Die WGT-Antithese -oder- Eine Streitschrift zum Gothtum

Zugegeben, eigentlich läuft dieser Blog unter der Domain »Gehen Sie bitte weiter, hier gibt es nichts (mehr) zu sehen.« Und ich verbreitet wohl auch nicht zu hanebüchene Polemik, wenn ich die Behauptung aufstelle, dass bloggen etwas für Bürger mit Feierabend ist. Oder für diejenigen, die wirklich noch viel zu sagen haben. …oder eben entsprechend wenig, damit der Faktur Zeit keine Rolle spielt.
Doch das ist bei mir vorerst nicht der Fall. Viele der Worte erheben sich nun innerhalb der Klassen und fallen dort auch wieder. Und der restliche Gedankenbrei wird nicht mehr im Blog garniert und kredenzt, sondern gleich nach dem ersten aufkochen ins Facebook gekleckert. Ja, Buh und Schande über mich. Aber im Fratzenbuch kann man einfach besser diskutieren.

Doch nun, da ich die achte Ausgabe des Pfingstgeflüsters durch die Tram geschliffen hatte und die Adresse jenes Blogs auf der ersten Seite prangern sah, da kam mir die erschreckende Erkenntnis, dass sich so mancher im Zuge quälender Langeweile nun doch auf diese Seite verirren könnte. Und darin sogar lesen, sofern sich dieser nicht verschreckt oder angeödet zu anderen Blogs retten kann. Und irgendwas muss man diesen ja bieten. Nur was…?

Natürlich empfinde ich es als Anerkennung, nun schon zum dritten Mal in Folge Mitautor eines Heftes sein zu können, das, bis auf dezente Anklagemöglichkeiten für Typografiedogmatiker, so derartig stilsicher und elegant daherkommt, dass ich es die Jahre zuvor so gar nicht bemerkt hatte. Fast schon anmaßend, nun erneut dieselbe Ausgabe füllen zu dürfen wie beispielsweise ein Herr von Aster. Dessen Mitternachtsraben mir vor Urzeiten zeigten, dass es innerhalb dieser Szene zum Glück mehr Witz und Wortgeschick gibt, als diese meuchelmelancholische Pubertäts-Prosa im gotentypischen Selbstzerstörungszwang.

Und dann ich. Der mit dem Gothtum ungefähr so viel zu tun hat wie ein Kermit the Frog. Wenn auch im militärischen Dunkelgrün; mit dreckiger Oliv-Braun-Note. Oder vielleicht gerade deswegen. Denn sind wir nicht alle ein wenig gothic. Nein, sind wir nicht. Es ist nicht alles Goth was schwärzt und umgekehrt.
Keine Ahnung woher dieser Begriffsautismus stammt. Keine Ahnung, wer damit anfing und vor allem, wer damit nicht mehr aufhört. Diese Freude, undifferenziert daher zu plappern und den Begriffen damit ihr Detail zu rauben. Dieser Pauschalisierungspöbel, der, aus unversöhnlicher Überzeugung heraus, zu allem was in der schwarzen Meute so herum kreucht und fleucht, »Goth« zu sagen pflegt.
Wortschatzvandalen, die sicherlich auch jeden Ledertreter anstandslos degradierend zum »Springer« deklarieren. Völlig unbeeindruckt davon, ob es sich nun um Docs, Shellys, Rangers, Undergrounds, Black ´n´ White Boots, Bondage London oder weiß der Geier handelt. Am besten noch zu New Rocks. Diese Egomanentreter, den Cybern unter dem Schuhwerk. Überteuerte Partypantoffel, deren Dekospittel derart sinnlos dran herumbaumelt, dass dieser nicht einmal die Möglichkeit besitzt, ordnungsgemäß zu verschleißen. Oder, als Zenit der kafkaesken Kulturkastration, mit Reißverschluss, da das schnüren ja anstrengt, der weiteren Kostümierung die kostbare Zeit raubt.

Kostümierte sind Ungruftige, das lernte man ja schon. Aber bin ich gruftiger? Als ich letztens einen Live-Mitschnitt von Depeche Modes jüngster Tour sah, musste ich bei der Aufmachung und dem Getue von Dave Gahan an den Harald mit seinen zwei Ös denken. Sentimentaler Pop-Rock alter Männer. Von The Cure kenne ich nur einen Titel und Bauhaus assoziiere ich einzig mit »form follows function« und keinem toten Leinwand-Dracula, dessen musikalische Hommage altbacken und langweilend vor sich hin schrammelt. Die Urgesteine des Gotentums. Das Wesen in Erscheinung und Aktionismus. War es mir so fremd geworden, oder nicht doch eher schon immer fremd gewesen…

Wenn ich so zurückdenke, so war ich einzig für einen halben Vormittag Goth. Nämlich als ehrliches Kostüm zum Schulabschluss.
Damals, als man sich und die Szene noch suchen musste und nicht über ein 16.000 dsl in einem globalen Lexikon fand. Als Musik noch auf Alben gesammelt und auf Kassetten geteilt worden war. Und keiner rar-Archive in externen Festplatten hortete.
Damals, als es nur zwei Möglichkeiten für Neuentdeckungen gab. Festivals oder großer Freundeskreis. Das Leben in einem Provinznest erübrigte die Wahlmöglichkeit. Und so war unter anderem das WGT ein guter Lieferant. Musikdealer. Vor den Bühnen und auf den Bühnen. Vor den katalogisierten Kisten der Stände und dahinter.
Damals, als einem noch keiner die Ohren mit Lobpreisungen von der großen schwarzen Familie und der Toleranz zukleisterte. Oder vielleicht doch? Womöglich drang es nur nicht in das Provinzialnest in dem ich aufwuchs. Natürlich fand ich es damals auf Festivals aufregend und familiär. Damals als Teenie. Ließ mich dazu hinreißen, dass ich mich stellenweise gar als Goth titulierte. Freiwillig und ohne Zwang. Etwas plapperte von der Toleranz und der Geborgenheit. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem erwachsene Rationalität und Sachlichkeit die präpubertäre Naivität ablöste.

Bis ich ungläubig die erste Cyberwelle anstarrte, die mir um das Millennium herum begegnete. Und die ich anfangs gar nicht als sich ernstzunehmende Hampelmänner wahrnahm. Bunte Kitschfiguren. In einer Szene, die ich eigentlich nur berüscht oder in Shirt und Armyhose kannte. Mit ausrasiertem Schopfe und keinem Baumarkts-Dschungelkönig-Gesteck über den Schweißerbrillen.
Bis ich erkennen musste, dass die großen Helden meiner Jugend verschwanden. Cat rapes dog, Calva Y Nada, Leæther Strip; verstummt. Zugegeben, Leæther Strip tauchte irgendwann wieder auf. Gefangen im musikalischen Strudel der Neuzeit. Projekt Pitchfork und Oomph! stürzten sich in die musikalische Belanglosigkeit allgemeiner Chartstauglichkeit. :wumpscut: und Suicide Commando ebneten den Weg für jene Tekkerklänge, vor denen ich damals eigentlich Zuflucht gefunden hatte. Die 90ziger Jahre wurden mit einem Bruch für beendet erklärt, der größer niemals hätte sein können. Zumindest für mich.

Doch es war ja nicht alles schlecht, damals. So lernte ich notgedrungen über den Tellerrand zu schauen. Und fand mit der Entwicklung der Musik in so edle Sparten, an die ich früher nicht einmal zu denken wagte. Und ich lernte Goth nur als Teilmenge zu begreifen. Als das Maskottchen der Szene. Als die Gallionsfigur für die Medien. Womöglich der Kern, der Ursprung, aber eben nur im Damals.
Was geblieben war, ist der bittere Beigeschmack, wenn man mich zum Goten erklärt. Vor allem, da diverse Dunkel-Tekker das »Goth« als Suffix missbrauchten. Doch… Trage ich Pikes? Bin ich im Gesicht bezirkelt? Sind meine 3mm Haare toupiert? Und mit jedem Jahr, indem das Wort Goth zur Marke wurde, zum Wirtschaftszweig und zum Streichelzoo, empfinde ich diese Titulierung zunehmend als Beleidigung. Zumindest als wüste Fehleinschätzung. Nur wenige dürfen mich in aller Freundschaft oder im Narren so nennen, ohne dass ich verbal oder nonverbal abstrafe.

Was mache ich dann auf dem WGT, höre ich die anklagenden Stimmen derer, die WGT noch nicht einmal schreiben konnten, als ich schon dort zeltete. Alterschauvinismus, ich liebe es. Ja, was mache ich dann dort. Das, was ich seit Jahrzehnten auf Festivals tue: den Bands, meinen Bands, Tribut zollen. Diesem verpönten Zeitvertreib. Gerade zum WGT. Diesem plumpen Versuch einer Erklärung zur persönlichen Anwesenheit. Musik als Priorität, als Primär. Schon alleine bei dem Gedanken sträubt sich doch dem Goten die Turmfrisur noch mal so hoch oder rollen sich dessen Pikes auf.
Ja, wie kann ich nur. Wie kann man das WGT selektieren. In »Geile Band, da fahre ich hin« und »Nichts los, also keinen Bock« unterteilen. Geht es doch in erster Linie um das Treffen ansich. Das Miteinander, der großen Familie, das Dogma der Gleichgesinntenzusammenkunft und Trallala. Nein, geht es einen Scheiß. Oder um es noch ungehobelter auszudrücken: Gleichgesinnte treffen …am Arsch.
Entschuldigung. Aber was soll das. Seit wann muss man sich vor Küken und Bubis für seine Motivation rechtfertigen. Die alte Garde fragt ja auch nicht danach. Kennen doch genügend von denen das Eremitendasein. Der jugendliche Eifer, der auf Biegen und Brechen alte Traditionen erhalten will und damit so ganz unvermittelt ins Horn einer, mittlerweile szenetypischen, dissoziative Identitätsstörung bläst. Bewusstseinsspaltung, wie sie mir die letzten Jahre zu oft begegnet. Und die mich schon seit etlichen Jahren fragen lässt, ob es neben der Musik für mich überhaupt noch eine Szenezugehörigkeit gibt. Der wachsende Anteil an Bundeswehrbunt in meinem Kleiderschrank sagt vehement: Nein! Und vielleicht höre ich irgendwann auf diesen.

Und manchmal, ja manchmal verstehe ich die Logik unserer gotischen Vordenker nicht. Man habe sich, so tönt es von den Traditionalisten, auf dem WGT zu treffen, da es ja bewiesener Maßen WGT heiße und das T eindeutig nicht für »Konzerte« steht. Selbstredend. Doch jeder spricht davon, dass er in der Szene Abstand nehmen kann. Sich lösen von dem Trubel der Gesellschaft. Im Ich und seiner Selbst versinken kann und in der Abgeschiedenheit sein Refugium findet. Doch wenn eine Horde aus Gesellschaftsskeptikern plötzlich seine eigene Gesellschaft bildet, muss man sich gegenseitig um den Hals fallen. Warum?
Ich genüge mir selbst. Meine Gedanken sind meine Unterhaltung und die Musik meine Gesellschaft. Mein Freundeskreis ist klein und elitär. Und ich erfreue mich nicht pauschal jedem schwarzem weißgestreiftem Patchoulistinktier das die Tram verstopft. Und wenn ich jeden Gleichgesinnten in aller Treffenshuldigung die Hand geben würde, so würde das bisschen Sexualleben für die darauffolgenden Wochen ruhen müssen. Außerdem zeugt es ebenso von gewisser Ironie, dass man sich zu einem Festivalstermin trifft, wenn doch die Konzerte so trivial und tertiär sind. Warum dann gerade Leipzig zu Pfingsten, zum WGT. Und nicht Bitterfeld zur Wintersonnenwende? Ginge es ihnen doch nur ums Treffen.

Ebenso putzig wie amüsant lausche ich von Jahr zu Jahr spitzohriger den hilflos wirkenden Toleranzparolen. Das tolle an der Toleranz ist bekannter Maßen, dass man sich mit dem Mittel der Intoleranz über den Toleranzmangel der anderen beklagen kann. Einem Hobby, dem innerhalb der Szene mit zunehmender Freuden gefrönt wird. Portionstoleranz. Beziehungsweise die Erduldung unschöner Zustände im Rahmen des eigenen Interesses.
Natürlich schrieben schon diverse Philosophen die Frage nieder, ob den auch Intoleranz von der Toleranz zu tolerieren sei. Als Paradebeispiel der entfachte Kampf gegen rechts. Der zeitgleich mit dem Versprechen zur unpolitischen Gesinnung zelebriert wird. Warum macht man das? Das Wirken gegen rechts ist löblich, aber die Intension eine derart alberne.
Fällt doch diese Szene auf die fahrlässig oberflächliche Anschuldigung derartiger Medien herein, um deren Unvermögen doch immer so gespottet wird. Kilometerlanges Berichterstattungsmaterial mit Schauläufern; da ist sich jeder einig, dass dieses lachhaft genug sei, um in Ruhe ignoriert werden zu können. Doch wenn eine Grenztruppenuniform und ein Rudel paramilitärisch gekleideter Elektro-Jünger zum Spielbild der braunen Infiltration gepuscht wird, dann stürmt man gleich auf die Barrikaden und nimmt es für bare Münze.
Natürlich gibt es hier braune Säcke. So wie überall. Und eben auch in einem Prozentsatz wie überall. Warum dann diese Hysterie. Der Goth als Pauschal-Satanist zieht nicht mehr, das weiß heutzutage selbst die BILD. Der Goth als Knuddelbär erzeugt keinen Spannungsbogen. Somit muss ein neuer Buhmann her. Nicht mehr und nicht weniger. Diese Szene besitzt in ihrer Musik genügend politisches Statement. Was muss ich mich dann noch erklären. Der Titel trägt die Botschaft und lässt mir damit die Freiheit, mich völlig losgelöst von politischem Gebaren zu bewegen. Mich für einen Moment der unpolitischen Existenz hinzugeben. Denn Politik ist nur, was man dahingehend willentlich unternimmt, bewusst zulässt. Und nichts, was einfach geschied.

Was ist die Szene nun. Links? Linksradikal? Mit Hang zum Moralfaschismus, da manche Redner definitiv so weit nach links schritten, dass sie rechts wieder erschienen. Oder eben doch unpolitisch. Mit dem Recht auf Meinungsbildung auch das Recht in Anspruch zu nehmen, sich innerhalb der Begegnungsstätten keine Meinung bilden zu müssen. Ich jedenfalls will Clubs und Festivals und keine Parteiveranstaltungen oder ein großangelegtes Politikum.
Zudem, was soll die Angst, dass der unpolitische Geist dem rechten Rattenfänger in die Schlinge rennt. Undurchdacht argumentiert. Sechs; setzen. Bin ich offen für diese Parolen, so war es um die unpolitische Gesinnung geschehen. Dann bin ich politisch aktiv geworden. Dachte darüber nach, irgendwie zumindest. Und ließ Politik willentlich zu. Also beleidigt nicht die Ignoranz und Intelligenz des unpolitischen Wesens damit, dass ihr im Trotz über das Scheitern der linken Werbung eine Gefahr für rechte Sympathie unterstellt. Nebenher hält sich auch nur die Szene für unpolitisch, nicht das Individuum. Es sprach noch nie etwas gegen politisches Engagement, wenn dieses aus der Verpflichtung heraus entsteht, die über dem Szeneleben steht.

Zurück zur Toleranz. Auch wenn ich müde bin, darüber zu debattieren. Ich habe schon alles gesagt, schon alles geschrieben. Mehrmals. Und ehrlich gesagt wiederhole ich mich ohne Bezahlung nur allzu ungern. 20 Jahre beobachte ich diese schwarze Meute nun. 10 Jahre davon nebenher, 10 Jahre davon gezielt und versucht analytisch. Und der Begriff der Toleranz ist mir noch nie in derartiger Größe begegnet, als dass dieser auf der Fahne Platz hätte, auf der dieser geschrieben steht. Wohlgemerkt: Zum Glück.
Offenheit, in der Tat, das kann man sich zuschreiben. Aber Toleranz. Man erträgt sich im gegenseitigen Wohlwollen. Das wohnt dem Menschen inne. Ist ein omnipräsenter Wesenszug jedes Typus in jeder Kultur und Gesellschaft. Nichts, um stolz damit prahlen zu können. Das Wort der Toleranz ist nichts was als anzustreben gelten sollte. Faktisch steht es für »Dulden«. »Erdulden«, so könnte man auch polemisch sagen.
Was ist daran wünschenswert, etwas, das mir nach rationaler Überlegung gegen den Strich geht oder auf argumentativer Ebene missfällt, stillschweigend zu erdulden. Ich kann für etwas offen sein. Kann es respektieren oder akzeptieren. Aber etwas tolerieren? Das ist Meinungsapathie, Gleichgültigkeit. Das ist keine Tugend, sondern einfach nur Unvermögen. Die Unlust zur Debatte. Der Widerwille, mich auf den Weg der Worte zu begeben, um über diesen einen Sachverhalt entweder akzeptieren zu lerne oder dessen Inhalt weiterhin anzufechten.

Nein, in diesem Sinne stimme ich der Szene Tenor zur Toleranz nicht zu. So wie es die Szene unterbewusst auch tut. Ich gestehe dieser ebenfalls ihr unpolitisches Wesen zu. Da das Recht zur politischen Aktivität nicht zur Pflicht dogmatisiert werden darf. Und ich beharre auf das Wesen des Festivalseremits. Des Einsiedlers in der Masse. Des Neutrums, das ein jede Subkultur in ihrem Kern braucht.
Warum ich dennoch mit dabei bin. Weil ich dem Gotentum, und jene, die sich darunter zählen, freilich ihr Primus inter pares in der schwarzen Meute zugestehe. Jedoch stehen diese Schwarzkittel in der Szene nicht einzig und alleine. Drehen sie sich doch mit anderen Sparten in unterschiedlichen Bahnen um ein und denselben Kern. Und wer dabei das Proton oder Elektron, oder als Gruppe zum Kation oder Anion wird, das entscheidet jeder für sich selbst. Jenachdem wie stark dieser beim Anblick der anderen geladen ist.

Ein Gedanke zu „Die WGT-Antithese -oder- Eine Streitschrift zum Gothtum

  1. Sehr schön gepinselt ! Ich hätte es kaum besser sagen können.

    Ist man selbst manchmal peinlich berührt, denkt man an die alten Tage zurück.
    Wie ich mich kleidete…und vielleicht auch was ich das ein oder andere mal über mich selbst und das „Goth-sein“ erzählt habe.
    Aber so war es damals ein Anfang, man stürzte sich in etwas neues. Einen Weg sein Lebensgefühl nach außen zu tragen den man vorher nicht kannte.
    Nennen wir es einmal Selbstfindung.

    Und irgendwie war man dann irgendwann dabei. Man gehörte ein Stück zur Szene, wusste sich von Menschen umgeben die einen verstehen. Teilte die Begeisterung an Musik. Sah sich auf Konzerten wieder tauschte Kassetten. Ihr wisst schon, das Teil mit den 2 Löchern.
    Ich fühlte mich wohl. Auf dem WGT, im Zelt, umgeben von Gleichgesinnten.

    Doch dann…die Zeiten änderten sich. Doch man selbst blieb stehen, so kam es mir zumindest vor.
    Wo war plötzlich die Musik, die Kunst und die Einstellung der Menschen, durch die man sich noch vor kurzem in der Szene so wohl fühlte ?
    Natürlich, dem Zeitgeist gefolgt.
    Es wurde irgendwie fröhlicher und bunter. Styling und Aussehen gewannen an Priorität. Aufmerksamkeitsgeil könnte man sagen. Die Musik diente mittlerweile mehr dem Party machen als sich den Gedanken und dem Text zu widmen.
    Darauf folgte dann eine längere Zeit der Ernüchterung.
    Dem Ideal beraubt, wurde mir bewusst, dass ich mich nun nicht mehr wirklich Goth nennen möchte.
    Ich fühlte mich „Einsam unter Fremden“ in dieser Szene.

    Aber so kam es dann dazu das ich mich für andere Musikstile und Subkulturen innerhalb der Subkultur zu interessieren begann. Und so offenbarte sich mir, dass ich bisher nur an der Oberfläche schwamm, und die Szene aus so vielen Facetten besteht das es sich kaum unter einen Hut bringen lässt.

    Und so legte ich für mich persönlich das Thema „Goth“ zu den Akten und wurde irgendwie, ich stehle hier mal den Schlußsatz von oben, selbst zu einem weiteren Elektron das in eliptischen Bahnen irgendwo den Kern der Szene umkreist.

    Nun sei mir noch ein Wort zum Thema Toleranz erlaubt.
    Toleranz interpretiere ich für mich mit Akzeptanz. Eben diese Akzeptanz gibt es nicht und gab es nie in der Szene.

    Ich habe nirgends mehr „unpassend“ gekleidete Leute aus Clubs fliegen sehen als in der schwarzen Szene. Und ja ich gehe auch Fremd. Ich höre auch andere Musik ab und an. Dort werde ich mit Stiefeln und Armyhose akzeptiert. Eine Ausnahme bestätigt die Regel, das möchte ich nicht verschweigen.
    Doch wo wird denn bitte mehr gelästert als in einem schwarzen Club ? Über den schlechten Musikgeschmack von dem und dem…die unpassenden Klamotten…
    Bis auf ein paar High-Society Geschichten würde mir nicht viel einfallen.
    Und ich nehme mich da nichtmal aus. Aber wenigstens Heuchel ich nicht kompromisslos Tolerant zu sein. Bin ich nicht.

    Mein Fazit aus der Story ?
    Niemals aufhören über den Tellerrand zu schauen ? Niemals den Blick zurück in den eigenen Teller vergessen ? Vielleicht beides ein bisschen.

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