Der Rabe

von Mond und Unwetter verschont, bis zum Donner der da krachte
über meinem Buch erwachte, das ich vorhin gelesen…um mich abzulenken
meine Seele nicht der Qual zu schenken, in dem Haus, das ich bewohnt
jetzt nun einsam und allein, ohne mein geliebtes Wesen,
welches einst noch mit mir hier gewesen
und dort saß im Sonnenschein
gar nicht so lange ist es her….
doch nun geschied dies nimmermehr

ich sucht in alten Werken mein Vergessen,
manche verstaubt, manche fettig…Vater Zeit wird langsam dreckig
„Tagebücher, die mir ihre Seele offenbaren,
sind zwar verschlossen,
doch halte ich es für angemessen, in ihnen zu lesen.“
damit ich mich nicht länger quäle, doch wieder seh´, was einst gewesen,
draußen wütet der Elemente Kind,
immer stürmischer jagt der Wind, mit dem Zittern meiner Hände
als wäre er verdrossen und noch lang nicht am Ende
ein Toben wie schon lang nicht mehr
und endet heut´ wohl nimmermehr

ein Blick in die ersten Seiten stürzt mich in Verderben,
getränkt mit tiefer Trauer
im Kamin lodern Flammen, so gierig, als wenn grade der Hölle entrannt
als Boten Satans gut bekannt, mir ständig bittere Wärme übersandt…
ich lese weiter im Ledersessel,
lese gebannt wie gespannt
lese, geplagt von seelischen Schauer;
dennoch, ihre Schrift ist meine Fessel
aber nur unruhig huscht mein Blick hin und her
mich tief zu konzentrieren vermag ich nimmermehr

über´m Kamin hängt ihr Bild:
begehrenswert, groß, porträtiert mit lächelnden Gesicht
„Es wurde geraten dich zu entfernen. Dazu bin ich nicht gewillt,
Gestern, Heut und Morgen nicht.“
da rufst du mich her, aus dem Nebenzimmer
erst leises Gewimmer und zu verstehen nur sehr schwer
doch dann deine Stimme, Widerhall schallt überall
ich wache auf im leeren Raum
„Nur der Traum von einem alten Spinner.“
dachte ich und nichts mehr.

draußen tobt die Hölle auf Erden,
der Wind jault ein Lied vom Sterben
so heulend rast er um das Haus
das Dach am biegen, die stämmigen Bäume am hin und her wiegen
dennoch bleibt das Haus standhaft; gegensätzlich zu mir
ist nicht krankhaft von Trauer, wünscht sich nicht das es krepier…
ein Klopfen, behutsam und sacht, hat mich noch nicht aus den Gedanken gebracht
ständig schallt etwas zu mir her,
ein Klopfen und nichts mehr

Sehnsucht trübt meinen Sinn, wie verschleierndes Gespinn
aus Verzweiflung eine Frage: Ob meine Liebe ein Engel wär´
diese Ungewissheit quält mich schwer
wieder klopft es, deutlicher als vorher, riss aus Gedanken und erschrak mich sehr
verwundert öffnete ich die große Forte, starrte hinaus und ohne Worte trat ich in den Garten
„Niemand hier? Keiner da! War ja klar und zu erwarten;
wer findet bei solchem Wetter auch mein Haus.“
ich ging zurück und machte mir nichts draus.
war wohl der Wind, welcher den Regen jagt vom Himmel her
ob er die Wolken wieder ruhen lässt…wohl nimmermehr

dennoch war das Klopfen; härter als von Regentropfen
klopfen wie von Menschenhand
ließ mich erstarren mitsamt Verstand
ächzend schwer fiel die Tür ins Schloss, als mein Blick zum Fenster schoss,
mit dem Vorhang der da wehte
und beim Wind um Gnade flehte
reißend schlenkerte es ihn herum, als ich ihn packte und zur Seite schob
und auch gleich den Laden hob
mein Drang zu Fluchen wurde stumm und ich schaute nur recht dumm.

denn hinter meinem Fensterladen, durch sein krächzen sich verraten
stand ein Rabe, stolz und eitel, starrt mich an mit einem Auge,
dass ich mir dann doch erlaube, leicht zu schmunzeln, jedoch gleich die Stirn zu runzeln
denn das alte Federtier, das da stand, schwarz wie Kohle und mit Scheitel
kratzte an der Scheibe lang. ich öffnete, auf dass ich ihn denn Arsch versohle.

das Vieh aber schafft es zu entweichen und ich konnte nichts erreichen,
außer zuzusehen, wie er reingeflattert kam und mir ganz die Ruhe nahm.
geschwind stürzte ich hinterher und plötzlich kreischt er: „Nimmermehr“
angewurzelt blieb ich stehen, konnte vor Schreck nichts mehr sehen.
da ich nur auf den Rabe starrte, der auf meiner Büste scharrte

im Raum und überall war Stille, nur der Wind im Widerwille
pfiff durch Bäume, fiel über das offene Fenster her und trug
das Echo eines „Nimmermehr“. Vom Schock wurde mir kalt,
denn keine Seele war draußen im Wald, die es hätte schreien können.
so fragte ich mich ganz verdrossen, ob im Kopf was kurzgeschlossen,
denn ein Rabe, nur krächzend schwer, ruft niemals ein „Nimmermehr“

den Rabe interessierte nicht mein Entsetzen, zeigte kein Interesse an
meiner Wenigkeit, meine Nerven lagen in Fetzen und ich musst mich erst mal setzen
ließ mich in den Sessel nieder, starrte auf des Raben Gefieder,
das da glänzte, im gedämmten Licht, blau und schwer;
nahm ihre Puppe sachte; die ihr oft Heiterkeit in unserer Zweisamkeit brachte
sprach der Rabe: „Nimmermehr“

grimmig schaute ich ihn an
ließ ihn aber doch gewähren
„Wegen eines Raben Hass gebären? Den Unfug lass ich lieber bleiben.“,
dachte ich und nichts mehr,
denn ich ließ mich wieder gleiten, leiten durch Erinnerungen
kreischt der Rabe: „Nimmermehr“. ich erwachte notgedrungen.

„Oh du, Luzifers Lakai!! Verderben wünsch ich jedem Ei, dass es von deiner
Spezies heut hier gebe und dass keines diese Nacht überlebe.
Was kommst du ignoranter alter Knacker in mein Haus und begegnest meinem Elend mit
deinem Spot.
Raus, hinfort! Verpiss dich über deinen Höllenacker!“

doch das Tier zeigt keine Regung, stand da wie es gelandet, auf der großen Büste…
deutet mit keinster Gunstbewegung seine Schande, seine Entschuldigen
stolziert zwar zum Büstenrande, bringt aber meiner Trauer keine Huldigung
„Du verbohrtes arrogantes Schwein, glaubst wohl hier der Herr zu sein?!“
als ob er sich einen Dreck drum scher, schreit er wieder: „Nimmermehr“

meine Augen wurden schmal und im Affekt packte ich die Bibel aus dem Regal
„Hier nimm, als Dank für diese Qual.“, der Arm ausgestreckt zum werfen bereit
wollt ihn treffend zerquetschen, allemal, doch kam´s nicht so weit
mich besänftigte das gute heilige Stück und ich blickte zu dem Tier zurück
denn mein Hass auf ihn, macht mich nach dessen Ableben ganz versessen
und ließ mich all das Leid vergessen

„Herr, was schickst du mir für Engel, aufdringliche kleine Bengel.
Umhüllen mich mit Schwall aus Duft und Sirenengesang;
überall der Arienhall und meine Bang, denn dein verdammtes Vergessen…
Oh du süßes Vergessen. nimmst mir um sie den Schmerz.
Befreist mein Herz, löschst sie aus der Erinnerung. Doch danach war nie mein Drang.
Dein schwarzer Diener, wohl ein schlechter Scherz….nimm ihn wieder zu dir her!“

„Willst wohl wieder schreien: Nimmermehr.“ zischte ich und schlich zum Schrank
dieses Flattervieh, er macht mich krank.
sein Schnabel, wie ein Dolch…traktiert er mich
endlich erhaschte ich das Gewehr, tat mich nicht schwer und drückte ab
verfehlte nur knapp, statt eines Treffers in sein Haupt, nun durch die Brust
sein Leben geraubt. kreischt, landet zuckend und atmet nun nimmermehr!

ein Sieg gegenüber Gott und Satan
es triumphierte in mir der Scharlatan und ich umtanzte das Tier
entlud meinen Spott und schaute in seine toten fragenden Augen, die sich halb
aus dem Schädel schrauben
es war nur ein Rabe, böses wollte er nie, ich konnt´s nicht glauben
und fiel auf die Knie. mein Kopf sank nieder, Verzweiflung tropfte auf dessen Gefieder;
schwer. doch erhebt sich aus meiner Reue meine Seele nimmermehr.

Guldhan (sehr frei nach „The Raven“ von Edgar E. Poe) 2001

2 Gedanken zu „Der Rabe

  1. Also ich habs ja sonst nicht so mit der Poesie, aber beim Edgar und bei deiner freien Übersetzung vom Raben mach ich mal eine Ausnahme. Genial! Danke!!

  2. Nichts zu danken. Mich überkam damals einfach der Drang, eine Hommage an den alten Knaben zu verbrechen.
    Ehrlich gesagt hatte ich das Gedicht vor dem reinstellen gar nicht wirklich abgestaubt, sondern nur kurz überflogen. Somit habe ich keine Ahnung, ob es mir heute auch noch gefällt.
    Es gefiel mir damals und ich mochte diesen unkonventionellen, fast schon chaotischen Reim.

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