inleitend muss ich sagen, dass ich kein politischer Mensch bin. Gehässig gesagt betrachte ich jeden Menschen, der sich der Politik zuwendet, für zu gelangweilt und geistlos, um sich mit gehaltvollen Dingen zu beschäftigen.
Allerdings mag ich diese Aussage nicht pauschalisieren. Schon alleine aus dem Grund, dass mir bis dato genug politikinteressierte Menschen begegneten, die alles andere als verbohrte Schattengestalten waren.
Viele verbreiteten sogar ein hohes Maß an Faszination. Was man allerdings von den wenigsten behaupten kann, die sich in unserem Politapparat die Hintern breit sitzen und mittels Diäten wieder zu straffen versuchen.
Nichts-desto-trotz ließ ich mich zu einem politischen Exkurs hinreißen. Oder zumindest zu einem Fragebogen, der in die Richtung schlägt. Wer daran gefallen findet, der kann sich diesen einverleiben.
Wem meine Antworten aufstoßen, der darf sich gerne hier entleeren. Und wer mich politisch korrekt zu verbessern weiß, der kann ebensogut mit seiner Raufasertapete debattieren.
Heute schon mit Politik befasst?
Nicht im Geringsten. Das überlasse ich denen, die entweder noch gelangweilter sind als ich, oder sich mehr damit auskennen.
Meist erreichen mich auch nur die Nachrichten, die an mich persönlich herangetragen werden. Zumindest wenn ich zufällig in Hörweite stehe oder jemand meint, dass es mich interessieren könnte. Oder der schlimmere Fall: Jemand meint, dass mich dieses zu interessieren hat.
Wie sagte einst ein schlauer Kopf »Die Scheiße bleibt dieselbe. Es ändern sich nur die Fliegen, die darauf sitzen« Warum sollte man sich demnach Tag ein Tag aus denselben Gedankenexkrementen widmen.
Politisch interessiert?
Gegenüber dem Soll eines Gutmenschen lebe ich recht desinteressiert in den Tag hinein. Nur bei Themen, die mich direkt betreffen oder auf die ich durch Zufall stoße, werde ich hellhörig.
Ansonsten interessiert mich die Politik ebenso stark, wie ich die Politik interessiere. Auch wenn ich beim Kabarett zumeist weiß was gemeint ist.
Schon einmal gewählt?
Immer. Wenn auch nur als rein formaler Akt zur Verhinderung der Stimmenverschwendung. Das ganze drum herum interessiert mich ohnehin nicht mehr. Da der Rest der Wählerschaft traditionell die größten Flachpfeifen an die Macht bringt und dann die Medien volljammert.
O-Ton: »Die FDP wähle ich nie wieder, die hat uns ja betrogen« Was für eine Erleuchtung. Selbst ich hätte denen das im Vorfeld prognostizieren können.
Wer ist amtierende(r) BrundespräsidentIn?
Keine Ahnung.
Wer ist amtierende(r) BundeskanzlerIn?
Ok, weiß wohl jeder.
Wer ist amtierende(r) MinisterpräsidentIn?
Wem nützt das Wissen?
Rechts oder Links?
Weder noch. Früher einmal »Links« gewesen, bis mir ein nettes Sprüchlein und diverse Ereignisse den Blick erweiterte: »Wer zu weit links steht, kommt rechts wieder raus« Darin liegt genug Wahrheit, um die Radikalen zu verschmähen und beide Argumente auszuleuchten.
Wobei ich sagen muss, dass mir »Rechts« für eine Beachtung auf den Stimmzettel zu primitiv und falsch daherkommt. Auch wenn ich für mehr Nationalgefühl bei der Landesleitung plädiere, so sollte dieses doch ehrlich, neutral und mit Sachverstand geschehen.
Und diese drei Aspekte stehen in keinem Bezug zu den hiesigen Parteien, die sich den nationalen Gedanken auf die buchstäbliche Fahne schreiben.
Ich kann ja soviel sagen, dass meine Wahl zumeist auf jene Gesellen fällt, deren vermeintliche Vergangenheit in westlichen Gefilden noch nicht überwunden wurde.
Für Deutschland:
Die erste Strophe der Nationalhymne ohne nachzulesen.
»Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt. Laßt uns dir zum Guten dienen.
Deutschland einig Vaterland« Nein, veraltet.
»Deutschland, Deutschland über alles…?« Ach nein, das steht heute im anderen Kontext.
Keine Ahnung, irgendwas mit »Brüderlichkeit, Recht und Freiheit«…oder?
Nationalist oder Patriot?
Für was? Für das Land als staatliches Organ mit dem hiesigen Regierungsapparat? Wohl kaum.
Patriotisch bin ich wohl gegenüber des kulturellen und wissenschaftlichen Erbes. Womöglich besitze ich auch gegenüber der Sprache nationale Gefühle, doch sämtliche Sympathie mit dem Land ist losgelöst von der Politik und sämtlicher Stolz nicht chauvinistisch zu verstehen.
Ansonsten…ich befasse mich mit Neofolk, demnach scheiße ich noch nicht ganz auf das Wesen dieses Landes.
Stolz?
Der stets gutgelaunte Arthur Schopenhauer ließ sich einmal zu jener These hinreißen:
»Jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein?
Hieran erholt er sich und ist dankbar bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, pyx kai lax [Anm.d.R. »mit Händen und Füßen«] zu verteidigen«
Recht hat er und ich verwehrte aus diesem Grund den Dienst an der Waffe. Nicht wegen der Waffe. Doch soll ich auf diesen Landstrich einen Eid schwören und stolz drauf sein.
Da tat ich lieber etwas sinnvolles und nachhaltiges. Und nahm mehr Lebenserfahrung wenn auch weniger Sold mit, als jede gehorsame Auslands-Erdkröte.
Ost-West-Konflikt?
Natürlich ist ein solcher vorhanden. Vielleicht widerfuhr den Argumenten ein Wandel, aber mehr auch nicht. Solang selbst in der Politik noch unterschieden wird, solange man noch immer von alten und neuen Bundesländern spricht, solange mutiert der Unterschied noch immer zur Stereotype in den Köpfen vieler Bürger.
Und solange man sich nicht wirklich traut aufzuklären, solange werden an beiden Stammtischen auch weiterhin ein und dieselben Phrasen über die Bierlache gleiten.
Solange die Klischees nicht öffentlich und offiziell entkräftet werden (wollen), wird für den Wessi jeder Ossi grundsätzlich nur im sächsischen Dialekt kommunizieren und Deutschland den Ruin gebracht haben.
Und für den Ossi wird der Wessi weiterhin nur der überhebliche Bonze sein, der diesen aus Prinzip verarschen will. Und mit der Mauer war ohnehin alles besser…
Deutschland im positiven:
Der Reichtum der Sprache. Diese Vielfältigkeit, die derer innewohnt. Man kann ein Wesen mit dutzenden Worten beschreiben und doch besitzt jedes Wort eine spezielle Eigenart, die es von den anderen in seiner Bedeutung unterscheidet.
Die Kunst der Rhetorik des antiken Griechenlands lässt sich innerhalb dieser Sprache perfekt aufgreifen. Zudem besitzt diese Sprache die Fähigkeit, so treffsicher wie knapp beleidigen zu können.
Das Erbe an Kultur und Wissenschaft, das diesem Land beiwohnt.
Deutschland im negativen:
Der Stillstand innerhalb dieses Landes. Dass man die Schaffung von Bildung untergräbt.
Die vermeintliche Lobbyarbeit und Faktenverdrehung. Bestes Beispiel ist die Pauschal-Hetze auf Hartz 4-Bezieher, welche innerhalb des Proletariats [Anm.d.R. im sachlichen Kontext] brodelt.
Anstatt über den Tatbestand, dass Vollzeitarbeitnehmer für ein unmerkliches Mehr an Auskommen buckeln müssen, auf die Barrikaden zu gehen, echauffiert man sich allein über die, die ohnehin schon am Boden liegen..
Als Ausländer gesehen?
Wohl das Land der Pedanterie und Unzufriedenheit. Und da sich beides bedingt, wird es auch nicht besser werden.
Zudem das Land von Bier, Hitler, Bayern, Sauerkraut, Kindergarten, der Scheißenfreundlichkeit und Rostbratwurst.
Aber auch das Land der Kultur. Viele sehen Deutschland ja noch immer als das Land der Dichter und Denken an. Zumindest wenn sie alte Schriften studieren.
Welcher ausländische Schmähbegriff ist sympathisch?
»Krauts« Ich finde es putzig und benutzte es des Öfteren in Netzwerken.
Welcher ausländische Schmähbegriff ist unsympathisch?
»Nazi« Auch wenn es mich amüsiert, von Bürgern eines Landes so genannt zu werden, dessen Geschichte von Landraub, Völkermord, Sklaverei und Intrigen durchzogen ist. Und sich diese dabei noch in ihrer moralischen Überlegenheit toll vorkommen.
Doch die Generation der aktiven dieser Zeit ist in den nächsten 10 Jahren gänzlich ausgestorben. Das Land besteht alleine noch aus deren Kindern und Enkeln.
Also was soll der Schwachsinn von wegen Gewissensbiss der Vergangenheit. Man soll dessen gedenken, selbstverständlich. Aber nicht für die Reue, nicht für die Schuld, sondern für die Geschichte und die Lehre.
Du fühlst dich als…?
Im geografischen Sinne: Als Mitteleuropäer deutscher Nation.
»Europa ist meine Königin; meine tote Königin. Es gibt keine Soldaten mehr für dieses Königreich, nur Idioten« -Angelo Bergamini
Auch wenn dich das jetzt enttäuschen wird: ich bin zu 98% deiner politischen Meinung. Erschreckend! ;o) ehrlich!
Die 2% sind, dass ich schon froh bin deutsch zu sein, ganz ohne braunen Hintergrund, sondern einfach weil ich Deutschland mag und auch zu unseren charakterlichen Eigenarten stehe – den positiven wie negativen. Ich bin nicht stolz auf unsere Regierung, aber auf das was uns als Volk ausmacht. Wir müssen uns da als Nation nicht immer verstecken. Auch wenn uns der Nationalstolz aberzogen wurde.
Was Zivi oder Bw angeht: beides wichtig in dem Sinne dass ich in beiden Bereichen sehr liebe Menschen kenne und jeder das wählen können sollte was seiner Überzeugung entspricht.
Es enttäuscht mich ganz und gar nicht. Schließlich sollen diese Worte ein Bild ergeben und keine allgemeine Entrüstung provozieren.
Doch vielleicht erschreckt unsere Deckungsgleichheit andere, die in den Worten womöglich wieder verräterischen Nationalstolz sehen.
[…]Die 2% sind, dass ich schon froh bin deutsch zu sein[…]
Wie gesagt, einer meiner Leistungskurse war Gemeinschaftskunde (Deutsche Geschichte mit sozialpolitischem Schwerpunkt) und ich studierte ein paar Semester Germanistik. Dieses macht man nicht einfach so nebenher, dazu braucht es schon einen ideellen Bezug zu dem Land, wenn nicht sogar einen gewissen Grundstolz.
Und den habe ich definitiv. Schon allein des Erfindungsgeistes wegen, der auf deutschem Boden geschahen. Die Weltliteratur, die aus der deutschen Sprache entstand. Die Kunst. Das Land in seiner Geografie, die Architektur.
Da kann man sich schon etwas drauf einbilden, dass man zufällig dazugehört. Doch das ist der Punkt, weshalb ich gerne von der Benutzung des Wortes »Stolz« absehen würde. Man tat nichts dafür, um in Deutschland geboren worden zu sein. Man ist es einfach, ohne eigenes Zutun, ohne Wen und Aber. Kann man somit auf etwas stolz sein, was man gar nicht aus eigener Kraft erreicht hat? Einfach stellvertretend aufgrund der Taten anderer?
Ich weiß es nicht. Womöglich interpretiere ich das auch falsch oder überbewerte das Wort an sich.
Aber es stärkt schon das Bewusstsein, dass die Landesgeschichte, und damit die eigene, an solche Ereignisse und Namen geknüpft ist.
[…]Wir müssen uns da als Nation nicht immer verstecken. Auch wenn uns der Nationalstolz aberzogen wurde[…]
Genau das ist der Punkt. Ein Land ohne Nationalstolz gibt sich kampflos auf und verliert sich. Ein Land ohne einen Bezug zu seinen Grenzen, ohne Grenzsteine, zerbricht.
Ersteres wird einem ohne das Ausformulieren einer Rechtfertigungsrede nicht mehr zugestanden. Und Zweiteres durch die Globalisierung und den Wahn zum einheitlichen Europa nach und nach abgerissen. Nichts gegen ein zusammengehöriges Europa, doch man sollte es auch nicht übertreiben.
Man muss für eine Lektion in Sachen Nationalfetisch auch nicht immer nur auf die USA blicken. Auch unsere unmittelbaren Nachbarn machen es vor. Frankreich beispielsweise oder die Schweiz.
Jedes Land hat seine Leichen im Keller. Deutschland wohl mehr als Frankreich und die Schweiz zusammen, denn ich glaube allein der Stalinismus und die Amimacht war dahingehend fleißiger als der Nationalsozialismus. Wobei es beim Stalinismus auch die Landesgrößte bedingte.
Doch muss man wegen dem »1000jährigen Reich« auch automatisch wirkliche tausend Jahre Geschichte in dessen Schatten stellen. Wer der Zeit des Nationalsozialismus heute noch solche Macht zugesteht, der betreibt noch immer Verherrlichung.
Die Zeit soll in der Geschichte eingehen, mit ihrer ganzen Gewalt und Wahrheit. Mit ihrer Begeisterung und ihrem Widerstand. Sie soll erinnern und weder leugnen noch verdrängen. Doch sie soll nicht mehr als Schablone oder Stempel für das heutige Landesbewusstsein dienen.
[…]Was Zivi oder Bw angeht: beides wichtig in dem Sinne dass ich in beiden Bereichen sehr liebe Menschen kenne und jeder das wählen können sollte was seiner Überzeugung entspricht.[…]
Ich kenne in beiden Bereichen auch sympathische wie unsympathische Menschen. Und auch wenn die Bundeswehr als Verteidigungsarmee längst für das Länderkriegsspiel missbraucht wurden war, so war diese radikale Ausmerzung zum Prinzip her undurchdacht.
Man braucht keine Soldaten, um über den Hindukusch zu robben, Amerika das Öl zu sichern oder sich in Afghanistan die Sonne auf die Stiefel brennen zu lassen. Man braucht diese nur, wenn der Feind mit grimmiger Mine zu den Landesgrenzen aufbricht.
Doch hier in Europa? Bei der heutigen Technik? Da jagen kurz ein paar Geschosse durch den Äther, es rumst mit lustigen Pilzwolken und das war´s. Da retten die paar Fußsoldaten ohnehin nichts mehr.
Wie viele die Bundeswehr aus Überzeugung wählen, sieht man ja nun nach dem Umbruch. Der Bund sucht händeringend Nachwuchs und bekommt eine handvoll patriotismusverklärter Hauptschüler. Einmal fies gesagt.
Man merkt, dass der Großteil der Jugend besseres zutun hat, als zu dienen, zumindest ab einer gewissen Bildung. Als Übergang war diese Zeit perfekt. Mir gab sie beispielsweise den Anreiz zum Lebenswandel, doch vielen schnitt sie einfach merklich in die Selbstverwirklichung.
Natürlich wird es auch genug geben, die nichts zu tun haben und dennoch nicht gehen. Natürlich gibt es auch die ideelle Vernunft unter den Anwärtern. Doch ohne Grund hat man nun keine Sorge, dass mit der Reform plötzlich das ganze System ins wanken gerät.
Für die Bundeswehr tut es mir nicht leid. Je weniger dort sind, desto weniger müssen ihr Leben für Interessen riskieren, die weder in ihrem Sinne sind, noch für den unmittelbaren Landesschutz stehen.
Leid tut es mir für das Sozialwesen. Mit dem Wegbruch des Zivildienstes wird dieser ausbluten. Wer macht das schon aus reiner Freiwilligkeit?
Und wer glaubt, dass dieses Arbeitskräftevakuum mit Vollzeiteinstellungen oder Geldern gestopft wird?
Am Ende wird das nur die Gesetze beschleunigen, die jeden Hartz-4-Dödel zum Sozialdienst auf 1€-Job-Basis verpflichtet. Wenn überhaupt.
Allerdings sehe ich bei den wenigsten Harzt-4-Empfängern die nötigen sozialen Kompetenzen. Zumindest wenn ich meine Erfahrung mit dahingehenden Langzeitbeziehern hochrechne und das auf meine Zivizeit überschlage.
Denn ich habe wirklich schwer geackert und musste allzu gewissenhaft vorgehen.
Ich sah ebensoviel Verderben, abtransportierte ebensoviele Tode, doch wischte wohl mehr Blut und Körpersaft auf, als/wie ein Soldat im Auslandseinsatz. Mit dem Unterschied, das mir nicht zum Dank die Kugeln um den Kopf schwirrten. Doch ob man diese spezielle Erfahrung benötigt, um sich etwas einbilden zu können ist fraglich.
Du hast irgendwie die Gabe, meinen Gedanken die wörtliche und oft auch ‚weiter-denkerische‘ Tiefe zu verleihen. Ich finde das faszinös und beeindruckend. Das meine ich ehrlich und als Kompliment!
Also ich schließe mich auch deinem Kommentar komplett an, möchte Dir aber noch deine wenn auch eher in den Raum gestellte Frage beantworten – aus meiner persönlichen Sicht:
„Kann man somit auf etwas stolz sein, was man gar nicht aus eigener Kraft erreicht hat? Einfach stellvertretend aufgrund der Taten anderer?“
Sicher ist bei meinem ‚Stolz‘ auch ein gewisser Anteil Fremdstolz dabei auf die von dir angesprochenen Dinge, für die ich nichts kann. Auf positive Vermächtnisse, in die ich glücklicherweise zufällig hineingeboren wurde.
Klar, mit dem Ausdruck „stolz sein“ haben viele ein Problem. Wurde es in unserer Geschichte doch zu oft missbraucht von den NS-Schergen und deren heutigen hirnbefreiten Nachfolgern.
Ich persönlich bewundere und mag z.B. die Franzosen für ihren Nationalstolz. Und die haben jetzt auch nicht so die rühmlichsten Momente der Geschichte gestaltet. Aber sie sind eine eigene Nation, bewahren sich diese auch und sind stolz darauf. Genau wie die Schweizer.
Mein ‚Stolz‘ bezieht sich z.B. auf einen Großteil der Werte in unserem Land/unserer Demokratie, die auch ich verkörpere bzw. die mir wichtig sind und die ich lebe in meinem ‚bescheidenen persönlichen Rahmen‘ (z.B. Umweltbewusstsein, gegenseitiges Helfen, ökologische Denkweisen, Interesse an anderen, nicht nur bis zur Landesgrenze denken…, Leistungsbereitschaft, Offenheit, Gastfreundschaft, gelebte Meinungsfreiheit). Oder auch auf Ereignisse der jüngeren Geschichte wie die Fussball-WM in DE, mit der wir die ganze Welt für Deutschland begeistert haben, sie war friedlich, fröhlich und hat in diesem Miteinander und Sommertaumel sogar Nicht-Fussballfans wie mir Spaß gemacht!
Außerdem sind wir immer noch das Volk der Denker: in vielen Ländern ist die breite Masse der Bevölkerung nicht so gut informiert wie in Deutschland. Also ist wohl das Bildungssystem von außen geseehen gar nicht so schlecht. Von innen gesehen bin ich absolut deiner Meinung!
Ich habe mir auch sagen lassen: es gibt nirgens so eine Pressevielfalt wie in Deutschland. Es gibt bei uns sehr viele Schriftsteller, viele Blogger (hier musste DE etwas nachziehen ist aber im europäischen Vergleich nicht übel), viele Künstler. Kunst, Kultur, Kritik kann sich hier frei entfalten – darauf bin ich stolz. Zugegeben ist hier viel Fremdstolz dabei. Aber ein Leben reicht nicht, das alles auszufüllen, aber ich kann sagen: in dem ich es konsumiere und wahrnehme, besuche, lese, mit anderen teile verhelfe ich auch zum Erfolg. Genau so als würde ich es selbst produzieren. Deutschland ist immer ncoh ein Land, in dem sehr viel gedeiht. Einzigartiges. Neues. Kann man schon mal stolz sein drauf. Von anderen Ländern hört man da z.b. nicht so viel. Wenn gleich ich das nict mit Zahlen untermauern kann. Ist nur mein Eindruck. Deutschland ist aktiv – und ich bin es mit, bin Teil davon.
Ich messe das mit dem Stolz auch daran, wie gern ich im Ausland sage, woher ich komme. Und ich sage es gern. Ganz besonders in Goth-Kreisen, worum man – außer vllt. in UK – immer beneidet wird.
Den größten Fremdstolz hab ich übrigens auf die Band Kraftwerk, die jeder im Ausland zu kennen scheint, die alles synthetisch-elektronische in Bewegung gesetzt haben. Wer weiß ob und was sich ohne Kraftwerk entwickelt hätte?
Und auf die frühen Stummfilmproduzenten anfang des letzten Jahrhunderts, als sogar Hollywood nach Deutschland schaute. Auf Murnau, Fritz Lang, Paul Leni.
Man sollte nicht ausblenden und wir sollten uns der Geschichte bewusst sein. Sie kennen und dafür sorgen dass nie wieder so etwas geschieht. Aber mich heute noch dafür zu schämen oder aus diesem Grund auf die o.g. Dinge nicht stolz zu sein sehe ich nicht ein.
Zum Thema BW und Zivi:
Jeder den ich kenne, ist egal welchen Weg er früher gewählt hat, in seiner Rolle bei der BW oder als Zivi daran gewachsen. Innerlich gewachsen. Die meisten hat es sicher im positiven Sinne geformt. Auch das fällt weg bedauerlicherweise. Es beraubt die Jugendlichen des letzten Rests Identifikation mit unserem Land oder diesem System und manch künftig arbeitsloser Jugendlicher wird sich noch wertloser vorkommen. Manch einer hat sicher auch erst durch die BW oder bei der Pflege im Altenheim seine berufliche Bestimmung oder Zukunft entdeckt.
Ansonsten teile ich deine Bedenken, was die Zukunft des dringend benötigten Zivildienstes bzw. der Pflegekräfte angeht.
Der Vorschlag, Hartz-IV-Bezieher als Pflegekräfte zwangszuverpflichten ist das Dümmste, was ich in letzter Zeit gehört habe und das Schlimmste was uns diesbezüglich passieren kann. Eine Politikerin, deren Namen ich leider vergessen habe, hat „dagegen“ kürzlich sehr schlau gesagt, dass wir ungelernte Hartz IV-ler auch nicht in unsere Autowerkstätten lassen würden (wenn dort ein Mangel an Arbeitskräften bestünde), damit sie helfen unsere Autos zu reparieren. Aber in die Pflege könne man sie wohl ruhig stecken, da geht es ja nur um Menschen! Dieser Vorschlag suggeriere, dass die Pflege von Senioren und kranken Menschen eigentlich jeder könne. Fast so wie Erdbeeren und Spargel und Wein ernten… unglaublich! Den Vergleich mit dem Auto fand ich sehr treffend. Wenn wir dahin kommen, dass wir ungelernte Kräfte unsere Kranken und Alten pflegen lassen dann kann ich nur noch „Gute Nacht, Deutschland“ sagen!
Auf dieses Rumgehacke und Anti-Hartz-IV-Stimmungsmache seitens der Medien bin ich übrigens keinesfalls stolz. Das haben wir aber der Bundespolitik und manchen Medien zu verdanken, auf die ich es auch nicht bin.
Und ich dachte immer, ich wäre hier der einzige, der ganze Aufsätze in die Kommentare verfrachtet ;)
[…]Du hast irgendwie die Gabe, meinen Gedanken die wörtliche und oft auch ‘weiter-denkerische’ Tiefe zu verleihen.[…]
Kellerkinder kennen sich. Und ich machte oft genug die Erfahrung, dass im-Skorpion-geborene ein seltsames gedankliches Band verbindet. Zumindest -ohne jetzt gewissenlos herabwürdigend wirken zu wollen- ab einem gewissen Horizont.
Mir begegneten auch schon oft genug Skorpionen in »Ey Alda alles klar« -Manier. Und bei solchen Gestalten möchte ich nicht von geistiger Verbundenheit oder einer gewissen Grundsympathie sprechen.
Das Thema Stolz ist definitiv interessant. Und ich gebe dir Recht. Der Wille zur Verbundenheit, zu einer gewissen Identifikation, basiert unweigerlich auf Fremdstolz. Dieser muss auch legitim sein, da man sonst keinerlei Bindung bzw. kein Wir-Gefühl aufbauen kann. Ich glaube solche Schlagworte wie Treue, Loyalität und Vertrauen werden ebenso von einem gewissen Fremdstolz eingeleitet. Liebe kennt den Stolz auf den Partner wohl ebenfalls zur genüge.
Mich stört nur etwas an dem Wort an sich. Nicht einmal an dessen Bedeutung. Mir ist es auch gleich, dass dieses Wort vor einigen Jahrzehnten überstrapaziert worden war. Mir missfallen einfach der Klang und eine unsympathische emotionale Assoziation. Werde dem mal bei Gelegenheit intensiver nachgehen müssen.
Die gelebte Meinungsfreiheit ist in diesem Land definitiv etwas worauf man sich etwas einbilden kann. Zumindest wenn man damit nicht gegen die Verfassung oder Geschichtsbücher verstößt.
Dabei kann es auch egal sein, dass in diesem Lande jeder Depp glaubt, eine Meinung haben zu müssen und die wirklich wichtigen Dinge durch die daraus entstandene Affenhausatmosphäre (gerne) überhört werden.
Man darf sagen was und wie man es will, ohne befürchten zu müssen, dass demnächst unsympathische Anzüge oder Uniformierte an der Tür klopfen. Das ist wirklich ein Kulturgut, auf das man sich etwas einbilden kann. Trotz aller berechtigten Kritik an der steigenden Überwachung und Vergläserung des Menschen. Doch in genügend Ländern ist selbst das Internet Luxus, von der dort platzierten Meinung ganz zu schweigen.
[…]Oder auch auf Ereignisse der jüngeren Geschichte wie die Fussball-WM in DE, mit der wir die ganze Welt für Deutschland begeistert haben, sie war friedlich, fröhlich und hat in diesem Miteinander und Sommertaumel sogar Nicht-Fussballfans wie mir Spaß gemacht![…]
Mir, der dem Fußball nicht gerade mit Wohlwollen gegenübersteht, ging die Zeit extrem gegen den Strich. Was damals wahrscheinlich auch von persönlichen Problemen verstärkt worden war.
Aber dieses andauernde Geplärre nur weil so ein verdammter Ball in ein Netz rollte. Ich fange ja auch nicht jubbelnd zu brüllen an, nur weil ich beim Austreten der Musikanlage den richtigen Knopf traf.
Und diese volltrunkenen Proleten, die dann von der Kneipe mit Großbildfernseher nach Hause stolperten und dabei gelegentlich parkende Fahrzeuge vollem Körpereinsatz »signierten«
Und dann diese Nachmittags-Nationalismus. Dieses Bekenntnis zum Deutschland, das so schlagartig wie hysterisch über die Städte einbrach, dass es lächerlicher gar nicht hätten sein können.
Jedes Fahrzeug war geschmückt als säße der deutsche Staatsempfang persönlich da drinnen. An jedem Balkon und jedem zweiten Fenster wurde man erinnert »Ach ja, da wohnen ja Deutsche. Hätte ich ohne die Flagge gar nicht gedacht«
Nein, diesem WM-Portionspatriotismus kann ich nichts abgewinnen. Und wehe dem, man läuft außer der Saison mit einem BW-Hemd rum und war zu faul den schwarz-rot-goldenen Farbstreifen vom Ärmel zu trennen…die meisten Flaggeschwengel unter diesen Fußball-Fernsehrfletzern wissen mit Sicherheit nicht einmal deren Bedeutung.
[…]Es beraubt die Jugendlichen des letzten Rests Identifikation mit unserem Land oder diesem System und manch künftig arbeitsloser Jugendlicher wird sich noch wertloser vorkommen.[…]
Nicht unbedingt. Wenn man sich einmal die Welt so anschaut, dann kennen ganz Nordamerika, Australien und Indien die Wehrpflicht nur noch vom Hörensagen. Und auch in Europa gehört nur noch in wenigen Ländern der unfreiwillige Einberufungsbefehl zum Lebenslauf. Einzig noch Österreich, die Schweiz und die Skandinavier. Somit kann man nicht gerade sagen, dass das rein freiwillige Erdkrötendasein zu einem Mangel an Identifikation führt.
Als arbeitsloser Jugendlicher würde ich mir überlegen, ob ich nicht kurz bei einem der beiden Vereine mitmache. Wer auf den Gedanken allerdings kommt, ist dann selber Schuld. Da die Bundeswehr definitiv mehr zu bieten haben kann als Spindsaufen und Gehorsam. Und der Zivildienst nicht nur aus Arsch abwischen und Wochenendarbeit bestehen muss. Wobei jeder, der im Heim Windel wechselt, für mich mehr Wert besitzt, als irgendein klugscheißender Analyst.
[…]Der Vorschlag, Hartz-IV-Bezieher als Pflegekräfte zwangszuverpflichten ist das Dümmste, was ich in letzter Zeit gehört habe und das Schlimmste was uns diesbezüglich passieren kann.[…] dass wir ungelernte Hartz IV-ler auch nicht in unsere Autowerkstätten lassen würden […]
Das Gleichnis mit dem Auto ist definitiv treffsicher. Zumal auch einige Zivis mit dem Vorurteil »In der Pflege arbeiten kann ja jeder« arg auf die Fresse flogen. Auch meine damalige Station animierte einige zum vorzeitigen Abbruch.
Ehrlich gesagt würde ich das Angebot sogar annehmen. Wenn man nicht zwangsverschickt wird, sondern sich die Stelle heraussuchen kann und dafür ein paar Ois mehr im Monat bekommt, dann wäre es ja fahrlässig abzulehnen.
Doch ich weiß worauf das dann wieder hinauslaufen würde. Die Leute werden in Schulungen von zwei Wochen bis irgendwann gesteckt und im Schnellkurs auf sozial kompetent getrimmt.
Dann dürfen sie für den symbolischen 1 € den vollen Arbeitseinsatz leisten und sich nur deshalb nicht ausgebeutet fühlen, weil die Krankenschwester, die an ihnen vorbeihetzt, nach Abzügen der monatlichen Umkosten auch nicht mehr auf den Konto hat.
Und nach den Monaten sitzen sie entweder wieder vor dem Fernseher oder durchlaufen aufgrund von guter Führung eine Endlosschleife. Immer wieder von vorn und getarnt als neue Maßnahme oder neues Projekt, damit man ja nicht in die Verlegenheit kommen muss, diese Menschen einzustellen.