War ja klar. Und ich kann nicht einmal sagen: „Ich hätte es wissen müssen.“, denn ich habe es gewusst. Doch das kommt davon, wenn man auf den Optimismus hört. Dessen Argumentationskonzept mir seit jeher ebenso wirklichkeitsnah erscheint, wie die Möglichkeit, den Lieb-mich-Bärchi der Glücksbärchies wichsend vor dem Fachgeschäft für Steif-Teddys anzutreffend.
Lebt man als Pessimist doch realistischer… Aber ich habe es drauf ankommen lassen. Wollte den Duft der Hoffnung einatmen und mich dem positiven Denken hingeben. Obwohl sämtliche Vernunft in mir um Gnade flehte. Sich mit der Rationalität verbrüderte und ab dem Moment, als ich den Hut vom Spiegel genommen hatte und aus der Wohnungstür trat, gemeinsam mit ihr in den Tod sprang.
Doch es hätte funktionieren können. Ich hätte selbstsicheren Schrittes den Fachmarkt betreten können, zielsicher zu der triumphal aufgebarten Technik schreiten und innerhalb des sehenswerten Sortimentes meine Wahl treffen können.
Aber was, oder besser gesagt, wem soll ich hierbei etwas vormachen. Wie wahrscheinlich ist es denn, in einem Kaff, in dem man nicht einmal Windows 7 bekommt, gute Mittelstandstechnik zu erwerben. In der Tat, ich muss jetzt, da ich diesen Ausbund an Naivität in die Tastatur schlage, selber ein wenig darüber schmunzeln.
Wobei… ich möchte meiner unfreiwilligen Heimatstadt nicht unrecht tun. Fand ich doch Exemplare, die um meine Gunst buhlten. Doch haben mich diese dazu animiert, dem Einzelhändler meiner EC-Karte entgegenzustrecken und damit im Balzverhalten verkappter Konsumgeilheit herum zu wedeln? Wohl kaum. Sei es bei den Druckern, Scannern oder den Tischmikrophonen.
Mit diesen dargebotenen Klanggurken, denn bei derartigen Preisen erwarte ich nichts von dem, was man „ernstzunehmende Technik“ nennen könnte, hätte man in meinen Aufnahmen wohl weiterhin von den Lippen lesen dürfen. Oder ich hätte, um das Verstehen zu erhöhen, nebenbei Rauchzeichen an dem Monitor vorbeiziehen lassen können. Aber nicht einmal Streichhölzer hatte ich in den Regalen gefunden. Dafür aber eine Erkenntnis: Es ist Weihnachten!
Zugegeben, die Welt füllte sich mit unübersehbaren Anzeichen. Wandelnde Possenimplosionen montierten Stoffgeweihe auf die Dächte ihrer Karren und klebten einen roten Wollballen an den Kühler. „Rudolf de red-noised Rennauto. Verstehs´de. Wie “Rudolph the Red-Nosed Reindeer”. Ha, Haha.“. Ein munterer Spaß, der mich beim Anblick fast zu einer Interaktion ermutigt hätte. Nämlich dem erbrechen des letzten Abendmahles inmitten der Tramhaltestelle. Wenn nicht schon ein solcher Flecken inmitten des zertrampelten Schnees um eine alte Pizzaschachtel gekrustet hätte.
Ebenso die kleinen Plagen. Die späteren Haferschleimkredenzer meiner Sozialrente von 150€. Die freudig und aus der Kälte lärmend, die Tram infiltrieren. Und bei dem Versuch, sich auf die Sitze zu hieven, mit ihren straßenmatschverklebten Sohlen über meine Hosenbeine schmieren. Es wären natürlich keine kleinen Kinder, wenn sie dieses irgendwie mitbekommen, mit irgendeiner Gesten würdigen und nicht anstandslos ignorieren würden. Der Gegenüber ist schließlich Luft. Selbstverständlich aber auch der oder eher das gegenübersitzende Plag. Und so wurde sich gegenseitig das Entzücken über diesen Ausflug entgegen geplärrt, als ob diese michelinmännchenhaften Heiterkeitsbolzen in zwei getrennten Abteilen säßen. Doch auch das rief mir Weihnachten vorerst nicht ins Bewusstsein.
Auch nicht die Penner, die mit Aldi-Bier sowie Weihnachtsmütze in gedrungener Resignation in den Haltestellen sitzend an der Tram vorbeizogen. Auch nicht die maßlose Lichtverschmutzung. Die ungeräumten Gewege, deren Metallverschläge schon beim Sommerregen zur knochenbrechenden Rentnerfalle werden. Auch nicht der scharfe Wind, der einem unentwegt Eiskristalle in das Gesicht bläst und den Bart anfrieren lässt. Und in einem den Drang aufsteigen lässt, jeden Ich-liebe-den-Winter-Affen nackt an ein Schneeflug zu binden, das Maul mit Streusalz zu stopfen und bei voller Fahrt einen Eiszapfen in den Anus zu rammen; quer.
Nein… es wurde mir bewusst, als man mir mit den Worten: „Und noch frohe Feiertage.“, die Tüte entgegenstreckte, in der sich meine zerbrechlichen und in Transportpapier geknüllten Einkäufe befanden. Diese Alliteration rüttelte wach. Und es fiel mir wie rußige Schneebrocken von den Augen.
Ja, es ist Weihnachten. Fest des besinnlichen Miteinanders. Fest des Feiertagsstress, der Familienzickerein und Fest des Fressens und des Fickens. Mit anderen Wort, das Fest der Liebe. Zumindest was man sich innerhalb von wohlstandsverwahrlosten Industrienationen so unter Liebe vorzustellen vermag.
Und nicht mehr lange, bis mir der erste Silvester-Schwachmat auf den Sack geht. Bis die ersten mit ihrer Dekadenz prahlen und mir verdeutlichen, wieviel Prozent ihres finanziellen Wohlstands zum Überfluss gezählt werden und mir damit um die Ohren gelärmt werden kann.
Und ja, ich hasse es. Feuerwerke und speziell Böller stehen auf meiner Liste menschlicher Widerwärtigkeiten verdächtig weit oben. Wer es genau wissen muss, ungefähr auf gleicher Ebene mit Laubgebläsen und Luftballons.
Zudem diese befohlene Pauschalheiterkeit. Ungefragtes Umarmen, sinnloses Besaufen und das Lallen irgendwelcher leeren Versprechungen, die am nächsten Morgen ohnehin dem Jagdtrieb des Katers zum Opfer fallen.
Was feiert ihr eigentlich? Das Vergehen? Das Versiegen von Zeit? Ein Jahr zog erneut vorüber. Ein Jahr dem Ende näher. So reich an Vergänglichkeit und so arm an Erfolgen. Nichts bleibendes, nicht einmal in der Erinnerung. Einzig die Momente, die man vergessen will, kleben in den Gedanken wie Teer. Einzig das erneute Resignieren der Erwartungshaltung wohnt dem nächsten Tage inne. An denen jeder horizontlose Geist so tut, als gäbe es etwas zu feiern. Sich darüber zu beglückwünschen, dass es einem ein weiteres Jahr gelang, nicht vor ein Auto zu rennen oder in der Toilette zu ersaufen. Bravo. Da capo, da capo. Ich bin so stolz auf Euch…