Das Tolle an der Toleranz

Photobucketaum ein Kampfruf hallt durch die sterilen Hallen von (Sub)Kulturen und Kultiviertem wie der Schrei nach Toleranz. Über die Jahre hinweg wurde es zu dem Argument schlechthin. Der verbale Faustschlag auf den Tisch der gesellschaftlichen Ignoranten, welche nicht einsehen wollen, dass man gefälligst all das zu erdulden hat, was einem am Tag so begegnet. Und um nichts anderes geht es bei dem Begriff. Er symbolisiert keine Güte und noch weniger Verständnis. Sondern überlebte aus dem Latein und stand alleine für das dulden bzw. zulassen von abweichenden Sachverhalten. »Zulassen« ist ja objektiv gesprochen eine recht neutrale Angelegenheit. Denn zugelassen werden kann etwas nachdem es geprüft und abgesegnet wurde, aufgrund von Nichtbeachtung durch Gleichgültigkeit oder um es einfach los zu werden. Nimmt man alle drei Aspekte zusammen und bildet man den Durchschnitt so erhält man, wie gesagt, das Neutrum.
Aber unter welchen Umständen wird den etwas oder jemand geduldet. Unter neutralen Umständen sicherlich nicht. Fragt man erneut das Wörterbuch so schreibt es: […]den/was man nicht mag, nicht fortschicken, -geben, sondern ertragen u. sich nicht beschweren[…]. Mit anderen Worten, dass man etwas, dass einen ankotzt, nicht in die Ecke tritt, sondern zähneknirschend erträgt und hofft, dass die Zeit nicht zum Feind wird. Und das soll nun erstrebenswert sein. Die große Tugend der neuen Gesellschaft, in maßloser Toleranz. Das soll der Wesenzug sein, der Kerngedanke nachdem so viele die Köpfchen recken und zu dem ich von vielerlei Sparten genötigt werde. Ich soll gute Mine zum bösen Spiel zeigen. Soll Sympathie heucheln, soll trotz gegenteiligen Denkens nicken und brav mitmachen. Sollte man somit wirklich einer Gesellschaft trauen, welche nach Toleranz schreit? Im eigenen Interesse: Nein. Und erst recht keiner, welche Intoleranz verteufelt. Eine tolerante Gesellschaft grinst frontal ins Gesicht und überlegt dabei schon, wo sie am besten rektal hintreten kann, sobald man sich abwendet.

Es ist keine erstrebenswerte Tugend, sondern allein ein gutes Totschlagargument um sich bei Anfeindungen in der Opferrolle gefallen zu können. Denn wer tolerant ist, kann schließlich auch auf die Toleranz der anderen bestehen. Frei nach dem Motto: »Ich sage doch auch nicht, dass du eine Beleidigung der Menschheit bist, warum gehst du mich dann an; du Arsch« Somit sah ich noch keine wirkliche Deckungsgleichheit zwischen dem Wort Toleranz auf der Fahne und der Mentalität des jeweiligen Fahnenschwingers. Meinst folgten nach der Kritik an der Intoleranz noch einige anderen Nörgeleien an unliebsamen Begebenheiten. Man zeigt auf die Intoleranz der anderen, brandmarkt den damit verdorbenen Geist und bemerkt im Eifer der Tugendhaftigkeit nicht, dass man sich damit selbst der beschimpfen Mentalität schuldig machte.
Natürlich darf man nun fragen, ob es zum Wesen der Toleranz gehören soll auch die Intoleranz zu tolerieren. Diese Frage ist berechtigt und darf gerne an den philosophischen Fakultäten oder im Ethikunterricht angesprochen werden. Zumindest dann, wenn man gerne ins Leere debattiert. Denn selbst die Frage beweist die Inkonsequenz des Begriffes. Und man kommt auch nicht um die Frage herum. Darf man alles dulden? Laut der Begriffsdefinition darf man es nicht nur, man muss sogar. In jeglicher Hinsicht. Aber macht das jemand? Wie auch. Toleranz gelingt nur durch Meinungsapathie, Gleichgültigkeit und dem Unvermögen sich eine Meinung zu bilden. Womit natürlich geklärt wurde, warum einige Institutionen so sehr auf Verinnerlichung des Toleranzgedanken drängen. Denn so sieht der perfekte Bürger und Konsument aus. Brav toleriert er alles und jeden. Schluckt geduldig seine Pillen, erduldet jeden Scheißdreck um sich herum, ohne selbst zu schmutzen.

Ich persönlich verspüre keinen großen Hang zur Toleranz. Brüste mich aber auch nicht mit dem Begriff. Warum auch. Man muss schon genug aus Zwang erdulden, da lasse ich dieses nicht auch noch zur Lebensmaxime werden. Zudem will ich persönlich auch nicht toleriert werden. Entweder man akzeptiert mich wegen meines Wesens oder man hat eben Pech gehabt. Ein Denken, dass in der älteren Generation wahrscheinlich verbreiteter ist als bei der Jugend. Welche es ja stellenweise schon recht emotional stimmen kann, wenn sie kontroverse Kritik bezüglich ihres Äußeren erhält. Intolerant zu sein heißt ja auch nicht, dass man ständig auf Contra aus ist. Auch wenn das gerne so gesehen wird. Denn ist man nicht dafür, so ist man automatisch dagegen. Logisch. Etwas das nicht schwarz ist, ist automatisch weiß. Und Grau ist nur für Spaßbremsen. Es beinhaltete allein die eigene Anforderung die andere Meinungen oder Dinge nach Akzeptanz oder Nichtakzeptanz einzugliedern. Wie man oder ob man das dann zum Ausdruck bringt, ist jedem selbst überlassen. Das ist dann eine Frage des Anstandes und des Charakters. Wobei »Arschloch« denken und »Arschloch« sagen noch immer höfflicher ist, als sich nur an dem Gedanken zu erfreuen und den Gegenüber in der Illusion der Sympathie stehen zu lassen. Letzteres ist allerdings ein fehlgekreuzter Zweig der Höfflichkeit, den man am Menschen nur allzu oft erdulden muss…

2 Gedanken zu „Das Tolle an der Toleranz

  1. Toleranz ist hierzulande ein besonders schwieriges Thema, da hier sehr schnell Dinge mitschwingen, die so gar nicht dazu passen wollen. Ich unterteile da auch lieber nach Akzeptieren und eben nicht akzeptieren.

    Toleranz misst sich doch an den eigenen Vorstellungen für Richtung und Falsch. Der Fehler der meiner Meinung grundsätzlich gemacht wird ist doch der, etwas einzuordnen, ohne sich darüber wirklich eine Meinung gebildet zu haben, die optimalerweise auf Wissen beruht.

    Davon kann ich mich nicht freisprechen, ich arbeite jedoch täglich an einer Verbesserung. Dinge die – wie du sagst – grau sind, einfach mal grau zu lassen.

    Das Konstrukt aus Toleranz – Meinung – Diskussion ist ein wackliges und gerade in der deutschen Kultur noch nicht wirklich ausgereift. Eine andere Meinung wird schnell als Intoleranz gewertet, Diskussionen gleichen Wissensschlachten zwischen persönlichen Angriffen und Anfeindungen.

    Beispiele gibt es genug. Ich bin der Meinung ein Minarett gehört nicht nach Deutschland. Lassen wir uns das auf der Zunge zergehen. Ich wäre neugierig darauf was 100 Leute über diese Aussage denken. Einfach so.

    „I don’t care what People say.“ läuft gerade als Refrain im Hintergrund. Wie passend. Dennoch sollte man es vermeiden sich völlig introvertiert nur um die eigenen Dinge zu kümmern. Eine gesunde Spur Aktivismus, Diskussionbereitschaft und die Suche nach Meinungsaustausch ist essentiell und schützt vor Starrsinn :)

  2. Toleranz ist ein schwieriges Thema. Das ist richtig. Denn ein Denken das nicht in der »Ich möchte euch alle knuddeln«-Mentalität endet wird schnell einmal mit Gedankensympathie zu den Herrenvolkschreihälsen gebranntmarkt. Ich gehe nicht davon aus, dass ich es innerhalb meiner statistischen Lebenserwartung noch erleben werde, dass diese Assoziation aufhört.

    […]Der Fehler der meiner Meinung grundsätzlich gemacht wird ist doch der, etwas einzuordnen, ohne sich darüber wirklich eine Meinung gebildet zu haben, die optimalerweise auf Wissen beruht.[…]

    Es liegt in der Natur des Menschen. Ein Glaube ist leichter zu erwerben als dazugehöriges Wissen. Zudem ist der Mensch Herdentier. Das heißt, dass genug schon selig sind, wenn sie einfach das nachplappern können, was große Persönlichkeiten von sich geben. Dagegen wird sich auch nichts ändern. Zumindest solange die Politik, die Medien und die Kirchen davon profitieren (müssen).
    Natürlich ist Wissen relativ, denn man erlangt einen großen Teil seines Wissens auch nur durch Glauben, da man es selbst nicht nachprüfen kann. Mathematische Grundlagen, biologische, chemische oder physikalische Grundgedanken könnten noch persönlich nachgeprüft werden. Werfe ich beispielsweise jemanden einen Apfel an die Birne so sehe ich viele Thesen und Naturgesetze bestätigt. Aber bei komplexen Zusammenhängen hört es dann schon auf. In dem Fall erdreiste ich mich allerdings im Sinne der logischen Wahrscheinlichkeit einzugliedern welches Glauben nun zum Wissen erhoben werden kann. Somit kann aufgrund der Argumentationsketten der Glaube an das Wissen, dass der Mensch nicht von Adam und Eva abstand ruhigen Gewissens als »eigenes Wissen« übernommen werden. Denn dieses ist infolge des komplexen Zusammenspiels aller Erkenntnisse wahrscheinlicher als die Schöpfungslehre.

    […]Davon kann ich mich nicht freisprechen, ich arbeite jedoch täglich an einer Verbesserung. Dinge die – wie du sagst – grau sind, einfach mal grau zu lassen.[…]

    Mir kam heute der Gedanke, dass man gar nicht einschätzen kann, wann man das Grau grau lassen sollte. Denn je tiefer man in die Materie vordringt, umso mehr spaltet es sich gen Schwarz und Weiß. Alles gilt es zu hinterfragen und anzuzweifeln. Es ist allein eine Frage des persönlichen Interesses, wieweit man diesen Schritt geht. Aber eine klare Formel der dahingehenden Vernunft gibt es nicht.
    Um beim Beispiel zu bleiben. Ich als unverbesserlich ungetaufter Christentumsinteressierter habe Spaß damit jeden Hirnspuk von Vatikanstadt oder der Bibel zu zerpflücken und anzuzweifeln. Hörte aber bei den Worten meiner Philosophiedozenten recht schnell damit auf. Was wahrscheinlich daran lag, dass einem ein Professor, der zudem schon jahrzehntelang in der Forschung tätig war mehr und konstruktives Kontra geben konnte, als jeder bibelverklärte Schelm der sich in der Tram an meiner »Gott hasst mich« Aufschrift am Rucksack störte. Aber dennoch beruhen beide gedankliche Grauwerte für mich auf Glauben. Der eine wird belächelt, der andere wurde bejubelt.

    […]Eine gesunde Spur Aktivismus, Diskussionsbereitschaft und die Suche nach Meinungsaustausch ist essentiell und schützt vor Starrsinn[…]

    Dito. Ich debattiere gerne. Aber sowie zuviel Emotion oder Apathie hineingelangt beende ich die Sache. Denn eines kann ich dabei nicht…tolerieren… Wenn auf Krampf nur Gegenargumente fliegen, wenn aus Trotz auf die eigene Meinung behaart wird oder wenn überhaupt keine eigene Meinung entsteht, sondern der Gegenüber nur als Echo des von mir gesagten auftritt. Die Fähigkeit zum Meinungsaustausch trennt den Menschen von der Kreatur. Und ich behaupte einmal ganz frech, dass die Fähigkeit zum konstruktiven und emotionslosen Gedankenaustausch die Menschen an sich noch einmal trennt. Wie die Spreu vom Weizen. Denn wie du schon sagtest, sollte eine Debatte nicht zum Schlagabtausch zwischen Angriff und Anfeindung degradiert werden. Zu viele arbeiten bei solchen Situationen gerne zu ihrem eigenen Nutzen und vergessen, dass der Nutzen nicht im Durchsetzen der eigenen Meinung zu finden ist, sondern in der Erweiterung des eigenen Horizontes. Zumindest, wenn nicht eine der Parteien berechtigter Weise von sich behaupten kann im Recht zu sein. Denn mit einem Holocaustleugner zu diskutieren dient bestimmt nicht der Erweiterung des eigenen Horizontes, sondern einfach der Übermittlung jenen Satzes: »Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halte« [O-Ton Dieter Nuhr]

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