BILD mir meine Meinung

Photobucketer kennt es nicht, dass Sinnbild des Journalismus. Schonungslos recherchiert und von solch einer unparteiischen Objektivität durchdrungen, dass dagegen selbst die Justitia voreingenommen wirkt. Die Rede ist natürlich von der BILD, dem Bollwerk der typografischen Hierarchie, welche ihren Namen zwei Aspekten verdankte:
Zum einen setze diese »Zeitung« in ihren Kindheitstagen fast ausschließlich auf Bildaussagen. Dieses war wohl von der mittelalterlicher Malerei inspiriert, als sich der Künstler des Analphabetentums der Betrachter noch bewusst sein durfte. Und ehrlich gesagt hat man beim Überfliegen der heutzutage doch recht üppigen Textblöcke noch immer nicht das Gefühl, dass dieses Papier wirklich für den Wortgebrauch bedruckt wird.
Zum anderen verdiente sich die BILD die Aberkennung des Beipackbegriffes »Zeitung«
Gründe, die schon für die inhaltliche Qualität sprechen und die von der Redaktion seit Jahrzehnten gepflegt und kultiviert wurden. So lernen wir täglich Neues aus dem Pool deutschstämmiger Unverfrorenheit. Bilden uns in den Kategorien weiter, die zum täglichen Kraftstoff des Intellekts gehören. Skandale, Titten, Leidvoyeurismus, Falschmeldungen, Hetze, Fußball, Trivialitätsfetisch, Wetterbericht, Verschwörungstheorien, Rechtsmissachtung und nicht zu vergessen: Meinungsbildung.

Ein Blatt, das man womöglich für die Belustigung oder die Befriedigung des geistigen Masochismus lesen könnten, aber nicht unbedingt mit dem Gedanken oder der Hoffnung auf Qualitätsjournalismus lesen sollte. Denn was kann man darin schon täglich wie pauschal glauben? Den Wetterbericht? Wahrscheinlich. Aber wer heutzutage für dieses Wissen Geld investiert ist selber schuld. Zumal ein Blick gen Himmel oder auf die Wetterstation genügt, um das Tagesklima selbst zu erahnen. Und sei dieses nur gefühlt.

Den Sportteil? Möglich. Aber wer liest das schon. Davon mal abgesehen interessiert den geneigten BILDleser Sport ebensowenig wie fundiertes Wissen über den Wahrheitsgehalt der restlichen Artikel. Beglücken dabei doch nur die losgelösten magischen Zahlen des ballrunden Heiligtums des Deutschprolls. Nämlich die Statistik des Fußballs. Und dieses hat bekanntlich mit dem Begriff des Sports nur noch marginal zu tun. Wird aber von seiner Wichtigkeit her so aufgeblasen, dass man nur heimlich hinter verdeckender Hand gestehen darf, dass man auch Sportarten fern dieses Nationalgutes huldigt. Oder sogar soviel Unverfrorenheit besitzt, dass man Frauenfußball mehr schätzt, als dieses Getue der überbezahlten Testosteronschwengel.

Wozu ist der Sportteil also gut? Damit sich der Standarddeutsche noch sportlich fühlen kann? Damit er sich nicht der Realität seine trägen Biomasse hingeben muss, die womöglich gänzlich zu verfetten droht. Damit er unterbewusst seinen Traum von Leistung auf die letzte Spielstatistik projiziert. Sich derer annimmt, als wäre das Resultat sein eigen und damit seiner Kraft zu verdanken. Sich dann bei dem Hirngespinst, nämlich derartiges geleistet zu haben, besonders toll vorkommt. Im Rausch des Sieges die unbedeutende Monotonie seiner gelangweilten Existenz vergisst und sich dabei nicht entblödet auch emotional auf das Gegenteil zu reagieren. Wenn er dann abends mit Fresssalieren und gegorenem Hopfensaft nach deutschem Reinheitsgebot die Spieler in der Mattscheibe anschreit. Deren Fehlverhalten verflucht und natürlich aus dem Reichtum der eigenen Erfahrungen sofort die Spielertaktik zu verbessern weiß. Obwohl diesem selbsternannten Kommentator schon nach dem Treppenstieg die Schweißperlen auf der Stirn standen. Er beim Stehpinkeln nur noch aufgrund von Erfahrung und nicht durch Sichtmöglichkeit den Reißverschluss findet. Oder dieser über soviel spielerisches Geschick verfügt, dass er selber den Ball zum umkippen bringen könnte.
Solche Exemplare des Maskulinum schwelgen natürlich im BILDsportteil und übertragen dessen Glaubhaftigkeit auch auf die restlichen Seiten.

Wann immer ich diese Verkaufsboxen sehen oder diese Lakaien erleben muss, die ab sechs Uhr morgens vor dem Bahnhof patrouillieren und dieses Blatt anpreisen -im Winter wohl besonders spaßig- wann immer ich in Läden die angeprangerten Schlagzeilen im Kassenblickfeld ertragen muss, frage ich mich: Wer liest so etwas. Oder noch schlimmer: Wer gibt dafür Geld aus. Wobei diese Frage rein rhetorischer Natur ist, denn man kann sie überall sehen, die Personifizierung der klassischen BILDleser, welche das Klischee nicht von irgendwoher kommen lassen.

Der pseudointellektuelle gealterte Angestellte, welcher sich mit bedächtiger Mine über das momentane Zeitgeschehen des großdeutschen Medienreiches zu informieren gedenkt. Der stolze Vollproll, der neben der Bierflasche in der Hand, die BILD zum Sprachrohr zusammengerollt in die Arschtasche quetschte. Und der Anwärter der sogenannten deutschen Elite. Der Hoffnungsträger der Leistungsgesellschaft: der Abiturient. Welcher diese als Fibel für den Lernprozess des Erwachsenwerdens begreift. Weitere Beispiele sind mir noch nicht untergekommen, dürfen aber gerne ergänzt werden. Da ich vermute, dass sich die Lektüre durch sämtliche Schichten, Milieus, Kreise oder Klientele zieht. Wie die FAZ sämtliche Wirtschaftsverklärer und Sozialprediger anspricht, so folgt der gemeine Deutsche Durchschnittsgeist dem Lockruf der BILD.

Ist dieses Blatt aber nun riskant oder amüsant. Laut den Wächtern des BILDblogs wohl beides zusammengenommen. Wobei ich eher zu »riskant« tendiere. Auch wenn laut der Statistik von Wikipedia die Auflage nur rund 3.000.000 Exemplare beträgt und somit 78.000.000 Einwohner Deutschlands aufatmen können. Und auch wenn man darüber überheblich schmunzeln könnte, dass die Leserschaft zu 45% aus Hauptschülern besteht, so sollte man die Macht dieses Blattes nicht unterschätzen. Denn die wenigstens werden es mit dem nötigen Abstand lesen. Das sind wohl nur diese, denen es im Grunde egal ist, was darin steht und was sie gerade überfliegen. Diese wollen nur die Mittagspause nicht schon wieder in der Stille ihrer Gedanken verbringen. Die meisten aber glauben den Worten, frönen dem Inhalt und modifizieren damit ihr eigenes Denken.

Da nützt es auch nichts, wenn sich der BILDblog für die Richtigstellung und Kommentierung so mancher Artikel einsetzt. Dieses redigierte Wissen wird nur von denen wahrgenommen, welche die BILD sowieso nur 3lagig benutzen würden. Alle anderen haben dafür keinen Speicherplatz mehr. Diese sind froh, wenn es ihnen schon gelingt, die ersten Thesen und Daten aufzugreifen. Was ja nicht weiter schlimm wäre, denn niemand wird zur Kommunikation mit solchen Menschen gezwungen. Allerdings gelingt es denen, trotz des randvollen Speicherplatzes, dieses Wissen undurchdacht in Richtung ahnungsloser Mitmenschen zu blöken. Wobei noch die wässrige eigene Meinung mit zudem unverdauten Textbrocken hinterhersuppt. Glücklich ist der, der sich müde lächeln das Gesicht sauberwischen kann und sich davon nicht infizieren lässt.

Der Gerechtigkeit wegen muss man sagen, dass sich kein Tagesblatt seine Leser aussuchen kann. Egal wie peinlich es ist, dass sich in der Umfrage 19% nicht mehr daran erinnern können, welchen Schulabschluss sie erreichten. Oder den Fragen mit zwei Gegenfragen, ähnlich: »Schule? Abschluss?«, kontern mussten. Aber Fakt ist, dass jeder Leser das Blatt bekommt, das er verdient. Somit wäre es vermessen, die BILD für das geistige Verhalten seiner Leserschaft zur Verantwortung zu ziehen.
Womöglich waren allein diese Leser der Anstoß dafür, dass sich BILD irgendwann ernst genug nahm, um neuen Angestellten gegenüber die einste Absicht als journalistisches Satireblatt zu verheimlichen. Andererseits, kein andres Blatt verstand es so gut, die sogenannte »vierte Staatsgewalt« zum eigenen Dogma zu erheben und mit journalistischen Springerstiefeln zu verteidigen. Was sogar soweit ging, dass der Chefredakteur über journalistisches Fehlverhalten gegenüber seiner Person klagte, welches in seinem Arbeitskreis Gang und Gebe ist. Funktionierte aber trotz der deutschen Justizlogik nicht. Was mich fast schon wunderte und zugleich amüsierte.

Aber vielleicht tue ich diesem Blatt ja unrecht. Möglich, denn meine Meinung steht immerhin auch gegen einige Aussage der intellektuellen Oberschicht Deutschlands. Denn wieviele verteidigten schon mit Stolz und Werbehonorar die BILD im Bilde der Stadtwerbung.
Wobei da wahrscheinlich das Honorar überwog. Wie beispielsweise bei jener Kampagne Anfang des vorigen Jahres. Viele landesgeschätzte Persönlichkeiten ekelten sich nicht davor, mit dem BILDLogo auf einer Ebene, sogar auf einem Werbeplakat zu erscheinen. Bei manchen hat es mich gar nicht erst gewundert. Aber einige fielen damit bei mir in den Mülleimer menschlicher Durchschnittsmasse, obwohl mir diese bis dato recht sympathisch waren. Da nützt es auch nichts, wenn man versuchte seine Kooperation damit zu kompensieren oder gar zu rechtfertigen, dass man anstatt einer vordiktieren Lobeshymne das Werbematerial mit diplomatischer Kritik ebensolcher fragwürdigen Authentizität füllte. Auch wenn es beispielsweise Gregor Gysi mit »Gelegentlich lese ich die Bild, um zu wissen, was Millionen Leserinnen und Leser denken sollen. Spass macht mir die eine oder andere Gegendarstellung« auf den Punkt brachte.

Dennoch ändert sich nichts an der Tatsache. Das war keine Aufklärungsarbeit, das war keine Kritik, das war einzig und allein Werbung. Reklame für ein »Drecksblatt, mit dem man toten Fisch beleidigt, wenn man ihn damit einwickelt« (O-Ton Volker Pispers) Also stellt sich doch die Frage, wieviel der Axel Springer Verlag springen lassen musste oder wieviel innerliche Sympathie doch vorhanden sein muss, damit man die Werbeanfrage nicht einfach schmunzelnd im Schredder versinken lässt oder jene Plakate mit dem vulgär-ordinären Euphemismus »Fickt euch« über dem Portrait verschönert. Sondern sich stattdessen Mühe zur rhetorisch geschickten Kritik gibt und zudem mit Kussmund, Wachsmalstiften oder Bildschnipsen garniert.
Schwarze WerbungJeder ist wohl käuflich, das liegt in der Natur der Marktwirtschaft und damit in der Natur des Menschen. Losgelöst von jedem Ideal, von jeder Hinterfragung und frei jeglicher moralischer Prinzipien. Damit sollte es einen eigentlich auch nicht wundern, dass BILD für eine vorhergehende Webebotschaft selbst die Galionsfigur des weiblichen Querulantentums schanghaien konnte. Oder besser gesagt: unsere Frauenkämpferin stellte sich ja ganz freiwillig ins rechte Licht. Alice Schwarzer. Das personifizierte Wort des Feminismus warb für die BILD.
Ganz recht: Alice Schwarzer. Die mir ab dem Tag sympathisch wurde, als ich im Studium -genauer gesagt in den Kursen über Fotografie- erfuhr, wie vehement sie gegen Helmut Newton wetterte. Ein australischer Fotograf, oder besser gesagt der australische Fotograf, der sich erdreistete eine eigene Interpretation der femininen Schönheit und Ausstrahlung auf Rollfilm zu bannen.

Ein Fotograf, dessen Verständnisses von Schönheit und weiblicher Sexualität von der Kunst rückblickend als »bahnbrechend« geadelt wurde, animierte Frau Schwarzer zu einem Schmähartikel in der Winterausgabe der EMMA 1993. In der sie seine Bilder und das damit verkörperte Frauenbild als sexistisch, rassistisch, faschistisch und was nicht alles titulierte. Nun gut, jedem seine Meinung. Kein Thema. Und jedem Bild seine Meinung. Aber eine Frau Schwarzer, die so gegen provokative Kunst schimpfte, warb nun für die BILD? Freiwillig. Wissend. Im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte.
Ein Blatt, das schätzungsweise von 56% der Käuferschaft nur wegen den Titten auf der Rückseite erworben wird. Das ist dort kein künstlerisches Abbild, Frau Schwarzer. Auch wenn man diesen Aufnahmen schwer einer rassistischen oder gar faschistischen Gesinnung zuordnen kann. So ist die Art und Weise der Fotografie -ohne auf den dazugehörigen Text anzuspielen- reinste Fleischbeschau. Die Frau als Wichsvorlage, die Nippel als Blickfänger und der Körper als Triebanimation. Wenn sich das entgegen Newtons Kunsterbe mit dem feministischen Grundgedanken vereinbaren lässt, so soll es dann so sein. Ich bin da aber skeptisch.

Aber dennoch setzte sie damit ein Wahrzeichen für BILD und die deutsche Mentalität schlechthin. Somit hätte kein(e) anderer(e) dort stehen können. Vielleicht war auch gerade das die Absicht, aber dann hätte sie es schon gesagt und nicht die verwunderten Blicke aufseiten der enttäuschten Frauen und verblüfften Männer mit der Antwort abgespeist: »Ich finde, dass es nicht schaden kann, wenn in so einer Runde – von Gandhi bis Willy Brandt – auch mal eine Frau auftaucht. Und eine sehr lebendige noch dazu.« Davon mal abgesehen wird man bei Gandhi und Willy Brandt wohl auch keine Freiwilligkeit hinter der Werbewirksamkeit finden können. Was nach dem Ableben mit dem Abbild passiert kann keiner beeinflussen. Aber was vorher damit geschied sollte sich schon jeder gut überlegen.

In diesem Sinne,
lest BILD, denn drei Millionen Leser können nicht irren…

[ Bilderquelle: http://pinwand.musagetes.de]

2 Gedanken zu „BILD mir meine Meinung

  1. Ein Beitrag der mir entgangen ist, vielen Dank für die Erinnerung.

    Jedes Land hat seine Schmierblättchen, wenn man sich bewusst macht das dieses Blatt mit ernsthaftem Journalismus nichts zu tun hat, kann man sich auch mal entspannt durch die Bilder blätten. Man entdeckt immer wieder Sachen, die noch empörender sind als die Sachen davor.

    „Jeder ist wohl käuflich.“ – Wie hoch ist Dein Preis?

    Aprospos Titten, sind die nicht immer auf der Vorderseite? Jedenfalls liegt hier eine Ausgabe mit Jenny (22), Rechtsanwaltsgehilfin, aha. Sie liest gerne. Soso.

  2. […]wenn man sich bewusst macht das dieses Blatt mit ernsthaftem Journalismus nichts zu tun hat, kann man sich auch mal entspannt durch die Bilder blätten.[…]

    Man selber könnte das, weil man diesen Abstand hegt. Doch oft genug berufen sich auch andere journalistische Institutionen darauf. Zu viele nehmen das ernst, halten das für saubere Objektivität und für glaubhaft recherchiert. Zudem geben sich diese der Polemik und der Informationsfilterung hin.
    Das geht sogar soweit, dass ich in einem Seminar saß, indem mit Zitaten aus der BILD argumentiert wurde. Ich hätte am liebsten laut aufgeschrieen.

    […]“Jeder ist wohl käuflich.” – Wie hoch ist Dein Preis?[…]

    Ich weiß es nicht. Ich bin keine Lichtgestalt, um zu sagen: unendlich hoch. Derartigen Idealismus hat so gut wie keiner. Nicht in einem Land, dessen Marktwirtschaft die Mentalität prägt. Für 10.000 € Spendenhonorar wäre es auch für mich einfach ein »Fickt euch« als Antwort zu geben.
    Bei 10 Million würde ich wohl in diese Richtung nicht mehr groß überlegen müssen. Das wäre dann Geld genug, um davon Anti-BILD-Kampagnen zu finanzieren.
    Ich behaupte einmal ganz frech, dass jeder seinen Preis hat. Denn Idealismus und Prinzipien sind ein reines Gedankenkonstrukt. Ein Richtwert im Leben ohne weitreichenden Nutzen. Geld ist greifbar und nur mit diesem können Idealismus wie Prinzipen zu Taten erhoben werden. Klingt jetzt vielleicht nicht sehr kämpferisch und heldenhaft, aber zumindest tief menschlich.

    […]Aprospos Titten, sind die nicht immer auf der Vorderseite? Jedenfalls liegt hier eine Ausgabe mit Jenny (22), Rechtsanwaltsgehilfin, aha. Sie liest gerne. Soso.[…]

    Ach. Doch schon so weit vorne angekommen. Da muss ich wohl noch mal genauer recherchieren… Sinnvoll wäre es ja sämtliche großen Inhalte auf das Titelblatt zu verfrachten.
    Ich merke gerade, bei dem thematisch passende Auftritt des geschätzten wie zurückhaltenden Serdar Somuncu befindet sich die Kaufanimationsdame ebenfalls auf der Vorderseite. So ein Ärger, in meiner Erinnerung von 1999 war die noch hinten versteckt.
    Allerdings würde dann niemand so schnell erfahren, dass die dralle Rechtswaltsgehilfin Jenny, in Kammern 22, gerne liest. Wow, lesen, in einer Kanzlei und das auch noch gerne…sagenhaft.

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