Irrationaler Irrsinn oder imaginäre Informatik

Bin ich eigentlich beschränkt im Kopf oder mein Rechner. Zugegeben, diese Frage ist grundsätzlich rein rhetorischer Natur. Belustigt sich doch jeder Admin mit der Phrase: 90 Prozent der Fehlerquellen sitzen vor dem Monitor. Ein Spott, welchen dieser zu allem Überfluss noch mit dem überlegenen Grienen eines Fachmanns zu garnieren weiß.

Ich leugne ja nicht, dass ich eine wandelnde Fehlerquelle mit dahingehend 99-prozentiger Leistungsgarantie bin. Sind jene Rechnerwerke unter oder auf dem Schreibtisch für mich doch nichts anderes als elektrische Schreibmaschinen. Oder zumindest nichts weiter als Träger von Kommunikations- und Softwaremasse. Man verstehe mich jetzt nicht falsch. Was ich einmal selbst tat, das merkte ich mir auch. Schrie ich doch früher schon bei der Formatierung um Hilfe, so erledige ich diesen Windows-Frühjahrsputz heutzutage nebenbei, bastle in der Hardware herum und ereifere mich im eigenen Aufstöbern von Systemfehlern.

Doch was, wenn der Sachverhalt den Spürsinn eines informatikbegeisterten verlangt. Und ohne das Querdenken des Erfahrenen nicht zu bewerkstelligen ist? Dann blicke ich auf den Bildschirm wie mein Hund damals in meine Abschriften zum Nibelungenlied auf Mittelhochdeutsch. Zwar mit ehrlichem Interesse, doch ohne den geringsten Hauch einer Ahnung, was einem der ganze Scheiß nun sagen soll. Oder besser gesagt: Wie soll ich nun darauf reagieren. Zumeist cholerisch, was sich allerdings als ebenso wirksam wie hilfreich entpuppt.

Und ich würde schon ganz gerne brauchbarer reagiere. Die Chance nutzen, dich sich mir der kurze Ausbruch aus der Depressionen Apathie gab. Aufgeschreckt von den plötzlichen Gedanken längst vergessener Begeisterung und des Tatendrangen wollte ich dem sofort nachgehen. Bevor mich das Desinteresse wieder einholt. Das in die Tat umsetzen, was sich soeben im Kopf festsetzte…doch das war naiv. Steht doch zwischen meinem Willen und deren Ausführung noch immer die Exzentrik des Rechners.

Wenn du schon mit exzessivem Zocken die Zeit verschwendest, dann belästige dabei wenigstens noch andere. Frei nach dem Motto: Wenn schon hopsgehen, dann noch Unschuldige mitgerissen. Wo bleibt denn sonst das Abenteuer.
Somit zog ich los, informierte, investierte und innovatierte. Headset in guter Ausstattung. FRAPS, der Let´s Player liebstes Kind, und das Freiräumen von genügend Speicherressourcen.

Ja, ich wollte sofort loslegen. Mich hineinstürzen in den vermeintlichen Unterhaltungswert des Let´s play. Mich austesten, ob ich auch das Zeug dazu habe. Ob ich mit den großen mithalten kann und den kleinen zeigen kann, wie man es besser machten könnte. Kopfhörer um den Kopf geklemmt, USB-Stecker gezückt, auf Aufnahme geklickt und ab dafür…Naivität wie niedlich.

Natürlich kann ich labern, doch ist es das einzige, was ich auf der Aufnahme zu hören bekomme. Und so geheiligt ist meine Stimme auch nicht, als dass ich für den wirklichen Unterhaltungswert nicht auf den »Ingame-sound« angewiesen wäre. Doch dieser dümpelte nur als Widerhall dessen, was ich durch die Kopfhörer hörte, durch die Aufnahme.

Und was soll ich sagen. Nach drei Stunden Forenvisite freute ich mich zumindest, dass ich nicht der einzige gewesen war, dem solch´ ein Glück widerfuhr. Und es kotzte mich an, dass allzu viele das Problem gar nicht kannten. Somit, gelesen, gestestet. Einstellungsjonglieren par excellence. Und mit Erfolg, denn gelegentlich hörte ich gar nichts. Immerhin ein Wandel des Staus quo und eine Reaktion. Bis ich über den Begriff stolperte, der vielen FRAPS- und Windows XP-Nutzern wie der heilige Gral erschien, die Hoffnung schlechthin: Das Virtual Audio Cable.
Runtergeladen und installiert. Ja, super. Einstellungsjonglieren par excellence die Zweite, doch noch immer geschied nichts. Wieder Foren gewühlt »Ja, lasse das Spiel über die Boxen laufen und entnehme vom Micro nur die Stimme«…»Ja, stelle den Stereo-Mixer an«…»Ja, nutze doch einfach zwei Aufnahmeprogramme separat«…Ja, am Arsch.

Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass sich meine Laune antiproportional zur verstrichen Zeit verhielt. Und dies´ zudem als Exponentialfunktion. Denn immerhin wurde es Nacht…und wurde wieder Tag. Und letztendlich dachte ich mir »Leck mich doch am Arsch« riss das Headset vom Kopf und warf es in gewohnter Manier quer durch den Raum. Einer der Gründe übrigens, weshalb ich keine Funkmäuse mehr besitze. Und einer der Gründe, weshalb ich nun froh bin, dabei neuerdings immer auf das Sofa zu zielen.
Zerschmetterte derartige Technik zu früheren Zeiten zumeist auf dem Laminat oder an der Wand. Kurz nachdem ich, noch immer wutentbrannt, deren Flugbahn bestaunte. Wenig später die Stiefel schnürte und jenes bemitleidenswerte Gerät neu kaufte. Mouse, Tastatur, Kopfhörer. Ein Luxus des Vermögens, dem ich heute nicht mehr nachkommen kann. Und spätestens ab dem Mobiltelefon gewöhnte ich mir an, dieses auf weichen Untergrund zu schleudern.

Und so landeten die Kopfhörer gewissermaßen sanft auf dem Stapel von teilweise noch aufgeschlagenen Nietzsche-Büchern sowie deren Ausarbeitungen, die auf dem Sofa stapeln, und überlebten unbeschadet das Zerkochen meiner Geduld.
Ich allerdings nicht. Und bevor ich wirklich schlechte Laune bekomme, schnüre ich in alter Tradition die Stiefel…gehe ins Studio und schreie die verdammten Gewichten an. Und jeden Penner, der mich sofort mit Konversation belästigt. Immerhin ist verdammter Samstagmorgen, also haben die gefälligst im Bett zu bleiben oder sich im Garten zusammenzurotten. Außer es ist ein Informatiker, mit der Lösung schlechthin.

Sport frei.

4 Gedanken zu „Irrationaler Irrsinn oder imaginäre Informatik

  1. Haha, ich kenn das!! Man könnte das gesamte, vor kurzem noch vielversprechende EQuipment zum Fenster rausschleudern – und den Rechner gleich hinterher werfen!

    Immerhin hast Du eine gesellschaftlich einigermaßen verträgliche Deeskalationsstrategie für Dich gefunden! Was brodelt, muss raus. Und so nützt es Dir wenigstens noch was.

    Alles ist für irgendwas gut, wenn auch nicht immer für das, wofür es gedacht war.

  2. Diese Deeskalationsstrategie ist dennoch nicht das Maß der Dinge. Denn seit längerem erscheint mir der Kraftsport zum wirklichen Abreagieren als zu träge. Was ich in solchen Momenten bräuchte, wäre ein Boxsack. Doch im Moment bräuchte ich so einiges…angefangen mit einem guten Destillat oder einer guten Sedation. Und aufgehört bei einer Generalaufrüstung des Rechners.

    Grundsätzlich wird auch das Problem lösbar sein, aber dann sicherlich mit weiteren Kosten der Aufrüstung. Zumal mein Rechner, trotz wirklich guter Leistung, bei Aufnahmen innerhalb der DosBox schon an seine Grenzen geht.

    Nichtsdestotrotz werde ich dranbleiben und weiter über einen adäquaten Einstieg in die youtuber Freakshow nachdenken. Und damit auch einen Neuanfang der einst geplanten Lesung ins Auge fassen…

  3. Auch ich leide, wenn auch äußerst selten, unter deartigen Attacken unkanalisierbarer Energieausbrüchen. Doch ich habe mir im Laufe der Jahre einen Puffer zugelegt. Ein Puffer in Form von Zeit, die ich dazu nutzen kann, teuren und wichtigen Geräten aus dem Weg zu gehen. Der Puffer ist nicht der stärkste, er hält zur Zeit etwa 25 Sekunden. Dann bekommen meist alte Magazine ihr Fett weg (früher konnte ich mal Telefonbücher, aber das war einmal), die gedemütigt, beschimpft und zerstört werden. Dann landen sie im Altpapier. Wie es sich gehört.

    Attacken, die in Deformation von technischen Geräten mündete, kenne ich nur noch aus Zeiten des c64. Da habe ich dann nach jedem versauten 1000m Hürdenlauf (Summer-Games) das Plastikwunderwerk names Joystick (von wegen Joy!) gegen die Wand geschleudert.

    Was ich gemacht habe damit ich ruhiger werde? Ich prellte mir die Hand einmal so stark, dass ich 1 Woche gar nicht mehr spielen konnte. Seitdem bin ich ruhiger. (Nicht zum nachahmen empfohlen, das tat (soweit ich mich erinnern kann) sauweh).

  4. Zu C64-Zeiten war ich ruhiger, dahingehend schon fast gelassen. Ebenso bei allem, was die Amiga-Ära betraf. Zumal man damals auch in Sachen Software noch nicht so auf die Palme gebracht worden war. Entweder es funktionierte oder eben nicht, wurde umgetauscht und funktionierte dann.
    Davon mal abgesehen wäre mir damals ohnehin eine Wutbremse gesetzt worden. Nämlich die Tatsache, dass sämtliche Ausrüstung meinem Bruder gehört hatte. Wobei die Joysticks so oder so oft genug den Federbruch erlitten.

    Heute bin ich recht unentspannt und ungeduldig geworden, weshalb ich auch prinzipiell nur im einfachsten Modus zocke. Ich will beim spielen einfach meine Ruhe haben, mich entspannen können, die Grafik genießen, ablenken…und dessen, was mir als Alltag anhängt, entfliehen können. Und sollte mir ein Spiel zu sehr auf die Nüsse gehen, wie letztens wieder »Evil Genius«, dann wird eben zu Cheats gegriffen und fertig. Der Einrichtung und Ausrüstung zum Wohle…denn Telefonbücher stehen bei mir leider nicht im Schrank. Und Fachliteratur als Alternative zu nutzen ist auch eher suboptimal.

    Es gelang mir zum Glück noch nicht, mir die Hand zu prellen. Zwar meldeten die Nervenbahnen oft genug ihren Ärger über den Wutausbruch an, doch das war binnen weniger Minuten wieder verklungen. Selbst wenn die Tasten, die als Aufprallfläche erhalten mussten, fast schon in der Tischplatte stecken…übrigens auch einer der Gründe, weshalb ich am Schreibtisch keine Platte aus Glas haben möchte.

    Am interessantesten fand ich es allerdings, als ich eine Glasflasche zum Opfer erwählte. Der Internetanschluss zickte mal wieder herum, und manchmal benötige ich das Netz für wirklich wichtige Dinge, und ich stand schon leicht gereizt vom Bürostuhl auf, um der Internetbox einen Neustart abzuverlangen. Und stolperte fast über jene Flasche, welche die Dreistigkeit besessen hatte, noch immer dort zu stehen, wo ich sie platziert hatte. Nämlich mitten im Weg. Ein spontaner Tritt und die obere abgesplitterte Hälfte segelte in Richtung Tür, während der untere Teil noch immer regungslos auf dem Boden verharrte…solche interessante Schauspiele bewundern zu können hilft auch, um die Wut verpuffen zu lassen. Doch derartiges gelang mir seitdem nie wieder.

    Wie dem auch sein. Denn wenn ich bedenke, wie manche bei youtube reagieren, sei es gestellt oder nicht, dann habe ich in meinem Wesen noch immer etwas buddhistisches oder stoisches.

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