Tag Eins, Zwan(g)zig Dreizehn

Photobucketin wenig amüsierte mich die ehrliche Verblüffung am anderen Ende der Leitung schon. Als ich auf die Frage, ob ich von hier aus etwas vom Feierwerk mitbekämen, nur nüchtern antwortete, dass hier sämtliche Jalousien geschlossen seien.

Dass ich einzig den Bildschirm meines DVD-Spielers in Schreibtischrichtung gedreht hatte, mich im Netz durch Kraftsportvideos klickte und nebenher ein wenig trainierte. Sowie im Anschluss wieder auf virtuelle Zombiejagt ging. Ergo: Mich der ganze Zirkus einen absoluten Scheiß interessierte.
Das einzige wohlwollende Zugeständnis, dass ich dem gestrigen Tag geben möchte, ist, dass dieser für den heutigen Morgen traditionell die längste Ruhephase des Jahres erwirkte. Da er bis Mittag sämtliche Idioten von den Straßen und aus der Nachbarschaft fern hält. Und diese noch, dank der Nachwirkungen, auf den Matratzen suhlen lässt.

Wann hatte mich Silvester zuletzt wirklich interessiert? Schätze Anfang der 90´er. Zu fernen Schulzeiten. Da schlürfte ich den anderen Dynamit-Trollen des damaligen Freundeskreises hinterher. Und als Wanst dekorierte ich in freudiger Erwartung das Wohnzimmer. Doch mit der Vernunft? Mit der anbeginnenden Rationalität. Mit dem Moment, ab dem man wusste, dass die Behütung der Kindheit und Jugend nun wirklich für beendet erklärt sein wird und man dem unberechenbaren Frust des gesellschaftlichen Lebens ausgesetzt ist… mit dem Moment sah man nicht mehr die Erwartung des neuen Jahres. Und mit dem Moment zelebrierte man nicht mehr den Tag 1.
Nein, man erinnert sich an die Pleiten, das Pech und die Pannen, erkennt die ungewollten Pflichten und sieht sich dem Tot um gute 365 Tage näher gebracht. Und weiß mit der Erfahrung, dass dieser nächste Tagezyklus nicht besseren werden wird. Wie auch. Dieser kann besten Falls anders werden, aber mehr widerstrebt sämtlicher Kausalität.

17 Jahre verstrichen seit dieser Erfahrung. 17 Jahre Desinteresse. 17 Jahre die Frage, ob ich wohl der einzige bin, der sich so vorkommt, als würde er in einem verdammten Krisengebiet feststecken, und sich nicht wundern, wenn eine Rauchgranate durch das Fenster geflogen kommt. Dicht gefolgt von den Schreien verblutender Sturmtruppen.
Und ein Leben lang Desinteresse, überhaupt einen Pfennig, bzw. einen Cent für diesen Blödsinn auszugeben. Wobei ich aber auch einen Teufel tue, irgendwas zu spenden. Das überlasse ich den Wohlständigen und Wohlhabenden.

In der Tat, dieser Tag kann mich mal. Einfach aus der Frage des Warums heraus. Warum und wozu? Ich hörte bis dato keine befriedigende Antwort, die in ihrer Botschaft nicht ähnliches enthielt wie: »Es ist halt Silvester. Ein neues Jahr. Jungfräulich halt und bereit für neue Abenteuer« Was für ein Gleichnis, das der Proll mit breitem Grienen garniert. Doch habt ihr schon mal mit Jungfrauen geschlafen? Beine breit für neue Abenteuer, is´ klar. Danach weiß man, wie befriedigend ein neues Jahr bei solchen Vergleichen nur werden kann. Doch plumpe Phrasen beiseite, ist das hier ja nicht die Gedankenfreibank.
Ja, warum feiern? Nur um sich den Streit mit der Partnerin anzuhören, die inmitten der Feierlaune der Familie die Leidenschaftslosigkeit nicht versteht und zur persönlich gemeinten Antipathie erklärt? Entschuldigung, aber da habe ich keine Lust mehr drauf. Somit, warum? Nur um am nächsten Morgen den Hund zu erleben, wie dieser lieber platzen würde, anstatt an auch nur eine Pfote auf die nach Kriegsgebiet stinkende Straße zu setzen. Als zitternder Haufen Elend die große Angst des Jahres erlebt. Auch darauf kein Bedarf.

Bin ich doch froh, dass ich mich die letzten Jahre soweit dressieren konnte, dass zumindest die bitteren Gedanken wegblieben. Das mentale Bleigießen mit den Jahreserinnerungen, die man gerne vergessen würde. Die aber über wütender Flamme erhitzt wurden und sich in den Tränen zu dem formten, was man als beschissene prophezeite Ängste für das neue Jahr ansehen durfte.

Und jetzt. Soll ich mich freudig in die leere des Tages 1 stürzen. Was wird nun erwartet? Irgendwelche Vorsätze in das Schweigen der Straße blöken? Arm ist der, der für einen Lebenswandel derartiger Tage bedarf. Vergesst es einfach. Mein Tag war am 21ten. Nein, nicht wegen dem Glaube an den Segen der Erlösung, zumindest nicht im Sinne aller grenzdebilen Predigten. Nein, im Sinne der Wintersonnenwende. Einem immerhin auch greifbaren Tag, der mir sagte, dass die Zeiten wieder besser werden. Mit dem Argument der Natur, der Seligkeit der Sonne und keinen menschlichen Hirngespinsten.

Oder soll ich nun besinnlich das letzte Jahr passieren lassen. Ja. All die Freude. Welche Freude denn, die über das kurzfristige Aufglühen hinauskam? Zugegeben, ich wurde Ausbilder. Kämpfte mich zur fast perfekt bestandenen Prüfung. Obwohl im selben Moment der größte Teil meines Lebens endlich aussprach, dass dieser weiterhin und nun endgültig auf mich scheißt. Nach einer zu langen Zeit der dahinführenden nonverbalen Botschaften.
Ja, Ausbilder, ja, Karriere oder so. Wie ungemein beeindruckend. Doch wen interessierte das? Keinen. Man setzte Energie in ein belangloses Formular. So wie überall. Und doch war es das einzige, was mir einfällt, was jenes Jahr wirklich zum Fundament gereichte. Auch wenn dieses Fundament auf Treibsand steht.
Ansonsten…? Irgendwelche weiteren Vorschläge? Tribute an den Optimismus? Großangelegte Erfolge, die es zu benennen gilt, da diese in das neue Jahre eindringen und dieses zu einer Stufe Richtung Leben penetrieren? Irgendwelche Taten, die ohne mich nicht einfach nur weitergereicht worden wären?
Selbst dieser Blog erstrahlt noch immer in seiner mich anwidernden Unbeholfenheit. Zugeben, die neue Wohnung kratzte am Siegel des Dogmas der Lebensgleichgültigkeit. Wohnraum ist immer gut. Und wenn es auch nur in einem Osten ist, der noch nicht einmal östlich genug liegt, um wieder neue Lebensqualität zu spenden.

Somit, wenn ich an das neue Jahr denke, so macht der damit verbundene Erhaltungsaufwand die Freude ohnehin wieder wett. Quid pro quo. Plus minus Null, würde ich sagen.

Ebenso wie dieses Jahr. Bei dem es fahrlässig naiv wäre, eine Win-Win-Situation zu erwarten. Ein Begriff, der ohnehin schon zu dämlich klingt, um existieren zu können. Und außerhalb der Verwirrungen eines Betriebswirtschaftsstudiums obendrein nicht glaubwürdig erscheint.
Nein, das neue Jahr wird dem alten gleichen. Und dem alten zu allem Überfluss noch gerecht werden. Ein verdammtes Plus-Minus-Null-Geschäft. Ein Trott. Eine Existenz, aus Pflichtbewusstsein. Bei der kurze Freude in der Tristes erstickt. Sowie die Flamme im luftleeren Raum.

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