja die Hoffnung existiert im Grunde gar nicht mehr. Trotz einiger wegweisender Lichter. Doch sämtliche Neuentdeckungen die ich mache existierten schon längst und waren nur bis dato vor mir verborgen.
Kirlian Camera könnte hierbei höchstens als Gleichnis herhalten. Für die Hoffung auf Beständigkeit. Dass sich gerade das Elektrovolk wieder einkriegt und sich auf den Unterschied zurückbesinnt, der den Dunkelmann-Elektro so einprägsam von der LoveParade, der Mayday oder von Thunderdome abtrennte.

Die Hoffnung auf weitere und weitreichende Experimentierfreude, ohne dass zu oft parodiert wird. Die Hoffnung auf Widererkennungswert, ohne das musikalisch einspurig gefahren wird oder man sich nur auf dem Abstellgleis tummelt. Experimentierfreude, die vor einigen Jahren als selbstverständlich erschien, doch allmählich in Vergessenheit geriet.
Vielleicht weil der Marktwert unenthusiastischere Gestalten anzog. Oder weil wir den Höhepunkt schon durchlebten und sich die Musik innerhalb der Szene erst einmal wieder neu erfinden muss. Ich hoffe vielleicht auf gute Besserung und reihe mich währenddessen ein; in den Marsch der sterbenden Kultur. Den Marsch der drei Schritte vor und drei zurück.

Stopp: Hierbei muss ich einen Nachtrag einreichen. Mein Dank geht vorweg an Chris. Dafür, dass meine Kopfhörer nun über die Nachbarschaft dröhnen, meine Nerven gespannt sind und ich meine momentane Wunschvorstellung für eine pauschale Weiterentwicklung definieren kann.
Diese wird zwar alles andere als urgothmäßig sein und entgegen aller Schwarzromantik, aber sie würde mir wieder dauerhaft ein Gefühl geben, dass ich seit den letzten 10 Jahren nur noch vereinzelt spürte. In Slaughter Natives …oder um es mit meinen Gedanken von Anfang 1990 zu sagen: »Was für eine genial kranke Scheiße«

18 Gedanken zu „Gothic Friday – Februar: Musik und Leidenschaft

  1. Ich stelle als musikalische Gemeinsamkeit einen Hang zum Elektronischen fest, der bei dir aber eine größere Rolle spielt als bei mir. Grundsätzlich wäre ich nicht abgeneigt, mehr aus diesem Bereich zu hören, wenn mir die Bands nicht immer so unsympathisch wären. Irgendwie spielt die Sympathie bei mir schon eine große Rolle. Wenn ich mir Leather Strip oder (anderes Genre) Sopor Aeternus anschaue, vergeht mir einfach die Lust an der Musik. Ebenso bei Wumpscut – ich mag den Typ einfach nicht.

    Musik hat ja auch ein wenig damit zu tun, dass man sich mit dem Gehörten und auch mit dem Gesehenen in irgendeiner Art und Weise identifiziert. Nachdem ich Silke Bischoff im heimischen Club mehrmals live und hautnah auch außerhalb der Bühne erlebt hatte, war mir das gelinde gesagt nicht mal mehr ansatzweise möglich. So scheint die Musik wohl doch nicht allein für sich zu sprechen…

  2. […]Ich stelle als musikalische Gemeinsamkeit einen Hang zum Elektronischen fest[…]

    Mit Querverweis auf die Io nehme ich an.

    Sympathie ist immer relativ, vor allem da die Altveteranen zumeist eine gewisse Aggressivität in die Musik legten. Zwar fand man von ihnen nicht solche gestellten Poserbilder wie beispielsweise von solchen Elektroprolls wie Agonoize. Aber Aufnahmen mit Kätzchen im Arm und Sonntagmorgengrinsen im Gesicht waren ebenso selten. Das stimmt schon.

    Allerdings muss ich die alte Garde verteidigen. Rudy Ratzinger, Claus Larsen, Stefan Ackermann, Dirk Ivens, Johan van Roy… sie alle waren bei meiner Begegnung mir ihnen durchaus sympathisch. Stellenweise sogar recht zurückhaltend. Auftreten hin oder her, für ihr Gesicht oder ihre Statur können sie ja nur bedingt etwas. Vor allem Clausi-Mausi oder Ackermann sind außerhalb der Bühne kaum wiederzuerkennen.
    Wer allzu kamerataugliche Schönlinge sucht, der sollte im Qualitätsfernsehen nach den Popstars suchen. Aber das meintest du nicht, ich weiß. Ich wollte es nur einmal getippt haben.

    Mir ist dahingehend diese grimmige Ausstrahlung von Kirlian Camera, Leæther Strip oder :wumpscut: & Co. lieber, als dieses gestellte »Ätsch, ich bin böse«-Gehabe so manch anderer. Oder diesen Metalkaspern mit den Cremegesichtern und Killernietenfetisch. Da hält mich nun wiederum die fehlende Sympathie von einer tieferen Beschäftigung mit dem Genre ab. Sympathie ist wohl Geschmackssache. ;)

    Zu Silke Bischoff kann ich im Grunde nicht viel sagen, denn ironischer Weise ist mir nur noch dieses eine Lied in Erinnerung geblieben. Es stellt für mich allerdings noch immer eine gute Galionsfigur für das DarkWave dar, das ich damals erlebt hatte.

    [ Bildquelle: http://userserve-ak.last.fm | http://www.klangwelt-info.de]

  3. Ja richtig, das „Schöne“ meinte ich nicht. Adrian Hates ist sicher kein Schönling und ich kann auch Robert Smith beim besten Willen nicht hübsch finden. Es ist eher das Gesamtbild – also die Ausstrahlung auf der Bühne. Dieses überzogen Männliche mit einem Dunst von Schlägertrupp und brutaler Kühle ist nicht mein Ding. Das ist natürlich nur die Bühnen-Persönlichkeit – aber die zählt ja auf dem Konzert. Bei Silke Bischoff war es das „private“ Auftreten, das mir nicht gepasst hat. Die Aggressivität stört mich gar nicht. Das mag ich sogar ganz gerne, wenn es zur Musik passt und ehrlich rübergebracht wird. Mir ist es aber lieber, wenn diese „Wut“ in eine etwas zugänglichere und weniger testosteronbetonte Persönlichkeit eingebunden ist.

  4. […]Dieses überzogen Männliche mit einem Dunst von Schlägertrupp und brutaler Kühle ist nicht mein Ding.[…]

    Da gebe ich dir Recht. Diese Atmosphäre umgibt jeden Bühnenauftritt, der in der Elektrosparte musikalisch impulsiver daherkommt. Zumindest habe ich noch nichts anderweitiges erlebt.
    Wenn man dieses nicht wirklich mag, sollte man an der Grenze des Synthi pop halt machen.
    Für mich stellt allerdings gerade das den Reiz dar. Bestes Beispiel wieder einmal Kirlian Camera. Deren Auftreten gleicht stellenweise der abendländischen Version des Talibans. Und dennoch ist deren Musik vermehrt melancholisch. Im Grunde müsste sich das abstoßen, doch es passt. Wenn man drauf steht.

    Allerdings würde ich es nicht einmal überzogene Männlichkeit oder Dunst von Schlägertyp nennen. Doch brutale Kühle trifft es ganz gut. Dennoch keine extrovertierte Brutalität. Keine unbegründete Angriffslust. Denn oft ist diese »Badass*«-Manier nur als Zorn aufgrund von Resignation zu verstehen. Als Reflexion der brutalen Kühle der Gesellschaft. Zumindest bei der alten Garde, die in ihren Texten etwas mehr zu sagen hatte als »Ficken und Tanzen«
    Leæther Strip beispielsweise verfügt über dutzende selbstreflektierende Stücke. Die dahingehend nicht aus lauter Testosteron von der Bühne gebrüllt werden, sondern aufgrund von… nennen wir es Entrüstung. Davon mal abgesehen komponierte er vor seinem damaligen Verschwinden aus der Musiklandschaft ein Instrumentalstück für seinen Lebensgefährten. Nicht gerade Badass-like ;) Aber etwas, dass ihn äußerst sympathisch macht.

    Bei einem Konzert zählt die Bühnenpräsens. Die Persönlichkeit, die dort ausgelebt wird. Sei sie gestellt oder authentisch. Das ist richtig. Aber für mich kein großer Entscheidungsgrund. Entscheidend für Sympathie und Antipathie ist die Persönlichkeit, die in den Texten liegt. Seien es Interviews oder die Liedertexte. Und stellenweise wäre ich enttäuscht, wenn sich mancher in Zurückhaltung üben würden.

    […]Das mag ich sogar ganz gerne, wenn es zur Musik passt und ehrlich rübergebracht wird. Mir ist es aber lieber, wenn diese “Wut” in eine etwas zugänglichere und weniger testosteronbetonte Persönlichkeit eingebunden ist.[…]

    Seit vier Minuten sitze ich vor den zwei Sätzen und überlege mir, wie das gemeint ist. Zugänglichere und weniger testosteronbehaftete Persönlichkeit… Definiere »zugänglicher« Da es mich gerade brennend interessiert, ich aber auf dem Schlauch stehe.

    * Es gibt tatsächlich englische Umgangssprache, die -spontan gesehen- kein befriedigendes deutsches Adäquat besitzt. Ich bin verblüfft.

  5. Als Nachtrag:

    Dahingehend ist es schade, dass diese musikalische Sparte nicht gerade die Frauenquote erfüllt. Mir fallen gerade einmal vier Projekte ein, bei denen eine Frau den »Frontmann« gibt. Wobei Psychobitch der Aggressivität am nächsten kommt, wenn auch nur in wenigen Titeln.
    Daneben noch eine handvoll, die sich den Gesang mit ihren männlichen Kollegen teilen, aber dann hört es auch schon auf. Gäbe es mehr Mädels auf der Bühne, könnte man einmal gut die Vergleiche ziehen. Und hätte als Kerl auch endlich einmal mehr zu sehen, als die bloße Musik. Aber vielleicht wäre dann die Art und Weise ähnlich dem:

  6. Ich versuche, meinen kryptischen Satz zu erklären. Wenn ein Peter Spilles auf der Bühne steht und mich anbrüllt, dann sehe ich zwar eindeutig einen Mann und kein androgynes Wesen, aber er hat grundsätzlich nur eine männliche, sehr emotionale und keine kühle, brutale Türsteher-Ausstrahlung. Er wirkt zwar in der Performance (Tschuldigung)aggressiv, aber mit dieser Aggressivität kann ich mich identifizieren. Diese Persönlichkeit ist mir zugänglich, weil ich Parallelen zu meinem Charakter, zu Stimmungen und Gestik/Mimik sehe/fühle.

    Wenn mir da so ein Brecher mit martialischer Ausstrahlung, Glatze, kühlem Blick und muskelbepackter Grobmotorik gegenüber steht, dann ist das nicht meine Welt. Das ist eine andere Form von Aggressivität, die mich zu sehr an Hooligans und Neonazis erinnert. Ich meine natürlich nur den Eindruck und mir ist bewusst, dass dieser Eindruck ganz und gar nicht der Gesinnung der Künstler entsprechen muss. Die Atmosphäre ist mir unangenehm, wenn mir auch Musik und Texte gefallen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das nun besser erklärt habe.

    Mit Frauenstimmen kannst du mich übrigens eher jagen als locken ;-). Das wäre gar nichts für mich.

  7. […]Ich bin mir nicht sicher, ob ich das nun besser erklärt habe.[…]

    In der Tat, nun verstehe ich die Problematik.

    Wobei ja Project Pitchfork einiges an Sinnlichkeit in ihre Albem legte. Zumindest solange ich deren Treiben mitverfolgte, bzgl. des späteren Schaffens kenne ich mich nicht aus. Trotz kraftvoller Gebaren verbarg sich dahinter immer eine ebenso ausdrucksstarke Grundharmonie. Das lässt sich natürlich auch gut auf die Bühnenpräsens transportieren.
    Während Freund Suicide Commando damals automatisch in die »Türstehermanier« verfiel, da es die Musik nicht anders erlaubte. Zumindest nicht ohne sich lächerlich gemacht zu haben. Einmal überspitzt gesagt.

    […]Wenn mir da so ein Brecher mit martialischer Ausstrahlung, Glatze, kühlem Blick und muskelbepackter Grobmotorik gegenüber steht, dann ist das nicht meine Welt[…]

    Also quasi so einer. …dann ist es ja gut, dass man sich nie im Club begegnet. Denn dahingehend wirke ich ebenso unsympathisch. Wobei, nicht das ich hier sympathisch wirken würde. Oder überhaupt sympathisch wirken wollte. Derartige Rufschädigung kann ich mir nicht leisten.

    […]Mit Frauenstimmen kannst du mich übrigens eher jagen als locken ;-). Das wäre gar nichts für mich[…]

    Faszinierend. Ich finde, dass gerade das einen gelungenen Kontrast gibt. Zum einen wegen dem Seltenheitswert, aber auch, weil die weibliche Stimme auf interessante Weise mit der doch recht rauen Musikstruktur bricht. Vielleicht liegt es auch nur ganz banal an den Hormonen und braucht nicht musikphilosophisch verklärt zu werden.

  8. Genau „so einer“ :-) Aber ich beziehe das ausdrücklich auf die Bühnenpersönlichkeit und die Atmosphäre, die der Künstler mit seiner Ausstrahlung und der Musik in Kombination verbreitet. Das heißt absolut nicht, dass ich ihn unsympathisch finde, wenn ich ihn privat oder im Club treffe. Das muss man schon unterscheiden. Es ging ja um Musik und warum die eine Band gefällt und die andere eher nicht.

    Dem Thema mit den Männer- und Frauenstimmen sollte man mal nachgehen. Da gibt es bestimmt kluge Experten, die das schon untersucht haben. ;-)

  9. Guldhan – ein genialer Artikel! Ich war sehr fasziniert von Deiner Wortkunst, insbesondere die Beantwortung der 1. Frage kann man wohl schwer toppen. Ich empfinde das ganz genauso, hätte dafür aber schwerlich so gute Beschreibungen finden können. Vermutlich werde ich in meinem Beitrag darauf verweisen.

    Ansonsten hatte ich auch den Moment des lauten Auflachens bei „Klang doch das meiste wie ein akustikgitarreklimpernder Sozialpädagoge im Patriotismuswahn“ (Neofolk). Genau das selbe – nur ohne Patriotismuswahn – hab ich gedacht, als ich das 1. Mal Forseti gesehen habe!! Wie lustig! Neofolk ist bis heute nicht mein Ding im Großen und Ganzen, auch wenn ich einige Stücke von Bands, die dem Genre zugeordnet werden, gern höre. Einiges von Death in June und Rome wäre da zum Beispiel zu nennen.

    Sehr interessant, es gibt doch einige Überschneidungen musikgeschmacklicher Art (Vangelis „Blade Runner“, Die Form, auch die für mich neuen Flesh Field und Karjalan Sissit) im elektronischen Bereich. Auch Deine Hoffnungen teile ich voll und ganz, bin dabei aber lange nicht so ‚pessimistisch‘, dass ich von einer „Sterbenden Kultur“ sprechen würde. Aber dennoch deiner Meinung, dass wir den Höhepunkt wohl schon erlebt haben. Denn auch mir geht es so, dass die mir neuen, genialen Sachen, die ich entdecke sich als alt entpuppen. Aus einer Zeit, wo scheinbar mehr Experimentierfreude, weniger Kopie, weniger oberflächliches Geldverdienen im Vordergrund stand. Aber da es auch (zugegeben sehr wenige) Ausnahmen gibt, sehe ich es nicht so finster.

    ;o)…ich werde natürlich gleich mal dein neues Feature/plugin ausprobieren und „den Gedanken per Elektronik folgen“…

  10. Vielen Dank, das liest man gerne. Aber nicht wundern. Ich unternahm vorhin eine paar Veränderungen. Denn trotz aller Worte lastet noch immer der Hang zu groben Rechtschreibfehlern auf den Absätzen. Und das kann und will ich nicht tolerieren.

    […]Vermutlich werde ich in meinem Beitrag darauf verweisen[…]

    Nur zu, doch jeder findet dahingehend die Worte, die ihn bewegen. Was den Reiz der anderen Artikel auch mit ausmacht.

    Ja, bei Forseti brauchte ich etwas Zeit, um dabei nicht lachend abzuwinken. Aber nachdem mein Musikempfinden durch andere Neofolk-Größen weichgespült worden war, fand ich derartiges sogar sehr angenehm. Zumal es nicht besseres gibt, um im Winter durch karge Wälder zu stapfen oder im warmen Frühjahr auf dem Berg dem Sonnenuntergang beizuwohnen. Diese Musik ist einfach für derartige Naturromantik und Heimatsentimentalität geschaffen. Und das merkt man auch.
    Ein weiterer Punkt, der mich dabei fasziniert, ist neben dem schon poetischen Gebrauch der deutschen Sprache* [Querverweis: Orplid] das Spiel mit den Assoziationen. Diese Gradwanderung zwischen Heimatverbundenheit und Patriotismus. Dem man als oberflächlicher Zuhörer negativ-nationale Intention oder Gesinnung unterstellen kann.
    Bestes Beispiel, und um beim Thema zu bleiben, Forseti:

    Wir können nur wandern und bluten dabei.
    Im Schlachthof Europa:
    Nur sterben macht frei

    Ein Heil dir Europa, ein Heil in den Tod.
    Wirst niemals erwachen,
    Wirst bringen nur Not

    Ich bin gehässig genug, um mich zu freuen, wenn Fehlgeleitete oder Deutungsfaule dieses entgegen allen Sinn interpretieren wollen. Aber das scheint wohl eine Nachkriegspsychose von Deutschland zu sein. Man darf dahingehend keine Verbundenheit oder Ästhetik ausstrahlen, ohne sich gleich auf exorbitante Weise zu erklären und zu rechtfertigen, damit es auch der letzte Dödel verstanden hat.
    Doch dieses Spiel reizt mich. Wahrscheinlich, weil es noch etwas Verbotenes besitzt. Etwas elitäres, dass die meiste Aufklärungsarbeit der schwarzen Szene unbeschadet überstanden hat.

    *bzw. überhaupt Sprache, Neofolk existiert ja nicht nur in Deutschland.

    Blade Runner ist ein Epos. Noch heute. Was nicht zuletzt an Vangelis Zutun liegt. Der Film ist mit einer meiner meistgesehenen und der Soundtrack definitiv das Album, das über die Jahre am häufigsten lief. Ein so dichtes musikalisches Werk findet man selten. Selbst bei Vangelis selbst.
    Allerdings ist dieses auch eines der tödlichsten Alben meinerseits. Denn wenn man es versehentlich in ungünstiger Gemütslage hört, reißt es einen in ein tiefes Loch aus Depression, Jammer und die Frage nach dem Gewinn des eigenen Daseins.
    »All this moments lost in time, like tears in the rain« Selbst wenn ich gut drauf war, spätestens bei dem Geklimper hocke ich mit wässrigem Blick und Gänsehaut in der Ecke. Und flehe nach dem aufbauenden Gefühl, das mich wieder davon befreit. Wie gesagt, tödlich…

    Flesh Field war nach langem wieder eine zufällige Neuentdeckung mit Wow-Effekt. Besonders das Album Strain, von dem auch die Verknüpfung stammt. Mich faszinierten dabei die andauernden Brüche in den Liedstrukturen. Elektronische Härte und selbstbewusste Gitarre. Echte klassische Bässe…ich finde das Album geil.

    Karjalan Sissit ist »krank« Ich glaube von Finnen ins Leben gerufen. Vorhin lernte ich In Slaughter Natives kennen, mehr als begeistert kennen. Ein Schwede. Ich habe keine Ahnung, was sich in der Luft oder im Trinkwasser Skandinaviens befindet, dass die solche Musik verbrechen. Aber was immer es ist. Die Welt braucht mehr davon.

    […]Auch Deine Hoffnungen teile ich voll und ganz, bin dabei aber lange nicht so ‘pessimistisch’, dass ich von einer “Sterbenden Kultur” sprechen würde[…]

    Ich habe die letzten Jahre viele Bands wegbrechen sehen. Wenige, weil sie einfach verschwanden. Aber zu viele, weil diese entgegen meiner Erwartungshaltung und ihrer Vergangenheit produzierten. Dürfen sie ja, aber Geschmack ist nun einmal relativ.
    Zu oft schämte ich mich der T-Shirts von Bands, die ich noch vor Jahren voller Stolz trug.
    Als wenn zur Jahrtausendwende ein Wind des Vergehens über mir liebgewordene Interpreten geweht hätte.
    Oomph!, Rammstein, Suicide Commando, :wumpscut:, Project Pitchfork, Cat rapes dog, Calva y Nada, Tanzwut, Goethes Erben, Leæther Strip / Klute, Janus, Marilyn Manson, Heimatærde…um nur die bekanntesten zu nennen. Sie alle verweichlichten oder verschwanden. Manche sogar beides. Alles verquoll in einem Einheitsbrei. Zumal man mache Interpreten schon kaum unterscheiden konnte, als sich jeder noch kraftvoll behauptete.
    Das setzte in mir das Gefühl frei, dass die Art von Kultur, die mich bis 1998 begleitet hatte, ausstirbt. Alte Interpreten wurden ruhig und den jungen fehlte es an experimentierfreudiger Wut.
    Und als ich in den Clubs, die ich seit Jahren der Abstinenz wieder besuchte, derartiges zu hören bekam: Steinkind – Larissa, Nachtmahr – Mädchen in Uniform, Agonoize – Koprolalie und Soman, da wusste ich eines mit Gewissheit. Das sind die Erbschleicher der soeben verstorben Kultur.

    Nun gut, dann sei mal gefolgt, dem Spontis sei dank.

  11. zu orphi:

    […]Dem Thema mit den Männer- und Frauenstimmen sollte man mal nachgehen. Da gibt es bestimmt kluge Experten, die das schon untersucht haben. ;-)[…]

    Mal schauen, vielleicht nehme ich mich in ruhiger Minute einmal des Themas an.

  12. Natürlich werde ich zur Bedeutung der Musik für mich auch eigene Worte finden. Aber „ist das Fenster zur Vergangenheit“ und „verknüpft Momente“…nuja, ich werde das nicht toppen können. Freu dich doch einfach.

    In Slaughter Natives kenne ich jetzt seit ca. 3,5 Jahren. Ich habe sie über die Internetradiostation „Doomed“ (SOMA-FM) kennengelernt. Dort werden sie ganz oft gespielt. Dann hab ich diesen Schweden vor 3 Jahren live gesehen. Eine One-Man-ohne-Gothic-Show – einfach nur ER und seine schräge, heisere Stimme. Es hat mich doch sehr beeindruckt und ich könnte im Nachhinein gar nicht so recht sagen warum. Vllt. weil es so ganz anders war. Hier ein Video von dem Konzert: http://www.myspace.com/video/vid/42993768

    Ich werde mir Karjalan Sissit daher auch mal näher zu Gemüte führen. Diese Nordlichter haben schon was! Danke für den Tipp.

    Jaja, „dieses Spiel reizt mich“ – Bedeutungen von Neofolk-Band-Texten herausfinden bzw. eigene Interpretationen anzustellen ist eigentlich auch die einzige Möglichkeit, wenn man dem ständigen Vorwurf des Neonazi-National-Tums begegnen will, der bei den meisten Bands ungerechtfertigt sein dürfte. Da schlägt einem schon genügend Oberflächlichkeit seitens Antifa & Co. entgegen und man muss streitbar sein und mit Fakten aufwarten können. Ich habe es selbst oft genug erlebt, höre aber Neofolk viel zu selten, als dass ich mich dahineinvertiefen würde und mit Faktenwissen einer Diskussion standhalten könnte.

  13. Nachdem ich nun 30 Minuten mit dem Lesen und vor allem dem verstehen deines Artikels verbracht habe, sind mir 3 Weisheiten hängen geblieben. 30 Minuten können unterschiedlich lang empfunden werden und wirkten auf mich wie Sekunden, du schreibst wie ich denken möchte und orphi schreibt wie ich reden möchte.

    Ich bleibe aber bei meinem bewährten Pragmatismus und dem eigenen Ich, passt eben besser zu mir.

    Nachdem ich dich nun schon eine Weile kenne, kann ich nicht behaupten, das ich von einigen Antworten überrascht wäre. Du bist einer von denen, der sich mitten in eine musikalische Explosion stellt um zu erkennen welche Farben der Feuerball zeigt. Andere liegen dabei am Boden und schützen ihren Augen und Ohren ;)

    Toller Artikel!

  14. zu shan_dark:

    Dann kennst du dich doch sicherlich mit In Slaughter Natives aus. Ich wäre da nämlich gern informiert:

    Existiert dieses Clean Cathedral nur als Video, denn die Version von der Purgate my Stain ist ja nicht mehr wiederzuerkennen.
    Oder steckt in dem Video das »Awakening Clean Cathedral« welches in Zusammenarbeit mit Deutsch Nepal auf der Mort Aux Vaches liegt.

    Jener »Death, just only death«-Ableger. Den ich unter »Still just only death« hier im Artikel liegen haben…wo zum Henker ist der. Ich habe gerade im Netz und dessen Discografie gewühlt und einzig das Ding bei youtube gefunden. Welch eine Ernüchterung.

    Ansonsten belästige ich den Knaben mal über seine Seite :D

  15. Zu Robert:

    […]Nachdem ich dich nun schon eine Weile kenne, kann ich nicht behaupten, das ich von einigen Antworten überrascht wäre.[…]

    Nun gut, dann bleibt das mir abgerungene Geständnis zur P!nk-Anhängerschaft echolos. Hier scheint man ja mit nichts mehr schocken zu können…

  16. Shan Dark hat es schon sehr schön ausgedrückt, aber auch mich hat Deine kreative, emotionale, schwarzhumorige und direkte Wortgewandheit sehr beeindruckt – es hat großen „Spaß“ – oder besser Freude – gemacht, Deinen Beitrag zu lesen. Auch wenn ich leider reichlich spät dran bin mit Kommentieren, möchte ich mich für die ausführlichen und interessanten Antworten bedanken. Es gibt genug Leute, die sich selbst viel zu ernst nehmen und alles möglichst cool beantworten, dabei möglichst klischeelastig und vorhersehbar antworten. Das ist hier anders. Und ich musste herzlich lachen bei der so schönen Umschreibung mit dem Beginn beim Brunftschrei und dem Ende beim Bierrülps. Von Nachdenklichkeit bis Heiterkeit haben mich viele Emotionen erfasst beim Lesen.

  17. „Auch wenn ich leider reichlich spät dran bin mit Kommentieren“ …die letzten vier Jahre waren ohnehin nicht der Rede wert. Daher…
    Vielleicht werde ich mir den Text demnächst auch noch einmal durchlesen, denn er scheint ja ganz interessant gewesen zu sein.

    In diesem Sinne,
    der Schreiber dankt.

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