Gedankenfreibank – 2/4 Mai 2012

Der verbale Anschlag menschlicher Massenverachtung

[…] Zerbricht Lucas Liebe am Stress? Der frischgebackene DSDS-Sieger Luca Hänni eilt dieser Tage von Termin zu Termin […] sonst sind die Fans sauer! Freundin Tamara scheint bei all dem Trubel immer mehr in den Hintergrund gedrängt zu werden. Hält ihre Liebe das aus? […] Kaum hatte Luca sein erstes Musikvideo zur Nummer-Eins-Single „Don’t Think About Me“ in Dänemark abgedreht, stand schon der nächste Termin vor der Tür: Er musste nach Hamburg, um mit Dieter sein Album „My Name is Luca“ aufzunehmen. Der 17-Jährige kommt einfach nicht zur Ruhe – und genießt das: „Ich freue mich wie ein kleines Kind“, sagte Luca beim Dreh gegenüber RTL. […] Freundin Tamara nimmt in Lucas Leben scheinbar zunehmend eine Nebenrolle ein. Erst nach seinem Finalsieg und wochenlangem Versteckspiel war Luca mit seiner zwei Jahre älteren Freundin an die Öffentlichkeit gegangen und hatte der Welt voller Stolz verkündet: „Tamara ist die Liebe meines Lebens.“ Nach den turbulenten letzten Tagen jedoch und auf seine Konzerte angesprochen, klingt das schon ganz anders: „Ich weiß noch nicht, ob ich Tamara mit auf Tour nehme. Das muss ich erst mal noch durchdenken“, soll der Schweizer laut „ok-magazin.de“ verraten haben. […]

Photobucketerbricht Lucas Liebe am Stress? »Ach Gottchen, na hoffentlich«, möchte es mir fast entrinnen. Und auch wenn mir damit der Zustimmung zu vieler Backfische Deutschlands sicher sein kann, so möchte ich doch offiziell verkünden: Es bräche mir das Herz.

Denn wie herzlos muss man nur sein, um etwas Derartiges zu ignorieren. Oder schlimmer noch, wie kalt muss das Herz unter den Groupiebrüsten schlagen, um etwas Derartiges zu wünschen. Schämt Euch! Oder hat Euch Freund Haini irgendwas getan, dass man hier so derartige Verwünschungen zu Ende denken muss.
Hat er uns nicht allabendlich spüren lassen, dass all die fernen Länder froh darüber sein können, dass diese nur Landminen, aber keine Landeswelle mehr besitzen. Dass sie gefeit sind von der Versuchung sich derartiges anzutun. Und dass sie sich, sollte doch einmal DSDS-Geheule an ihr Nervensystem klingen, sogleich mit kostenlos zur Verfügung gestellten Sprengkörpern davon erlösen können. Zugeben, dieses spräche nicht gerade für ihn.

Aber es geht doch hier um die Liebe. Diese penetrante Pestilenz in Fluss des Lebens. Mit der jeder Arsch ungestraft hausieren geht und hofft, dass sein selbiger dabei die gewünschte Beachtung erfährt. Manch einer darf sogar ungestraft hoffen, dass dort die gewünschte Beachtung eingefahren wird. Wohingegen ich schon scheel angeglotzt werde, wenn ich mich nur einmal kurz traue, das Wort „Penetration“ zu buchstabieren.
Und auch wenn nun jener Hänpfling, zur Balz animierend, seine schattierungsoptimierten Oberarmmuskeln in die Kameralinsen reckte und so grinst wie der zum Frischfleisch gewordenen Päderastentraum, so wird auch er bald erfahren, dass die Liebe mit ihrer »Leidenschaft« gewöhnlich eine andere Auslegung anstrebt, als der verklärte Turteltrottel im ersten Wallungsgehabe wahrhaben möchte.

Also beruhigt Euch, Mädels. Denn auch wenn mich dessen Freundin beim Grinsen zumeist an das erinnert, was bei mir früher in Käfigen hin und herwetzte und ignoranten Blickes mit Trockenfutter warf, so ist das noch lange kein Grund für Neid. Und glaubt mir, auch der Grund zum Penisneid wird hierbei sicherlich überbewertet werden.
Denn auch wenn Luce Hähnchenbrust im Tanktop und in Werbeplakaten den Harten markiert, so könnte ich diesen nur als Ersatz für eine tote Katze ernst nehmen, aber mitnichten als einen Liebhaber. Wenn ich ein Mädel wäre, wohlgemerkt. Mein momentanes Wesen hingegen kann diesen noch nicht einmal als Geschlechtgenossen ansehen, ohne bitter aufstoßen zu mussen. Oder einmal mehr wüst über den Irrsinn des Begriffes »Liebe« auflachen zu wollen.

Wirkt er doch eher wie etwas, das man neben den großen Plüschbär setzt, über den Kopf streichelt und ein »Das wird schon, wenn du mal groß bist« ins Milchgrinsen vorbrabbelt. Doch die Groupies stehen drauf und terrorisieren die ohnehin schon pubertätsgestraften Erzeuger mit diesbezüglichem TV-Geplärre sowie mp3-Gejaule. Und giegsen und glucksen und schmachten und beginnen am Ende noch einzunässen.
Während die Mutter resignierend gegen die Migräne kämpft und sich der Vater fragt, ob die drei Minuten Spaß nun das alles wert waren. Oder ob ein Fleck im Lacken nicht die vernünftigere Wahl gewesen wäre. Spätestens dann, wenn er bei der nächsten Wiederholung den letzten Tropfen Brennspiritus auf dem Couchtisch erbricht, weil Papas Einzelkindprinzessin schon die letzten Kröten für die Single und Poster, für Shirts und I-love-Dir-Hänni-Tattoo geschnorrt hatte. Sowie für alldas überteuerte Merchandis-Gerümpel, dem heimlichen Dildo aller x-chromosomierten Jung-Hormonkollabierenden, zum Fenster hinaus warf.

Da nützte es auch nicht, wenn der DSDS-Heintje auch hierbei einen Hauch von Klarsicht offerierte und ein „Don´t Think About Me“ neben die Fönfrisur krakeln ließ. Wobei. An den Knilch denken soll ohnehin niemand. Genügt es doch in offenherziger Gedankenlosigkeit den ganzen Ramsch zu kaufen. Somit bleiben auch diese Worte der Einsicht nur der goldene Schuss für den guten Geschmack.
Während sich der kulturbewusste interessierte Leser weiterhin fragt, was denn nun aus der großen Liebe unserer…unseres Luca Hänpelmann werden wird. Wird er sich noch mit dem wandelnden Relikt seiner Vergangenheit herumquält? Hat er denn von seinem großen Mentor noch nicht die erste fundamentale Lektion des Biz erhalten?

Nämlich dass man als »Mega-Geilbutt von einem Star« keine alten Flunder mehr im Schlepptau zu haben braucht. Sondern im Backfischmeer seine Fänge nach all den ganz scharfen Hechten auswerfen kann. Zumal die einem ohnehin alle frei und willig ins Netz hüpfen werden.
Nur einmal das aktuellen Schmachtposter in die Massen gehalten und man kann eine ähnliche Wirkung wie beim Dynamitfischen bewundern. Nämlich dass nach einem explosionsartigen Kreischgewitter alle jungen Dinger im üppigen Radius mit den Tittchen nach oben brachliegen. Erstarrt und regungslos, als würde bei jenem Bumbeidschi selbst Gott vor Neid, und mit steifem Hals, aus allen Wolken plumpsen.
Und wenn der Knabe clever ist, dann scheißt auch er auf diese debilen Floskeln von Liebe, am besten noch „ewig“, selten so gelacht, und Treue und hält anschließend dieses Dossier der Selbstbestimmung seiner noch Anlandgezogenen so lange unter die Nase, bis diese freiwillig das Feld räumt. Um dann, in aller Erwartung an die ersten Pyjamakleckerei, schon einmal die ersten dreißig Groupies strategisch in den Hotelzimmern zu verteilen.

Man lebt ja schließlich nur einmal. Und gewinnt somit wenigstens eine mehr, die einen nicht mit dem seligen Grinsen der Triebbefriedigung angrient. Es ist zu dieser Jahreszeit ohnehin wieder grässlich geworden. Überall verschandelt krepeliges Hochzeitsgestrüpp die Eingänge der Plattenbauten. Überall wird sich begrabscht, angefasst, der wässige Fresslugenlappen sonst wohin gezogen, geknappert und geknutscht. Als hätte man es mit tollwütigen Chimpansen zu tun, bei denen der Betäubungsschuss im Hintern zu wirken beginnt.
Überall diese gehässige Prahlerei mit der Unglaublichkeit des Zusammenfindens. Es wird getan, wozu einem Trieb und Hormone zwingen, ja granz großes Kino, aber ich verfalle darüber erst später in überschwänglichen Beifall, wenn es Recht ist. Als wenn man nichts besseres zutun hätte, als durch solche Hormonhornochsen die eigene Sinnlosigkeit widergespiegelt zu bekommen.

Selbst jede Gazette, deren Inhalte einem beim Aufschlagen so stockbieder entgegenstauben, dass noch nicht einmal Alice Schwarzer persönlich Gründe findet, um gegen eine neu entfachte Verletzung der Redlichkeit des zugeknöpften Freuzimmers zu krakeelen, belästigt mit den Anbandelungen zur allgemeinen Popbereitschaft. Prinzesschen Luisa Stephanie von und zu Fickmichdoch flirtete heftig mit Prinzensohn Lustus von Molch; beispielsweise.
Ja meine Fresse. Ein anderes Thema kenne ich aus meiner Pornosammlung auch nicht. Wo ist da der Unterschied. Nur dass edel bis abgefucktes Weiberfleisch nicht so blöde an der Kamera vorbei grinst, sondern das Lästermaul endlich mal für nützliche Dinge nutzt. Und auch nicht so derart egoistisch zugeknöpft daherkommt, sondern ehrewert gemeinschaftlich denkend aufzeigt, wozu man diese überhaupt noch frei herumlaufen lässt.

Ach wie putzig, es funkte zwischen den beiden. Gefunkt hat mit Sicherheit nichts, eher im Schritt gesabbert oder gekniffen, wenn man mich fragt. Denn das einzige, was zwischen Menschen funkt, ist der Motor der Geflügelschere, wenn der, die oder das Alte einmal zu oft auf die Eier ging.
Doch so was muss man sich nun ständig antun. Als wäre es eine Berichterstattung wert. Man hat sich getroffen, ja mein Gott, wozu wurde man sonst auf diese Halde gepresst. Zum fröhlich sein und singen? Wobei, wenn ich mir diesen Stuka der Unterhaltung so anschaue, dann würde ich diese These glatt an die nächste Swinger-Tür schlagen.

[…]Bus-Drama: Fahrerin hat Mitleid mit sich […] Eine Polizeibeamtin verursachte 2010 einen Unfall mit 14 Toten. Beim Prozess schweigt sie über die Opfer. […] Vierzehn tote Menschen, darunter ein Mädchen, das am 13. Geburtstag starb. 35 Schwerverletzte. Darüber verliert die Frau kein Wort. […] Karoline (13) starb im Todes-Bus […] Um 10.47 Uhr am Sonntag, als das Unglück auf der A 10 am Schönefelder Kreuz passierte, waren die 47 Passagiere und zwei Busfahrer gerade 13 Stunden unterwegs. […] An Bord nur ein Kind, Karoline. Ihr 13. Geburtstag wurde zu ihrem Todestag. Sie hatte die Fahrt von ihrer Großmutter Maria und den Eltern geschenkt bekommen, weil sie so gute Zeugnisse hatte. Kurz vor dem schrecklichen Unfall telefonierte Karoline fröhlich mit zu Hause: „Mama, wir sind schon in Berlin, in drei Stunden bin ich da!“. Dann raste der rote Mercedes auf die Autobahn, rammte ihren Bus, der gegen einen Brückenpfeiler knallte. Die ganze linke Seite wurde aufgeschlitzt, die Menschen im Bus hatten keine Chance. […] Maria Z. (52) überlebte das Bus-Drama auf der A 10 schwer verletzt. Sie wird wahrscheinlich wieder gesund werden, die Ärzte kümmern sich um ihre vielen Brüche. Das Schreckliche aber konnten die Mediziner ihr noch nicht sagen. Dass ihre Enkelin Karoline (13), die neben ihr im Bus gesessen hatte, bei dem Unglück starb. […] In Westpommern wurde für Dienstag eine eintägige Trauer ausgerufen, in Brandenburg wehten die Flaggen am Montag auf halbmast, die Hauptstadt gedenkt im Berliner Dom der 13 Toten. In der Kirche wurde ein Tisch mit Kerzen aufgestellt, darauf liegt ein Gebet. […]

Photobucketas wären die Journalisten ohne die drei T-Stahlträger des Erfolgs. Jene, die wie die heiligen Siegessäulen thronend, durch wüsten Medienlandschaft pflügen: Titten, Tote, Terror. Auch wenn das im Kern alles auf dasselbe hinauslaufen vermag.

Umso besser, dann muss man als empathieemanzipierte Leseratte wenigstens nur einmal denken. Von daher gestatte man es mir, dass ich ein euphorisches »Yieeha« an den Monitor spucke. Oder wie wäre es mit einem aussagekräftigeren wie gebrüllten »Yippie-Kai-Yay, Motherfucker!« Denn wann gelingt es schon einmal, alle drei T-Träger der erfolgsversprechenden Sensationsgeschichte zeitgleich unter ein Foto zu stampfen.
Zugegeben, ein paar Kompromisse sind dafür draufgegangen. Wenn auch nicht die Toten, die gibt gab es glücklicher Weise wirklich. Auch wenn sich dabei wieder irgend so ein Opportunist in den Vordergrund sterben musst und einem einen schönen Bonus versaute. Nämlich die Zahl 13.
Musste man sich doch schon zähneknirschend eingestehen, dass es kein Freitag gewesen war, sondern nur ein allzu trivialer Montag…das der Pöbel aber auch nicht einmal journalistisch anspruchsvoll verrecken kann.
Obwohl doch alles so schön hätte zusammenpasst können. 13 Tote wären es am Tage des Todes-Busses gewesen. 13 Stunden unterwegs. Ein 13 Jahre altes Girlie. Und obendrein noch die Tatsache, dass die Zahl 13 ohnehin als die Glückzahl schlechthin verschrien ist. Was für ein Fang. Aber nein die Perfektion innerhalb der Schlagzeile wurde so derart egoistisch sabotiert.

Apropos Schlagzeile und vor allem »Tatsachen«. Auch ein T, das man noch in den Kreis der erfolgsjournalistischen Heilsbringer zerren könnte. Was jedoch verständlicher Weise gerne, und mit allzu lässiger Lässigkeit, vernachlässigt wird. Denn seien sie ehrlich, so eine Tatsache muss erst noch kostspielig abgefüllt werden. Und welcher Reporter schreibt dieses gerne auf seine Spesenabrechnung, vor allem noch ohne dass es auffällt. Schließlich steht er in der Pflicht, niemanden mit dem Anblick nüchterner Tatsachen zu langweilen.

Aber zurück zur Vergleichsziehung für unseren boulevarden Hauptgewinn. Der Segen der Toten wurde abgeharkt. Auch wenn diese schon längst verscharrt wurden. Der Terror? Hierbei sollte fairer Weise das Zugeständnis ausgesprochen werden, dass es sich nur um einen banalen Unfall handelt.
Wessen Oma fällt da noch vor Schreck das Gebiss ins Glas und welches Plag bekommt man mit solcher Alltäglichkeit noch zum kollektiven Mitbrüllen. Doch wollen wir einmal nicht peinlicher sein als der Papst und bleiben realistisch. Und unterstellen erfahrungsgemäß, dass derartiges auf ein kleines Lokalmagazin schon wie ein offenkundiger Terrorakt wirkt. Somit auf die quantitativen und qualitativen Unterschiede zwischen eingekrachten Hochhäusern und eingedrücktem Reisebus geschissen. Solche Berichterstattung stinkt ohnehin schon zum Himmel, somit juckt das auch keinen mehr in dessen neugierigen Zinken.

Wurde etwas vergessen? Selbstredend, der Punkt Eins. Der Aufhänger schlechthin. Die Titten. Was der Tratsch und das Turteln von Thronfolgern für die Auf-den-Sack-Gängerinnen ist, das sind die Titten für den Sackträger. Am besten noch Titten neben einen Truck oder Teutonenbike. Schade drum, nur Titten hinter dem Steuer des Unfallwagens. Aber auch das wird dem Alpha-Prollmännchen schon genügen, um wieder seine charmant-chauvinistische Kleingeisterei über den Stammtisch zu rülpsen.
Bei solchen Plätzen der gepflegten Debatten und der hohen Konversation würden all die weitläufigeren Gedanken ohnehin nur in all den Erdnuss-Speichel-Lachen ersaufen. Und wenn nicht, dann sich allerhöchstens als Tunnelblick ihres Selbst auf die morastigen Bierdeckel retten.

Wobei die Tittenquote in Verbindung mit einer 13jährigen nicht gerade gesellschaftstauglich ist. Bei der Zielgruppe, die man damit anlockt, steigt einem allerhöchstens der Chefredakteur auf den Schreibtisch, aber definitiv nicht der Erfolg zum Kopf. Wieder so einen Sabotage der Schlagzeile. Am besten man verklagt die Erzeuger auf unterlassene Hilfeleistung, ist ja schließlich deren Schuld, dass die Kleine erst 13 und nicht schon 18 gewesen war. Wobei, je älter die Hauptattraktion des Berichtes, desto wirkungsloser der Trauertränen-Faktor. Dann lieber nur Terror und Tote. Und somit für die brave Hausfrau mehr zum Jammern.

Vor allem nun, da der zweite Jahrestag dieser gelungen Berichterstattung ansteht. Und zum Tage der Gerichtsverhaltung mit allem gewohnten Einfühlungsvermögen die alten Reporte so hinterfotzig nebensächlich wie augenscheinlich offensichtlich aus ihrem Hades gezogen und als selbstlose Beilage nebendran getackert wurden. Gelungenes präsentiert man nun einmal gerne mehrmals.
Und dafür lohnt es sich erst recht wieder die Opfer zu exhumieren und ihre Ruhestätten zu schänden. Schließlich ist es dem Regionalreporter nicht jeden Tag vergönnt, so ein Tränendrüsen-Theater zu inszenieren. Und jeder große Künstler hält schließlich auch weiterhin seinen alten Scheiß ungefragt ins blasierte Publikum.

Vorallem, da dieser Spannungsbogen schon beleidigend nahe an große Kunst gereicht: Ein Mädchen, in der Blüte ihrer Jugend. In der Entdeckung ihres Selbst. In der Entdeckung der Liebe, der Offenherzigkeiten des Lebens. Im Bewusstsein ihrer Zukunft sowie zu allem Streben in der Schule bereit. Keines dieser modernen zivilisationsverwahrlosten Gören, die reihenweise die Kippenautomaten und Parks belagern und von keinem vermisst werden würden.
Nein, die Tochter, die jeder haben will. Am Tage des Geburtstages. In freudiger Erwartung ihrer Party. Die Eltern in Vorbereitung und freudiger Erwartung ihrer Rückkehr. Was für eine gegenseitige Überschlagung der Freuden im gekonnten Kontrast zur sich fast überschlagender Karosserie.
Was für ein Ende. Was für eine Geschichte. Rekonstruiert unter den Richtlinien der BILDhaftesten Pietät und veröffentlicht unter der Motivation zutiefster Anteilnahme.
Und dann gelingt es auch noch, so ganz nebenher, das voyeuristische Verlangen der Leserschaft zu befriedigen. Und gleichzeitig so ein Paradebeispiel für einen Offenbarungseid redaktioneller Widerwärtigkeit zu präsentieren.

Da darf ruhig auch ganz unverbindlich nebenher wieder daran zurückerinnert werden. Aber ich hoffe doch, dass den Angehörigen ein Gratisexemplar der Neuauflage ihres Alptraums geschickt wird. Als kleiner Dank dafür, dass deren Familie so selbstlos mitgespielt hatte. Und damit sie diesen schönen Tag auch nie vergessen werden.
Vor allem wäre ich dafür, dass jene Erzeuger des 13jährigen Mädels dieses gleich im schicken Geschenkpapier geschickt bekommen. Schließlich hat man nun einmal im Leben Todes-und Geburtstag; und das am gleichen Tag, was für eine Zeitersparnis.
Und damit es nicht auffällt, dass speziell jene Jugendliche noch einmal aus ihrer Ruhestätte gezogen worden war. Das Gesicht gepudert und den seidenen Faden um den Hals gelegt bekam, um damit noch einmal im prächtigen Schwung durch die Manege gezogen zu werden.

Während der applaudierende Pöbel »da Capo« blökt und zum zweiten Durchlauf dieses Meisterwerks von einer antiken Tragödie mit dem süffisanten »Gefällt mir«-Klick zum Fratzenbuch würdigt. Es sich erneut im Elendsvoyourismus labt und jedes Detail gierig aufnimmt. Welch´ ein Leid für die Familie, welch´ ein Glück, dass es uns nicht traf.
Das Mitleid als Reflex konditionierter Gesellschaftstauglichkeit. Man liest nicht für die Barmherzigkeit, man will die Details nicht aufgrund von Anteilnahme erfahren. Man will sich suhlen in der Gewissheit, dass es denen nun beschissener geht, als einem selbst. Und sich im Glücke baden, dass es nicht einen selber getroffen hatte. Anteilnahme und Mitgefühl vergären somit zum Pissstrahl der eigenen Erleichterung.

Post scriptum: Die heutige Presse hat nichts so nötig, wie einen Geistesblitzableiter. -Ephraim Kishon

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