Requiem aeternam dona eis, tuus tubus

Photobucketan kennt das, eine Unterhaltung fängt an. Startet durch ein willkürliches oder vorbestimmtes Thema und entfremdet sich davon, aufgrund von Schlagwörtern, immer weiter von seinem Ursprung. Und nach ein paar Minuten fragt man sich, wie man eigentlich darauf gekommen war. Für mich ist es dabei immer besonders interessant kurz innezuhalten und die Gesprächlogik noch einmal von hinten aufzurollen. Um herauszufinden auf welchen Wegen welches Thema mit welchen verknüpft wurde.

Ähnlich, so musste ich heute wieder erkennen, funktioniert auch youtube.com. Angeregt durch den Film Freaks von 1932 -von dem ich schon einiges las und dank Spontis nun auch sehen konnte- stöberte ich bei youtube.com nach Galerien alter Freak-Fotos. Und so kann eines zum anderen. Über die Freak landet man bei medizinischen Entstellungen, davon zu Missgeburten, davon zu Aufklärungsvideos zum Thema »Achtsamkeit im Straßenverkehr«, davon zu Unfällen, die im Fernsehen lustig waren. Davon zu Unfällen, die weniger lustig sind, davon noch mal ein Schwenk zu realen Autounfällen und davon führt der Weg letztendlich zu einem Sammelsurium von Todesanzeigen für junge Mädels. Quasi Erinnerungsvideos mit schwerer Musik, emotionalem Text und schwerverdaulichen Bildern oder Videos. So zum Beispiel eines von der jungen Meggie Le, welches sie mit (Schul)Freunden zeigen, kurz bevor ihr Stiefvater sie erschoss. Ging übrigens auch durch die Medien. Demnach keine youtube-Fiktion.

Aber das wirklich interessante dabei ist, wie eins ins andere übergriff und sich der Kreis der Schlagwörter durch die größte Gemeinsamkeit und den größten Unterschied schloss. Die größte Gemeinsamkeit ist, dass die Portraitierten, seien es die »Freaks« vom Beginn oder die Mädels vom Ende, mittlerweile das Zeitliche segneten. Der größte Unterschied, einmal allzu oberflächlich gesprochen, war, dass es sich auf der einen Seite um Menschen mit schweren physischen wie psychischen Defekten handelte, die meist einen Schausteller als Besitzer hatten. Auf der anderen Seite waren auf den Fotos attraktive junge Frauen, die mitten im Leben standen. Und das Alter zwischen 14 und 19 Jahren ist wirklich das beschissenste um abzutreten. Sei es durch Amoklauf, Krankheit, Selbstmord oder durch einen Autounfall, welches übrigens die vorherrschende Todesursache war. Ist Gott parthenophil oder wie lässt sich das unter Bezugnahme der christlichen Glaubenslehre begründen.

Aber dennoch gibt es einem zu denken. Vor allem wenn man sich die Fotografien so anschaut. Portraitaufnahmen, Schnappschüsse, Spaßbilder. Bilder voller Leben. Bilder die Geschichten erzählen, Gedanken verbergen, auch wenn sie diese vermuten lassen und Bilder, die das Wesen einfingen. Das Wesen eines Menschen, der zu dem Zeitpunkt an alles dachte, nur nicht daran, dass er jetzt, in diesem Moment nicht mehr sein wird. Das Bild, das einem selbst für später einmal zur Erinnerung dienen sollte, dient nur noch als visuelle Untermalung für das Requiem. In einem Moment ist die Aufnahme einfach nur ein Abbild deines Selbst, im nächsten Moment das einzige was die Erinnerung an dich festigt.
Und dem Betrachter wird bewusst, dass er kein Anrecht auf die folgende Sekunde besitzt. Man schwelgt in der Selbstverständlichkeit des nächsten Augenblicks und versteckt sich gleichzeitig vor dem Gedanken, dass dieser nächste Augenblick im Nichts verpuffen könnte. Die eigene Vergänglichkeit spiegelt sich in den Augen der fotografierten Mädels wider. Deren Lächeln den ihnen Nahestehenden keine Wärme mehr spendet, sondern nur noch tiefe Trauer. Oder zumindest eine Emotion, die ich nicht in Worte bringen kann. Ein Gefühl der Faszination oder des Neides. Denn diese fanden die Antwort auf eine der ältesten und ungetasteten Fragen der Menschheit: Was kommt nach dem Tod. Sie erfuhren es. Wir nicht. Wenn wir es erfahren, so nützt es uns auch nichts mehr. Somit ist diese Frage so derart sinnlos, aber dennoch so fesselnd, dass sie jeder Generation nicht aus dem Kopf ging.
Und wer weiß, vielleicht wird dieser Artikel in einem Jahr wieder gelesen werden, in dem auch ich nicht mehr bin. Wenn der Betrachter diese Zeilen überfliegt und mich ebenso über die Frage des Todes spekulieren sieht, wie er sich. Und dann wird diesen der Gedanke beschäftigen, dass ich schon die Antwort fand, die ich hier nebenbei suchte. Und die für mich nun allein diese Jugendlichen fanden, die vor zwei oder drei Jahren noch voller Erwartung in ein Morgen und in ein Bald sahen.
Es macht fast depressiv darüber nachzudenken. Und in solchen Momenten bin ich froh, dass es den Menschen gibt. Jenes vernunftbegabte Wesen, das es ganz unbewusst vermag, einen aus der Melancholie und der befremdlichen Emotionen wieder in eine solide Bahn zu werfen. Nämlich in die der Verachtung. Und damit meine ich nicht die ökonomisch begründete Ohrfeige für jenes Totengedenken, welche aus so netten Sätzen wie » Dieses Video enthält Content von WMG und Sony Music Entertainment. Es ist in deinem Land nicht mehr verfügbar« oder »Dieses Video enthält einen Audio-Track, der nicht von WMG autorisiert wurde. Der Track wurde deaktiviert. Weitere Infos zum Urheberrecht« besteht. Mitnichten; ich meine diverse Kommentare. Aus Gründen Pietät erstelle ich keine Verknüpfung. Glaubt mir oder findet es selber, beiden ist noch möglich:

»How did this SLUT die?«

»I stuffed her head in my turkey as my dinner«

»I would BANG her.
1#WACK PACK«

»a good lorry driver. God bless this driver«

»SIE WAR VOLL DIE GEILE SAU«

»war immer oofen angezogen geile dicke titen

zum titenfick

ich würde sie gerne ficken«

Entschuldigung, aber kann man solchem Pack nicht einfach mal den Schwanz rausreißen, in den Mund stopfen und diese am nächsten Baum aufknüpfen vernünftig erläutern, wie unangebracht ihre Äußerungen sind. Aber was wird erwartet, wenn man solche Todesanzeigen in ein Medium speist, dass nicht gerade vor lauter Tiefgang in den Kommentaren unterzugehen droht. So ist der Mensch. Dass einige Tier auf Erden, das nicht einfach nur den Tod nicht ignoriert, sondern auch noch verbal oder physisch über Verstorbene herfällt…wohlgemerkt außerhalb des einzigen vernünftigen Argumentes der Ernährung. Elefanten oder Wale zieht es zum Friedhof. Die Katze sucht einen einsamen Ort und den Hund schleicht ins verborgene. Den Menschen zieht es in die Öffentlichkeit, obwohl er weiß, dass er bei Gleichgültigkeit als Reaktion noch gut weggekommen ist. Man heuchelt Anteilnahme aufgrund von Erziehung oder Gruppenzwang. Ernst meint man dieses nur aufgrund von hormoneller Zuwendung. Dann tut es einem wirklich leid.
Egal wie groß die Sympathie gegenüber den Menschen ist. Mich persönlich trifft das Leid der Tierwelt mehr als dieses der ganzen Menschheit, aber je mehr ich mit dem Tod konfrontiert worden war, desto mehr hielt ich meine Klappe. Zum einen aus Pietät gegenüber dem unumkehrbaren Ende der Existenz. Aber vor allem aus Demut, denn wie gesagt: Niemand kann sich die nächste Sekunde erkaufen. Von der allerdings solches Gesindel noch zuviel besitzt…

Schreibe einen Kommentar