Guldhans Grenzgänge: I – Facebook is watching you.

Photobucketie lange habe ich jenem Datenkragen meine Persönlichkeit verwehrt? Ganze acht Jahre konnte ich es verhindern, dass mein virtuelles Ich am Steilhang jenes Zuckerberges hinabrollte und dabei eine Lawine aus Datenschutzskepsis mit sich riss.

Aber dieses wäre nicht die westzivilisierte Gesellschaft, wenn man sich nicht dem Herdentrieb beugen muss. Wahrlich reiner Herdentrieb, denn von »Schwarmintelligenz« möchte ich hierbei nicht sprechen. Doch egal wie man es nennt, der Fakt bleibt der gleiche.

Und Fakt ist, dass ich nun im Sumpf der Scheinsozialisierung mitplansche. Dass ich einer von 900 Millionen bin, die glauben, dass sie eine solche Plattform benötigen, um mit „Menschen in ihrem Leben in Verbindung zu treten“. Wobei, ich glaube es nicht. Ich belache jene Propaganda und winke mit verächtlich gedachter Realität ab. Nämlich jener Realität, dass ich mit den Menschen in meinem Leben schon außerhalb jener Fratzenbücherei in Verbindung stehe und mir der Rest der Menschheit schlichtweg egal ist.

Aber was mache ich dann dort. Gute Frage. Und vielleicht besitze ich auch eine gute Antworte. Mein Honorargeber, das Bildungswerk, will seine dortige Präsenz aufpolieren und schrieb dafür einen Wettbewerb für die Schüler der Kreativkommandos aus. Und kommandierte mich sogleich für die Überwachung dieses Wettstreits ab.

Und da facebook von außerhalb so ungemein einsehbar sowie transparent ist, kommt man für die Recherchearbeit nicht um eine Registrierung herum.

Doch was soll ich sagen, schon nach acht Minuten war mir diese Plattform allzu…sympathisch. Kaum war mein Name offenbart worden und die E-mail-Adresse in ihrer Schreibweise dargeboten, schon wurde ich mit einem Scrollbalken voller vermeintlicher Freunde und »Sag´ bloß Du kennst die noch nicht«-Kandidaten belästigt. Was aber nicht einmal das Überraschungsmoment ausmachte. Schließlich ist derartige Penetranz keine Erfindung und kein Hoheitsrecht von Facebook.
Finstere Verblüffung provozierte allein die Tatsache, dass mir an erster Stelle wirklich ehemalige Kommilitonen/Innen das Profilbild entgegenstrecken.
Wie zum Geier. Ohne Angabe meiner Daten, ohne Nennung meiner Ausbildungsstätten, allein der Name und die e-mail-Adresse. Welche ich wiederum sogleich von der Fressenbibliothek hätte durchwühlen lassen können. Natürlich nur allzu selbstlos, um mir die Freundesfindung zu erleichtern. Aber selbstredend. Was denn sonst. Doch soviel Aufopferung konnte ich reinen Gewissens nicht zulassen und übersprang, »fuck you«-murmelnd, den sozialen Service. Jene unflätige Phrase zog sich übrigens noch über sämtliche Deaktivierungsarbeiten, hinsichtlich der Dienste zur gelebten Selbstdarstellung, hin.

Aber es wirkt. Es zieht einen in seinen Bann. Verleitet zur Pirschjagd. So fand ich schon das Portrait des Overlords mit ausrasiertem Schopfe und einem gewohnt ungewöhnlichen Gesichtsausdruck, bei dem ich mir noch nicht im Klaren darüber bin, ob dieser Blick nun als sinnlich oder intelligent gewertet werden kann. Man möge mir die Worte verzeihen.
Ebenso wanderten die Finger für eine weitere Suche, die ich so nicht gewollt hatte, über die Tastatur. Und die mich vor einigen Wochen dazu animierte, mich von einigen anderen sozialen Netzwerken zu verabschieden. Denn eh ich mich versah, suchten meine Hände die möglichen Namen der Ex. Und ich kann schon von persönlicher Dankbarkeit darüber sprechen, dass das Profil, nach dem Treffer, komplett privat gehalten wurde. So sehr ich das Skorpionenblut in mir und meiner Persönlichkeit auch schätze…doch allzu oft verweilt das Gift nicht im Stachel, sondern sickert ins Hirn. Wie in jenem Moment. Und ich froh bin, dass der enttäuscht-zornige Nachsteller, der Stalker, gegen die Wand rannte.

Wer sich nun nach den wenigen noch folgenden Sätzen aufmachen will, um mich als weitere Trophäe des trivialen Facebook-Tratsches an die Profilwand zu nageln, der sei enttäuscht. Denn jenes Profil dient zum jetzigen Zeitpunkt allein der Recherche und ich kann nicht versprechen, dass dieses nicht schon gen Maimitte wieder in der Unendlichkeit des Netzes verschwindet. In den ewigen Jagdgrund einfährt, wie Xing, MeinVZ, Schwarzes-Glueck, und was weiß ich noch für Gerümpel.
Ebenso wird mein Drang zur Pinnwandnutzung gegen Null tendieren. Das Prahlen und Protzen mit Aktivitäten wird sich erst gar nicht einstellen. Und ob ich für die Zeit weiterhin auf Kontaktjagd gehen werde…aller Wahrscheinlichkeit nach nicht.
Man darf mich durchaus hinzufügen, darf meine gescheiterte Existenz mit dem »Gefällt-mir«-Button bejubeln. Und wer darauf bestehen muss, mit mir Mensch in seinem Leben in Verbindung zu treten…der soll es eben tun. Ihr seid alt genug. Doch keine Garantie, dass mein Profil dort allzu alt werden wird.

Denn meine Fehde mit jenem Visagenpranger, jenem, der mich indirekt zu triefst beleidigte, ist noch nicht beendet. Und wird auch nie beendet werden, da ich keine Sühne zu erwarten habe. Selbst jetzt, da vieles wieder emporkocht. Aber dieses ist eine andere Geschichte.

Nachwort
Wer hätte gedacht, dass jene Plattform in seinem Kern so bieder und steif daher kommt. Sodass man als allzu spitzfindiger Mensch den Nutzung als Sinnbild des Individuum konsequent verneinen kann.

Ein maßgeblicher Punkt ist hierbei die Beschränkung der Freiheit. Ich bin ein Befürworter der individuellen Formulierung. Da die Wahl des Wortes viel über den Charakter des Menschen aussagen kann und man sich damit auch nicht wie in der Abfertigung einer Registrierungsstelle fühlt. Doch eben das ist hier der Fall. Man ist nicht auf Individualität bedacht, sondern auf die Einbettung schon vorgefertigter Schlagbegriffe.
Man kann seine persönlichen Worte tippen. Durchaus, doch es ist naiv zu glauben, dass diese damit auch automatisch im Profil erscheinen. Sie werden ignoriert und können womöglich nur mit gewissem Freischaltungsaufwand platziert werden, wenn überhaupt. Denn ich unterstelle einmal, dass Metapher eher hinderlich für die Informationsgewinnung sind. Es wollen nur bestehende Begriffe abgehakt, analysiert und katalogisiert werden. Alles andere verfehlt diesen Sinn, ist somit kontraproduktiv und darf vermieden werden.

Somit erstelle ich wahrlich das individuelle Profil meinerseits… Welch´ guter Scherz, den man auch gerne noch einmal in Farbe hören möchte. Facebook bietet keinen Serverplatz für das eigene Profil an. Zwar ist es eine Dienstleistung, die auch großen Nutzen verbreitet, nur ihr seid nicht dabei. Es ist und bleibt Kartei. Man soll sich nicht individuell beschreiben, sondern sich nur eingliedern. Seine Interessen und Daten abstempeln. Faktisch zur Auswertung einschleusen und nicht mit der Kraft der Worte und Emotionen benennen. Man soll Klicks generieren und auswerten lassen. Die Trivialitäten gegeneinander aufhetzen und darauf bedacht sein, dass wirklich jeder Nonsens für gut befunden wird. Das Profil ist nichts, die Information sind alles.

Fazit
Es ist und bleibt eine schnöde Kartei, die das Profil in werberelevante Schlagbegriffe unterteilt. Die Möglichkeit zur Individualität ist unausgereift und ein Schutz der Privatsphäre und des hochgeladenem Materials ist scheinbar nicht vorhanden.
Positiv ist hierbei dennoch der komplett kostenfreie Service. Eine allzu selbstlose und humanistische Geste, die ich nicht verschweigen möchte. Denn immerhin erlebte ich schon Plattformen, bei denen der schnöde Textverkehr eine gebührenpflichtige Registrierung abverlangte.

Post scriptum

11 Gedanken zu „Guldhans Grenzgänge: I – Facebook is watching you.

  1. Hab´ Dank.

    Im Grunde finde ich die Differenzierung zwischen »momentaner Deaktivierung« und »unwiderruflicher Löschung« seitens Facebooks gar nicht so kundenunfreundlich. Aber dennoch steckt dahinter mehr ökonomisches Kalkül als eine reine Geste zuvorkommender Freundlichkeit.

    Das war auch das Dritte gewesen, was ich nach der Registrierung getan hattw. Ich erkundigte mich bei Facebook nach den Möglichkeiten der Profillöschung. Was wiederum einmal mehr für meine Sympathie hinsichtlich dieser Plattform spricht.

    Ich schätze, dass es sich am 5ten Mai entscheiden wird. Dieses ist der Stichtag, an dem ich über Verbleib oder Löschung entschieden haben werde.

  2. Keine Ursache.

    Nun, natürlich steckt reines Kalkül dahinter.
    Die „wirkliche Löschfunktion“ ist auch eindeutig schwieriger zu finden als die einfache Deaktivierung.

    Bekam man denn von den Verantwortlichen alle Informationen oder wurden Teile vorenthalten/schlichtweg nicht gesagt und somit verschwiegen?

    Dann viel Erfolg bei der Entscheidung!

  3. Durchaus. Sämtliche Maßnahmen, die Facebook in ihrer Funktion als werberelevante Spielwiese einschränken, sind schwieriger zu finden, als das Setzen jener Hacken, die ihnen alles gewähren. Aber das wird nicht nur maßgeblich bei jener Plattform so sein.

    Die Verantwortlichen? Kann ich nicht sagen. Denn so stark war mein Interesse nicht, als dass ich mich persönlich an die Initiatoren wenden wollte. Ich durchwühlte lediglich deren Textmaterial nach allen möglichen Begriffen, die mir als relevant erschienen.
    Zumal…ich glaube auch nicht, dass ich von direkt menschlicher Seite mehr Information erhalten hätte, als ohnehin schon im Hilfebereich zu finden gewesen wäre.

  4. Sehr geehrter Herr Social-Media-Phobist :o)
    ich kann Sie beruhigen: nach Ihrer gelungenen und würzigen Abhandlung gegen Facebook brauchen Sie sich keine Gedanken machen, dass irgendjemand der üblichen Verdächtigen Ihnen eine Freundschaftsanfrage sendet. Die Ängste, die der kalauernde Türke (oder welcher Nationalität auch immer) im Video ausstehen muss, sind Dir hoffentlich nicht gegeben. Mir aber auch nicht, obwohl ich ehrlich gesagt auch schon einige Menschen aus meinem Gesichtsbuch-Leben ausblenden musste, weil sie einfach unerträglich waren. Diese Wahl hat man immerhin.

    Wenn man dazu gezwungen wird, Social Media „zu machen“, „in Facebook zu gehen“ oder zu twittern, dann wird das nix. Jede Sache, die unter Zwang stattfindet ist genau aus diesem Grunde unsympathisch. Findet widerwillig statt. Ist ja auch übergestülpt. Wirkt identitätsraubend. Vielleicht auch ein wenig fremdgesteuert. Das ginge mir auch so. Wenn mir jemand sagen würde: geh mal in Facebook und mach da mal bisschen rum. Bääääh. Örgs. Nee.

    Es muss aus freien Stücken erfolgen. Naja, zähneknirschend gesagt, aus nahezu freien Stücken, vielleicht ein sanfter Druck. Ich hatte den sehr lange, bis ich gesagt habe, ich schaue mir das blau-bunte Treiben dort mal an. Eigentlich sollte ich das auch für meinen Beruf wissen, aber das stand nicht im Vordergrund. Habe mich lange dagegen gewehrt und als ich dann der Meinung war: ich schau mir das mal an, nichts ist für die Ewigkeit, man kann ja alles wieder deaktivieren…. ha, da ging es mir GENAUSO wie Dir! Aber wirklich genauso!

    Mir wurden kurz nach dem Anmelden Freunde vorgeschlagen. Spooky!! Woher weiß das Gesichtsbuch das?? War meine 1. Frage. Der Grund: andere Leute, die sich wohl damit nicht so auskennen, haben ihre E-Mail-Kontaktadressen freigegeben für Facebook **wieblödmussmansein** und das aktiviert den Freunde-Finder – sobald jemand, der in deren Email-Kontakten enthalten ist, Facebook beitritt, wird ihm natürlich der sorglose Daten’freigeber‘ als Super-Kontakt angezeigt. Das ist doch krass!

    Dann…ging es weiter. Wollte individuell mein Profil gestalten, konnte aber nur vorgegebene Daten oder Tags angeben, nix eigenes. Das fand ich länger sehr verwirrend. so dass ich mein Profil erstmal nicht gefüllt habe, was Interessen angeht. Warum auch. Geht ja niemanden was an.

    Überhaupt alles sehr schwer durchschaubar in diesem Netzwerk.

    Dennoch. Ich bin jetzt ca. 1,5 Jahr dabei und ganz ehrlich: ich möchte es nicht mehr missen! Ich habe mir dort eine kleine persönliche „schwarze“ Insel aufgebaut. Keine Kollegen, kein Chef, kein Abteilungsleiter. Nur privat. Und trotzdem: Es gibt Müll, wie in anderen Netzwerken auch. Es gibt Spam. Es gibt Spacken. Es gibt Spiele und Anwendungsanfragen. Es gibt Leute die ihr Mittagessen posten. Es gibt DJs, die 15 Youtube-Videos hintereinander posten nur um zu zeigen, was für einen Musikgeschmack sie haben (vermutlich können sie das beim Auflegen dann doch nicht so gut rüberbringen…). Es gibt alles! Auch Narzist(innen), die täglich ein Bild von sich, ihrem Liebsten oder ihrer Katze hochladen. Manches ist zum Gähnen.
    Aaaaaber … es gibt auch viel Austausch, auf dem Laufenden bleiben, was sonst vielleicht nicht so einfach wäre (so ein Blogkommi hier bei dir oder von dir bei mir ist nämlich auch nicht so einfach und schnell mal geschrieben). Und keiner, wirklich keiner ist 100% des Tages intellektuell, geistig straffgebürstet und postet nur Sinnvolles. Und wenn das so ist, dann ist es auch nicht interessant. Wirkt gestelzt. Unecht. Was nicht heißt, dass es Katzenfotos braucht.

    Ich denke, es kommt immer darauf an was man will. Für die Kommunikation und das stete in Verbindung bleiben ist facebook genial. Man verkauft dafür weder seine Seele noch unbedingt seine Daten. Es gibt Einstellungen und etwas, das sich Hirn nennt. Das kann man immer wieder gegen die Realität spiegeln und schon weiß man, was man posten, befreunden, kommentieren oder einfach weglassen sollte. Jeder ist seines Glückes Schmied, auch bei Facebook. Niemand zwingt einen irgendetwas anzugeben, was man nicht will.

    Ich habe über Facebook schon ein sehr interessante und nette Menschen kennen gelernt – dann wiederum im echten Leben. Was Facebook nie ersetzen wird…

    **vollderRoman*hust**

  5. […]Die Ängste, die der kalauernde Türke (oder welcher Nationalität auch immer) im Video ausstehen muss, sind Dir hoffentlich nicht gegeben.[…]

    Mittlerweile hat sich Serdar Somuncu, soviel ich weiß, eindeutschen lassen. »Ängste« ist für mich nicht das treffende Wort. In meinen Augen trifft Somuncu genau den Punkt. Und da ich mir dessen auch bewusst bin, habe ich keine Angst davor. Man braucht nicht zu denken, dass derartige Netzwerke entstanden, um der Menschheit etwas Gutes zu tun. Es werde schlichtweg Dienstleistungen angeboten, welche sich direkt oder indirekt für den Anbieter auszahlen sollen. Logischer Weise. Darin liegt auch nichts Verwerfliches. Es ist einzig naiv zu glauben, dass Netzwerke derartigen Kalibers nur dem Selbstzweck dienen. Und schon gar nicht dienen diese einem selbst. Und wenn diese Netzwerke einem Etwas dienten, dann der Pervertierung des Begriffes »Freund«.

    […]Es muss aus freien Stücken erfolgen.[…]

    Was geschied innerhalb der Gesellschaft aus freien Stücken. Unter genauer Beobachtung findet man in vielen geglaubten Freiwilligkeiten eine unbewusste Vordiktierung oder Konditionierung.
    Zumal…wenn man sich einmal bei dem Gedanken ertappte, dass man neidvoll auf alljene blickt, die das Glück haben, schon tot zu sein, verhärtet das gesamte Leben zum freudlosen Zwang. In dem freie Stücke aufhören zu existieren und nur noch das Pflichtbewusst die Lebensvorgänge als emotionslose Gesten abarbeiten lässt. Alles andere wird schlichtweg ignoriert.

    […]Für die Kommunikation und das stete in Verbindung bleiben ist facebook genial.[…]

    Ist das wirklich Kommunikation. Eher ein digitales Abstraktum, dass wir schon längst als Wirklichkeit akzeptiert haben, ohne zu merken, dass wir mit Zerrbildern, mit Idealbildern Worte austauschen und in Buttons kommunizieren.
    Früher saßen die Menschen stumm in Säulenhallen und erhoben als Zeichen ihrer Zustimmung eine Tontafel. Heute lungert man ebenso stumm vor dem Monitor und lässt den »Gefällt mir«-Knopf zum universellen Sprachrohr werden. Ohne eine wirkliche Aussage zu treffen, wird ein Klick zum Ausdruck der tausend Worte. Während man in Kommentarpassform denkt und in Twitter-Phrasen schreibt.

    […]es gibt auch viel Austausch, auf dem Laufenden bleiben, was sonst vielleicht nicht so einfach wäre (so ein Blogkommi hier bei dir oder von dir bei mir ist nämlich auch nicht so einfach und schnell mal geschrieben)[…]

    Dafür ist der Kommentar im Blog um einiges wertvoller. Er ist durchdachter, Träger von Thema und Debatte. Der Austausch innerhalb solcher Netzwerke grenzt allerhöchstens an Smalltalk. Diesem Instrument, das nur alljenen dient, die zu faul zum Schweigen sind und damit dem inneren Zwang nachgehen, Stille mit Sinnbruchstücken abpolstern zu müssen.
    Wir beide wuchsen noch in einer Zeit auf, in der nicht einmal jeder Haushalt über ein Telefon verfügte. Das verhalf aber wenigstens dazu, dass man seine Information selektierte und das Wichtige zum gegebenen Anlas offenbarte. Was geschied heute? Heute quaken sich die Menschen innerhalb der Trams permanent mit Belanglosigkeit zu. Das Überangebot an Informiermöglichkeit tilgte die gedankliche Selektion. Und der Austausch bei Facebook ist nicht anderes.

    Aber das ist meine Einstellung. Viele werden anders darüber denken. Schätzungsweise 600 Millionen glücklich aktive Registrierte. Doch wenn man erlebt, dass man den Tag des eigentlich geliebten Menschen, der einsten Seelenverwandten, nur noch indirekt über unregelmäßig platzierte Pinnwandeinträge erfährt. Dass man nur noch als indirekter Leser Anteil daran hat und nicht mehr als…man abgeschoben wird, zum Status eines der anderen austauschbaren Pimpfe des »Freundeskreises« Das lässt die Verbitterung zu einem Zorne konzentrieren, das lässt die Gedanken zu einer Meinung verschmelzen, die dahingehend nicht mehr entschuldigen oder positiveren lässt. Vor allem, wenn man wenig später erneut gebrochen vor einem Trümmerhaufen kniet, dessen einzige Erklärung weiteres Schweigen ist.

    Facebook und Konsorten können noch so edle Absichten haben, aber ich werde diese Argumente nicht zulassen. Es kann noch so praktisch sein, doch ich werde es nicht als Vereinfachung dulden. Zum momentanen Zeitpunkt. Meine Teilnahme bleibt Herdentrieb, meine Sympathie bleibt Skepsis und meine Meinung bleibt Verachtung.
    Zumal ich ohnehin Eremit bin. Das ist in Zeiten innerer Unruhe besser für mich und besser für die anderen. Sollte ich meinen inneren Frieden gefunden haben, so kann sich dieses ändern. Doch auf der Suche danach habe ich mich längst verlaufen, brach unlängst ein, stürzte in tiefen Abgrund und brach mir dabei das zweite Bein; wenn nicht sogar das Rückgrat.

  6. Nun, ich bin nicht so naiv zu glauben, dass das Zuckerberg Imperium edle Absichten hat. Genausowenig wie Google edle Absichten hat. Beide wollen Daten, um damit wiederum Geld zu verdienen. Das Geschäft ist einfach: Ich stelle Dir einen schönen grünen Rasen zur Verfügung und Du darfst darauf spielen, was und wie du willst. Natürlich musst Du Dich dafür anmelden, damit wir auch Platz haben für Dich. So nimmt die Sache seinen Lauf. Nichts ist umsonst. Das hatte ich wohl in meinem vorherigen Kommentar nicht ausgearbeitet bzw. war gar nicht darauf eingegangen. Ich weiß, dass das Netzwerk kein Selbstzweck ist. Und dennoch kann man es gut für sich nutzen. Mit Intelligenz und sogar noch Spaß dabei. So geht es mir jedenfalls.

    Dafür ist der Kommentar im Blog um einiges wertvoller. Er ist durchdachter, Träger von Thema und Debatte. Der Austausch innerhalb solcher Netzwerke grenzt allerhöchstens an Smalltalk.
    Da gebe ich Dir recht. Meine bisherige Erfahrung ist auch, dass auf FB eher selten intensiv diskutiert wird, sondern dass es häufig auf Smalltalk hinausläuft. Vielleicht ist das aber auch wieder Charme an der Sache. Es muss nichts ausgefeiltes, tiefenpsychologisch wirksames, megagehaltvolles sein. Wenn ich ehrlich bin, gebe auch ich nicht den ganzen Tag nur Schlaues, Durchdachtes, Elaboriertes von mir. Das macht keiner – wenn, dann ist er unehrlich zu sich selbst. Die Kunst bei FB besteht genau darin, in zu doofen Momenten nix zu posten. Mir gelingt das ganz gut, weil ich vorm Posten schon erstmal das Hirn einschalte. Ess- und Dödel-Updates entfallen somit. Was nicht heißt, dass man mal bisschen Spaß haben kann.

    Mit Kommunikation war nicht der Gefällt-mir-Button gemeint, sondern persönliche Nachrichten oder eben Kommentare unter Posts oder Bildern. Auch Chats. Man kann so einfach schneller und auch mal persönlicher in Kontakt kommen als über ein vorgegebenes Thema auf einem Blog. Denn letztendlich ist auch dieser blogkommentar hier nur digitale Kommunikation – unpersönlich. vielleicht noch unpersönlicher als bei Facebook, hm? Hängt sicher davon ab.

    Heute lungert man ebenso stumm vor dem Monitor und lässt den »Gefällt mir«-Knopf zum universellen Sprachrohr werden. Ohne eine wirkliche Aussage zu treffen, wird ein Klick zum Ausdruck der tausend Worte.
    Nope. Dieser doofe Button ist mitnichten mein Sprachrohr. Er macht nur die Zustimmung einfacher, er ist bequem, er kostet keine Kraft, nur einen Impuls. Er ist billig zu haben, deshalb ist er auch nicht sonderlich viel wert. Klar ist das mal nett, wenn ausnahmsweise vielen irgendwas gefällt (Katzen- und Eulenfotos sind die gefällt-mir-Renner schlechthin), aber mein Ego hängt nicht davon ab. Meines nicht. Es soll wohl Leute geben, bei denen ist das so. Arme Dinger!

  7. […] Denn letztendlich ist auch dieser blogkommentar hier nur digitale Kommunikation – unpersönlich. vielleicht noch unpersönlicher als bei Facebook, hm? […]

    Ich wusste, dass dieses Argument erscheint, denn nachdem ich den Satz zu Ende gedacht hatte, stellte sich mich die gleiche Gegenthese.
    Aufgrund dessen, dass diese Kommentare eine gewisse Überarbeitung erfahren, und selten so spontan herausplatzen wie kurze Bemerkungen zu Pinnwandkram, sind diese steriler und damit unpersönlicher. Und zudem weder von Angesicht zu Angesicht. Noch irgendwie handschriftlich oder mit Mimik gekoppelt.

    Doch ehrlich gesagt. Auch wenn ich diese Art der Kommunikation als negativ beschrieben haben, so fühle ich mich in dieser doch recht wohl. Zwar kann und muss ich auch im klassischen Sinne reden, erzählen, Gespräche und zur Not auch Smalltalk führen. Doch beim tippen wird einem vieles erleichtert. Und: man kann einfach schweigen. Unbefangenes Schweigen, während man nur von seinen Gedanken umgeben ist. Die sich auf das Thema konzentrieren müssen und damit mal nicht gegen einen intrigieren.

    Katzen- und Eulenbilder sind der Renner? Demnach sollte ich mir also eine Katze um den Hals binden und die Eule auf die Schulter setzen. Nun, Katzen kann ich nachvollziehen, aber die Eule ist doch ein recht unsympathisches Getier.
    Wie auch immer, jener Button ist mir eh gleichgültig. Ich werde die Plattform für Ankündigungen nutzen. Und wenn ich ja dieses Jahr noch Teile des Blogs an youtube ausliefern kann, dann kommt mir facebook auch fast schon wahrhaftig zugute.

  8. Ich habe eure Diskussion fasziniert verfolgt. Hier trifft die Social Media Fee den Real Media Fetischisten. Eine spannende Mischung.

    Nehmen wir die positiven Seiten einer 900 Millionen-fachen Vernetzung. Ich finde es schön, wie Facebook es geschafft hat, die Medien Forum, E-Mail, Chat und Fotoalbum zu verknüpfen und damit eine Art Zentrale des digitalen Lebens geschaffen hat. Ich profitiere davon, bin froh, schnell und unkompliziert mit anderen Menschen in Kontakt zu treten.

    Natürlich bin ich mir sehr bewusst, dass ich alles, was ich bei Facebook „lebe“ in Kanäle geht, die ich nicht kontrollieren kann, von denen ich nicht weiß, was mit den Daten, Bildern und Texten geschieht. Vielleicht verfolge ich auch eine Art Profilneurose, wenn es mich freut, wenn anderen etwas „gefällt“, wenn ich es schreibe. Mitunter muss ich aufpassen, was ich schreibe, hochlade oder kommentiere, gerade hierzulande liegt ein dichtes Feld aus Tretminen.

    Eigentlich sollte Facebook die Krönung deines Erimiten-Lebens sein. Alles ist virtuell, nicht real, weit entfernt. Keiner kann Dir in die Augen blicken, keiner Deine Mimik lesen, wenn du etwas schreibst. Du bist Herr über das, was du preisgibst. Du bist zurückgezogen und lebst deine gewünschte Einsamkeit.

    Und dennoch glaube ich, dass auch du die Isolation scheust, die endgültige Extrem-Form eines zurückgezogenen Lebens. Solange ich Dich kenne willst du Dich austauschen, kommunizieren, teilhaben, wissen und auch selbst deine Gedanken und Erlebnisse niederschreiben.

    Foren, Chats und Blogs sind deine bevorzugte Art. Facebook ist nichts anderes. Nicht so tief, viel Oberflächlicher und auch äußerst schnelllebig. Vielleicht lehnst du es deshalb ab. Du kannst Dich deiner Neugier aber nicht entziehen. Du lebst zurückgezogen, aber ein Erimit bist du nicht.

    Du weißt was hinter allem steckt, durchschaust die Konditionierung des Gesellschaft, den Herdentrieb, die Anerkennungssucht. Alles scheint leer. Doch sich dem ganzen zu entziehen ist kein adäquates Mittel des Protestes, sondern wirkt wie Verbitterung über das reale Leben. Vielleicht verbietest du Dir das, was du eigentlich suchst.

    Auch Shan Dark ist sich des Mechanismus Facebook sehr bewusst, sie nimmt es jedoch völlig anders wahr. Mir geht es ähnlich. Wir sind die Tiere in der Herde, die ein Stück mitlaufen, dann quertreiben und manchmal auch zurückschauen. Wir wollen nicht neben der Herde stehen und nur zuschauen was die anderen machen. Und vielleicht spalten wir eine kleine Herde ab, zeigen ihr eine neue Richtung und scharen Artgenossen um uns, mit den wir genüsslich grasen.

    Zu guter Letzt: Ich teile Guldhans Meinung. Blogkommentare sind für mich immer noch etwas anderes als ein Facebook-Smalltalk. Sie verlassen oftmals die Oberfläche und tauchen in ein Stück eines jeden Selbst. Das vermag Facebook nicht.

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