Tag 2 – Das Buch, das du als nächstes liest/lesen willst

Photobucketer »A« schreibt muss auch »B« tippen. Und wer den Tag 1 beschreit, der sollte auch vor dem Tag 2 nicht halt machen. Da nun die paar Minuten Schlaf nicht als die Nachtruhe gewertet werden können, welche die Tage von einander trennt, definiere ich diese unchristliche Uhrzeit noch zum Tag 2 gehörend und belästige mit dem Buch, das ich als nächstes zu lesen gedenke:

Bastian Sick – Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Band 2-4

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 1-3Ich muss gestehen, dass ich weder die original Zwiebelfisch-Kolumnen kannte/kenne, noch dieses Buch am Anfang von dessen Karriere wahrnahm. Doch mittlerweile bin ich begeisterter Leser jener bis dato Quadrologie. Wer hätte gedacht, dass diese grammatikalischen Thesen, welche im Deutschunterricht mehr dazu dienten, dem Schüler neben dem gelangweilt entspannten Plaudern über Sinn und Unsinn so mancher Gedichtszeile, den Spaß an dem Schulfach zu verderben, sich einer solchen Beliebtheit erfreuen. Und aus dem Grammatikfetisch, der dem Germanistikstudenten zuweilen den Ruf des Rechtschreibkorinthenkackers einbrachten, ein Kultstatus wurde.
Dieses zeigt aber, dass es in Deutschland nicht nur die Elite gibt, die sich als letzte Instanz an das Repräsentieren der gestochen scharfen Standardsprache klammert, um einen Existenzgrund für ihre selbst eingeredete Versnobtheit beizubehalten. Sondern, dass auch so manch anderer gerne wieder im Regelwerk der Orthografie schwelgt, ohne gleich des Nachts in einer Kutte gehüllt die düsteren Untergrundkundgebungen der Fruchtbringen Gesellschaft aufzusuchen. Um dort unter dem Palmenwedel seiner Verbalgottheit blutjunge Wortschöpfungen zu opfern und denen bei lebendigem Leibe Konsonanten zu entreißen oder rohe Vokale zu verspeisen. Mitnichten, es zeigt, dass man nicht der einzige ist, der kopfschüttelnd in öffentlichen Verkehrsmitteln oder privaten Sendern Dialekte und Soziolekte erleiden muss, sich fremdschämen darf und sich dabei berechtigt über den Fortbestand der gewohnten Sprachmuster sorgt.
Nun gut, man gab sich Mühe, mir im Studium beizubringen, dass die Sprache als lebendiges abstraktes Wesen einem ständigen Wandel unterworfen ist und Dialekte, ja selbst Soziolekte, ihre Berechtigung haben. Wenn auch nur dadurch, um den Standarddeutschfetischisten zum schmunzeln oder zur Verzweifelung zu bringen.

Aber zurück zum Buch…
Aufmerksam wurde ich über die Hörbuchversion des ersten Bandes und verspürte sogleich den Drang nach mehr. Denn auch wenn ich mir ein solides Sprachgefühl und einen erbaulichen Wortschatz unterstelle, so kann ich bei weiten nicht behaupten in den Feinheiten der deutschen Grammatik standsicher zu sein. War ich doch in meiner Jugend mehr standhaft und zwar gegen jede Form der schulischen Belehrung. Auch wenn ich bis heute stolz darauf bin, immerhin so ein Grammatikverständnis zu besitzen, dass ich spontan und in jeder Lebenssituation den »Futur 2, passiv« bilden kann. Vielleicht würde das ja zumindest in ferner Zukunft einmal von Nutzen gewesen worden sein.
Jedenfalls setzte dieses Buch, wie seine Vorgänger, bei mir zwei Erkenntnisse frei. Zum einen den provozierten Aha-Effekt und der damit verbundene Schmach, in so vielen Fällen eine Geisel der Regionaldeutschversion zu sein. Zum anderen aber auch die Frage, warum ich mich eigentlich so verrückt mache, da ich die im Kapitel verdeutlichte Regel schon längst unbewusst anwendete. Letztere Erkenntnis erhöht schlagartig die Freude am Lesen. Wobei ich gestehen muss, dass diese Freude bis dato ungebrochen ist. Denn wenn ich einen Kritikpunkt nicht teilen kann, so ist es der, dass Bastian Sick Schulmeisterlich daherkommt. Ganz im Gegenteil. In einem locker-flockigen Schreibstil wird das schier unerschöpfliche Regelwerk der deutschen Sprache abgearbeitet und so umschrieben, dass man amüsiert begeistert das Wissen annimmt. Jedenfalls fand ich noch keinen erhobener Zeigerfinger, der plötzlich aus dem Absatz schnellte. Auch ist mir noch kein überhebliches Auftreten des Autors aufgefallen. Zumal der Kolumnenstil, der die Erklärungen anfangs in fiktive Kurzgeschichten hüllte, im vierten Band verstärkt den persönlichen Erfahrungsberichten wich. Die aber zeigen, dass auch der Autor nicht vor dem Hang zur legeren Mundart gefreit ist. Sowie zwischen den Zeilen die Recherchearbeit verdeutlicht, unter denen ein neues Kapitel entstand. Und das lässt den Autor ohnehin noch sympathischer erscheinen.

Somit kann man den kritischen Stimmen Recht geben, die da meinen, dass diese Buchreihe der Lebendigkeit der Sprache einen Dämpfer vorsetzt. Sie in ein kompromissloses Korsett der Regeln zwängt und dem Sprachgebrauch das schulmeisterliche Richtig und Falsch auferlegt. Ebenso wenig kann man die Querulanten entkräften, die Sick dahingehend kritisieren, dass er zwar von den hochgestochenen Regeln der Orthografie schreibt, aber diese höchst persönlich in so manchen Zeilen bricht; ich selbst las schon im Band 4 die schamlos benutzte Floskel »Sinn machen«. Aber was soll´s. Selbst die größten Philosophen hatten Mühe ihre Theorien auch wirklich zu leben. Und eine gewisse Toleranzgrenze zwischen Theorie und Praxis darf man in diesem Fall dem Menschen schon zuschreiben. Oder wer möchte den ersten Stein werfen? Ich nicht…
Natürlich lebt die Sprache. Aber diese ist, wie deren Nutzer, im Leben von Faulheit durchzogen. Mit anderen Worten, die Sprache sucht sich immer den bequemsten Weg. Aber mir ist es lieber, dass ich mich durch dieses Buch zum überlegten Umgang und dem Erinnern an altbekannte Regeln genötigt sehe, als dass ich ebenso im subjektiven Sprachgefühl versumpfe wie der geneigte Durchschnittsprolet. Denn auch wenn man selbst mit immer einfacher gestricktem Deutsch noch immer verstanden wird und sich manche Fachartikel besser lesen lassen würden, wenn der Autor diese gänzlich in Englisch verfasst hätte, so muss man es ja nicht darauf anlegen.

Somit ist dieses Buch für jeden geeignet, der seinen Ausdruck harmonisieren möchten. Für jeden, der sein Grammatiktrauma durch humorvolle Schocktherapie beseitigen und für jeden, der gegen seine Alpträume vom feisten »Graf Otto« ankämpfen möchte. Und keine Sorge, man muss sich nicht auf lebenslang dem Verein Deutschen Sprache e.V. verpflichten, um etwas aus »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 1-4« zu lernen.

Bastian Sick - 31.10.2008 Porto Alegre, vor der Kathedrale Nossa Senhora das Dores
Bastian Sick – 31.10.2008 Porto Alegre, vor der Kathedrale Nossa Senhora das Dores

Bastian Sick – Homepage
Verein Deutsche Sprache e.V.
Wikipedia antwortet: Bastian Sick

Bildquelle: http://bastiansick.sslh.net | http://www.fortuna-buchservice.de ]

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