Terra incognita panoptika

Photobucketommer 2009. Die Luft war warm und der Morgen still. So wie immer. Die Dämmerung war noch nicht vergessen und die Bahnhofsuhr zeigte mit ihren stilisierten Zeigern auf 5:36 Uhr. Ein Zeitansage, die diese gar nicht mehr nötig hatte. Da die letzten Jahr nur einer darauf angewiesen gewesen war. Ich. Und ich kannte die Zeit, die sich routiniert wiederholte. Ich war mir auch ohne Uhr dieser Zeit sicher, da zu jenem Moment die Bahn einfuhr, die ich nun zum ersten und zum letzten Mal besteigen sollte.
Zum ersten Mal, weil dieser Tag eine Spannung besaß, die mir zwar nicht unbekannt war, aber jedes Mal auf´s Neue durchlebt werden wollte. Der Tag der mündlichen Abschlussprüfung. Die schriftlichen Leistungsbestätigungen lagen schon hinter mir. Lagen hinter uns allen. Die kleine Gruppe von Kommilitonen, die wir über Jahre gemeinsam eine Zeit erlebten, die für mich zu der lebenswertesten meines bisherigen Daseins gezählt werden kann. Aber was sage ich »Kommilitonen«, derer waren wir letztendlich nur drei. Die restlichen siebenundsiebzig Prozent waren Kommilitoninnen. Gerne denke ich daran zurück. Und darf auch hierbei wieder erfahren, dass Erinnerung auch lohnend sein kann. Das wusste ich schon damals, als ich die Bahn bestieg.

Zum letzten Mal, da nach diesem Tag, nach den wenigen Stunden bis zu meinem Namen, nichts mehr so sein wird, wie es war. Mein Enthusiasmus bei den schriftlichen Prüfungen wurden von den Korrektoren zumeist mit »sehr gut« honoriert. Etwas, das nun diesem einen Tag sämtliche Angst nahm und allein zur Formalität, zur Kür werden ließ. Was blieb war der Wille diesem Ergebnis und dem Vertrauen der Dozenten gerecht zu werden sowie die Nervosität, da Gelingen oder Scheitern nicht vorhersehbar waren.
Doch danach, nach dem Beifall der Zuhörerschaft. Nachdem sich all die Blicke wieder von meiner Beamerpräsentation und mir lösten und abwechselnd zwischen den Prüfern hin und herwanderten. Nachdem ich deren Nachfragen standhalten konnte und nach Minuten der Wartezeit in das Beratungszimmer gerufen wurde. Nachdem man mir dort gratulierte und mit der Nennung des »sehr gut« eine erfolgreiche Zukunft wünschte. Nachdem ich den Tisch für den nächsten Verteidiger geräumt hatte; danach wird die Fahrt nach Leipzig eine andere werden. Für immer.

Dieses ist nun fast zwei Jahre her. Viele der damaligen Spuren sind von dem Lauf der Zeit verwildert worden. Ein unbeschriebenes Gesetz des Lebens. Menschen erscheinen und Menschen gehen. Und viele von diesen verwischen im Grauton des Vergessen. Viele Momente der Heiterkeit, der Leichtigkeit, des Schaffens im Alleingang oder des Entstehens in der Gruppe werden zwar gefühlvoll in der Erinnerung gepflegt. Doch auch diese altern. Kommen in die Jahre und sterben.
So wie auch die damalige Euphorie längst starb. Der Glaube an die Zukunft und der Glaube an sich selbst. Der an den nicht erfüllten Erwartungen, die ebenso an sich selbst gestellt worden waren, zerbrach. Der Blick zurück auf das Studium bleibt derselbe. Aber dem Blick auf das Zeugnis widerfuhr ein Wandel. Der Stolz korrodierte zur Gleichgültigkeit. Die Zuversicht der Zukunft verebbte zur Verklärung der Vergangenheit.

Was bleibt ist die Erfahrung, die Erinnerung und das Durchstreifen der Seiten des Abschlussprojektes. Indem ein jedes Kapitel zu neuen Seiten des neuen Lebens verhelfen sollte. Stattdessen erliegen diese dem Staub der Stagnation.

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Dem möchte ich entgegenwirken. Ich möchte mir den Tatendrang der sich nun wieder neu erhebenden Natur zunutze mache und aus der Steifheit des Winters treten. Ich möchte mein Abschlussprojekt erneut präsentieren. Aber dieses Mal nicht als Hülle, sondern als Inhalt. Auch und vor allem aufgrund der Tatsache, dass dieser Inhalt seitdem ebenso einem Wandel unterzogen worden war.
Ich möchte mein erstes Buch vortragen. Es lesen, dabei fühlen wie es sich liest und damit in das kalte Wasser springen. Um dahingehend endlich ehrlich mit mir selbst sein zu können.

Die Karte zeigt das Land der Geschichte, noch ohne den Verlauf zu verraten. Es soll ein Einstieg sein. Womöglich auch das letzte Lebenszeichen dieses Projektes. Denn ich werde es nicht in aller Öffentlichkeit vortragen, sondern nur in der kleinen Runde dieses Blogs. Aber zuvor werde ich mich informieren, inwieweit man sich bei youtube und Konsorten prostituieren muss, um dort seine Videos aufzuspielen.
Da ich nicht daran interessiert bin, mit dem Projekt automatisch zum Jagdwild innerhalb einer solchen Landschaft zu werden. Mich interessieren keine Klicks, keine Daumen-runter, keine Videoantworten und keine Kommentare von…welchen wo sich spackenwurst90 nennen tun und nix schreibn wolen nahc ausdruck un sprachnorm, alda.

In diesem Sinne. Womöglich auf bald in diesem Theater. Es sei denn, dass vorhergehen überzeugende Desinteresse bekundet wird.

4 Gedanken zu „Terra incognita panoptika

  1. Ich melde hiermit offiziell großes Interesse an. Was ist das genau für ein Projekt? Ein Buch? Wozu dann Youtube? Welche Videos? Hast du die Karte selber gezeichnet? Fragen über Fragen… ich erwarte gespannt die Antworten.

  2. Antworten über Antworten:

    Was ist das genau für ein Projekt?

    Eine Lesung. Allerdings weder öffentlich noch offiziell. Nur ich, das Buch und die Kamera.
    Ich möchte einmal schauen, ob es mir gelingt überhaupt so vorzulesen, dass man gerne zuhört.
    Zudem möchte ich wissen, ob man aus meinem Buch überhaupt lesen kann. Oder ob die Sprachmelodie und der Satzbau noch immer so…bescheiden sind. Denn das Problem bei eigenen Dingen, wie du ja sicherlich weißt, ist, dass man zumeist nur in Gedanken liest und zu allem Überfluss oft noch aus der Erinnerung heraus.

    Ein Buch?

    In der Tat, ein Buch. Das erste und bis jetzt auch letzte, das ich als Schreiber beendet hatte. Diesem wurde im Zuge des Abschlussprojektes im Kommunikationsdesign ein Gesicht geben. Mit anderen Worten, ich hatte das Design entworfen, den Text gesetzt, das Buch illustriert und mit meinem Buchmacher die Art der Bindung ausgeknobelt.

    Wozu dann Youtube?

    Diese Plattform scheint mir geeignet zu sein. Man kann dort seine Videos hochladen, ohne diese veröffentlichen zu müssen. Das Profil ist angenehm spartanisch und irgendwo muss ich die Filmchen ja zwischenlagern, um sie hier verknüpfen zu können.

    Welche Videos?

    Kombiniere auch Antwort 1 – 3

    Hast du die Karte selber gezeichnet?

    Ja. Wobei »gezeichnet« im digitalen Sinne zu verstehen ist. Ich bin Liebhaber von Büchern, die eine gewisse bibliophile Ausstrahlung besitzen. Ebenso sollte meines auch wirken. Somit ist in dem Buch eine Karte mit eingebunden. Welche die Welt aufzeigt, in der die Geschichte spielt. Hauptsächlich aber den roten Faden aufzeigt. Allerdings ist dieser bei der Karte hier im Blog noch nicht verzeichnet.
    Wenn, dann wird der mit jedem Kapitel mitwachsen, damit der geneigte Höher auch weiß, wo er sich gerade befindet. Ich schätze, ich werde erst ein Testvideo starten, indem ich das Buch vorstelle. Zum üben und zum schauen, ob es überhaupt wirkt oder völlig daneben ist.

  3. Trau dich! Du kannst das Video auch per Plugin einfach nur in deinen Blog einbinden. Damit kannst du Youtube und die „breite Öffentlichkeit“ umgehen. Wann wirst du fertig sein mit dem ersten Teil? Ich bin seeeehr gespannt…wirklich!

  4. Plugin…Hört sich im Grunde recht reizvoll an. Aber das ist etwas für später. Momentan klingt mir noch zu sehr die Gefahr der Inkompatibilität mit. So kann ich einfach youtube damit vollmüllen und vehement die Veröffentlichung untersagen sowie sämtlichen Kommentar lahmlegen. Das genügt mir für´s erste.

    Wann es losgeht? Wenn ich wieder das Geld für eine Flasche Absinth zusammen habe. Nein. Ok…auch. Aber ich habe vor, heute Nacht mal meine Videopräsenz zu testen. Und wenn ich dann nicht gerade wirke wie Christian Anders im Rausch der Verschwörungen, kann es beginnen. Zumindest sowie mir einer der daraufhin angesprochene Testleser wieder das Exemplar zukommen lässt. Das wird theoretisch irgendwann im Laufe der nächsten Woche geschehen.

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