Wurde Graf Otto Sadomasochist?

Photobucketie meisten Nutzer der schriftlichen Kommunikation kennen ihn. Vielen wird er sich in den ersten Grundschultagen vorgestellt haben. Der hagere Greis, mit kantigem Gesicht, aber doch gütigem Lächeln. Mit grauem Spitzbart, schwarzem Zylinder und ausdrucksstarkem Blick. Graf Otto. Der großväterliche Lehrmeister und Mentor auf dem Weg zur deutschen Sprache. Zumindest zu ihrer geschriebenen Form; der Orthographie.

Aber dieses Bild verblasst zunehmend, wenn man sich in heutigen Foren bewegt. Den Blick über Kommentare schweifen lässt, oder sich wirklich manche Profile antun will. Und dabei meine ich keine kleinen Missgeschicke, die man wohlwollend dem Fundus der Flüchtigkeitsfehler zuordnen kann. Immerhin ist Graf Otto auch nicht mehr der jüngste. Ich deute dabei symbolisch auf derartige grammatikalische Geißelung, die mein Bild von jenem alten Knaben zutiefst erschüttert.
Und wie anders sollte er darüber hinwegsehen können, als wenn ihm das Misshandeln seiner einsten Tugend nun nicht höchst persönlich Freude bereiten würde.
Wenn der Stand des alten Adels dem eines lüsternen Alten wich und der Zylinder sowie Frack gegen Mundknebel und Ledergeschirr getauscht wurde. Während er nun nicht mehr belehrend mit dem Spazierstock auf die Richtigstellung zeigt, sondern die Peitsche auf seinen Rücken niederfahren lässt und sein Glied über dem ewig Falschen baumelt. In klagender Begierte; als Antwort auf all die Fehlerfolterei, die ihm nun zu Füßen liegt.

»Bück dich, du Sau« kläfft er die verschreckten Substantive an, damit diese ihre Demut durch auferlegte Kleinschreibung zollen. Und ist die Haut auf seinem Rücken von all der Buße zerfetzten, so lässt er Peitsche und Rohrstock auf all die Worte niederschmettern, nach denen er seine Lakaien schickte. Bis diese schlotternd und mit zerschmetterten Gliedern ihren richtigen Namen vergaßen. Sich nur noch so geschrieben fühlen, wie es ihrem neuen Herren, dem maskierten Phonetik, gefällt. Während sie verängstigt zu den Adverbien schielen, die an der Streckbank des Superlativs zerreißen.
So oder ähnliche stelle ich es mir vor, wenn ich so manches Lesen muss, was einem als bleibender Eindruck präsentiert wird. Wenn ich dann vor meinem inneren Auge das altehrwürdige Gut des Herrn Grafen zum Folterkeller ausgebaut sehe. Sowie zum Hades der Sodomie. In dem die inzestuöse oder artfremde Paarung Kreaturen gebiert, die nicht nur im Phänotyp von ihrer Entstellung zeugen. Gezeugt vom Englisch, dem Redneck aus Übersee. Das freudig das Werk vollendet, zu dem Latein, Altgriechisch und Französisch letzten Endes doch nicht fähig waren. Da sich diese im Augenblick der Einsicht von ihrer eigenen Penetranz abwandten und reuevoll eingliederten.

Doch das erschreckende dabei ist, dass ich dazu zähle. Zwar Ohrfeige ich noch immer diesen Redneck, wenn er mir zu lästig wird. Aber wann immer ich mein Geschriebenes redigiere, entgleiten mir nur neue Seufzer oder ungläubiges Aufstöhnen. Denn meine Fehlerquote scheint sein eigenes Bewusstsein gefunden zu haben. Sollte somit zu dem Lebendigen gezählt werden, da es augenscheinlich die Gabe der Vermehrung besitzt. Es wird überprüft. Invertiert, damit die Erinnerung beim Lesen ihre Dominanz einbüßt. Der Text wird durch den Kammerjäger von Word gejagt und dennoch.
Ich gebe meine Segen, da ich es endlich für fehlerfrei erachte, widme mich ein paar Wochen später noch einmal diesem oder jenem Text und möchte mit dem Kopf auf den Schreibtisch schlagen. Fehler, offensichtlich. Peinlich und vermeidbar.
Auch ich füttere somit den alten Grafen mit dem Wahn, der ihn nun so versumpfen lies. Und das nicht einmal aufgrund freiwilliger Ignoranz. Denn ich erachte mich als relativ Wortgewand. Wollte im dahingehenden Studium sogar zu höherem streben, zumindest bevor ich gemerkt hatte, dass die zu gehenden Stufen aus losem Geröll bestanden. Das Problem ist allerdings, dass ein unschönes Ereignis aus früher Kindheit eine Kettenreaktion auslöste, dessen Resultat noch heute zu finden ist. Nämlich in dem Unvermögen zur sauberen Rechtschreibung. Aber das Detail gehört nicht in den gläsernen Sarkophag eines »Blog«.

Es soll nur ein Aufruf sein. Wer ein Textverarbeitungsprogramm empfehlen kann, das mit pflichtbewusster Akribie meine Fehler anprangert, anstatt dieses wohlwollend oder überfordert zu schlucken, der möge sprechen. Und diesem sei im Namen der Achtung der deutschen Schriftsprache gedankt.

6 Gedanken zu „Wurde Graf Otto Sadomasochist?

  1. Nein, da muss ich enttäuschen. Dieses Szenario entsprang mehr meiner Abneigung, als meiner Vorliebe. Und ich weiß auch nicht, ob jenes Geschilderte in die Sparte der schöngeistigen Erotik passt.

    Erotische Geschichten. Verkaufen die sich wirklich noch. Heute? Im Zeitalter des Überangebotes von kostenlosenlosen bis preisgünstigen Amateurfilmplattformen. In dem zudem eine Mentalität herrscht, in der die Schriften des Marquis de Sade schon fast zum Weltkulturerbe erhoben werden.

    Vom momentanen Stand der Dinge würde ich mir das nur bedingt zutrauen. Denn nichts ist schwerer als Erotik, Sexualität oder schlicht Sex in Worte zu fassen. Zumindest ohne dass das albern, stumpfsinnig oder plump triebhaft wirkt.
    Ich las in den Jahre in einige Leseproben selbsternannter Erotikschreiber hinein und muss sagen, dass es keinem wirklich gut gelang. Weder den Damen, noch den Herren Dichter und Denker.
    Entweder hätte bei den Texten selbst der sülz- und kitschverliebteste Minnesänger einen Insulinschock bekommen, oder es glich mehr einer Betriebanleiten. Die mir im nüchternen oder brühwarmen Sätzen erzählte, was wie und wann stand oder erwartete und wo und wie oft hineingesteckt wurde. Manche lasen sich sogar ebenso peinlich, wie der Klapptext der Videoware bekannter Erotikkonzerne.

    Da erscheint es mir einfacher das nicht gerade innovative Thema der Sehnsucht in Worte zu fassen, als dessen Resultat abzuhandeln. In einem Interview meinte ein Schriftsteller einmal, dass es wohl unmöglich sei, das Thema Sex mit literarischem Anspruch aufzugreifen. Und ich neige dazu ihm Recht zu geben.

    Wobei das Thema dahingehend dankbar wäre, denn ich bin bei Geschichten kein Freund großer Dialoge. Ich beschreibe lieber und reize das Bild des Szenarios aus, als dass ich mit stupider Laberei der Pro- sowie Antagonisten langweile. Mal schauen, wenn ja, so lasse ich es wissen. »Das Sado-Kabinett des Grafen Otto« oder »Sprachsumpfgebiet« ;) Bestsellerliste, ich komme.

    […]Mal abgesehen davon, dass es vollkommen normal ist, dass man die Fehler im eigenen Text nicht entdeckt[…]

    In der Tat. Das Elend der Betriebsblindheit kostete mich schon so manchen Nerv und Tage der guten Laune. Man saß stundenlang über einem Flyer oder einem Gestaltungskonzept einer Broschur. Kontrollierte akribisch in 4facher Vergrößerung, bis das Hirn pulsierte und die Augen fast dem grauen Star erlagen. Lehne sich dann erleichtert wie selbstsicher zurück, während hinter einem eine Kommilitonin vorbeihüpfte, kurz auf den Monitor schielte und schlagartig mit dem Finger auf zwei offensichtliche Fehlerquellen trommelte.

    Mit einigen Fehlern kann ich ja auch leben, aber manche erwecken nicht gerade den Eindruck, dass ich der deutschen Sprache mächtig bin oder mir überhaupt Mühe beim Schreiben gebe. Wobei 2/3 der Zeit für die Kontrolle draufgeht.

    Jedenfalls besten Dank für den Tipp. Vielleicht wird mir das digitale Wesen des alten Konrad eine helfende Hand sein. »Microsoft Office« ist es bei meine Art der Wortverdrehungen und Satzumstellungsfehler jedenfalls nicht.

  2. Na ja, zumindest wurde ich schon einige Male gefragt, ob ich nicht Lust hätte, eine Geschichte für eine entsprechende Anthologie zu schreiben. Bis zum „Geld verdienen“ ist es dann natürlich noch ein Schritt, aber es gibt offensichtlich Leute, die sich solche „Gebrauchsanweisungen“ oder – wie ich finde – lustigen Geschichten durchlesen. Lustig, weil der Autor immer so offensichtlich nach Worten gesucht hat, die gleichzeitig erotisch, sexy und originell sind. Es klingt immer einfach nur bescheuert und es wirkt so bemüht.

    Bezüglich deiner Rechtschreibfehler-Phobie: Ist doch klar, dass die Kommilitonin die Fehler sieht. Sie hat ja schließlich nicht vorher drei Stunden auf den Bildschirm gestarrt. Ich könnte dir ein paar Techniken zum Fehler finden verraten, aber nötig ist das bei Blogbeiträgen und Kommentaren nicht. So viele Fehler, dass es stört, machst du ja nun auch nicht. Beim nächsten Buch kann ich dann gerne lektorieren. ;-)

  3. […]Lustig, weil der Autor immer so offensichtlich nach Worten gesucht hat, die gleichzeitig erotisch, sexy und originell sind. Es klingt immer einfach nur bescheuert und es wirkt so bemüht.[…]

    Das trifft es ganz gut. Entweder bekommt man eine Aneinanderreihung von sich wiederholenden Begriffen vorgesetzt. Oder ein metaphorisch überladenes Gesamtkunstwerk, bei dem man nicht weiß, ob das nun ernst gemeint ist, oder nur eine schlecht gemachte Satire darstellt.
    Vielleicht darf es beim Schreiben auch nicht so verbissen sehen. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es mir momentan recht schwer fallen würde, dafür überhaupt passende Geschichten zu entwerfen.

    […]Beim nächsten Buch kann ich dann gerne lektorieren. ;-)[…]

    Bei Interesse werde ich darauf zurückkommen. Aber das kann noch eine Weile dauern. Da momentan meine Motivation vom Alltagsfrust erstickt wird und ich die Zeit mehr mit dem Zocken in virtuellen Welten verbringe, als mit wirklich gewinnbringenden Dingen. Denn wie gesagt, Schreiben ist für mich mehr Arbeit als Hobby. Und über soviel Kampfgeist, um mich nun freudig in Arbeit zu stürzen, von der ich erfahrungsgemäß weiß, dass das Ergebnis alleine mich interessieren wird, verfüge ich zur Zeit nicht mehr.

    Eigentlich hatte ich mir auch vorgenommen, diesen Monat meine letzte Geschichte wieder vorzunehmen und damit die Verlagshäuser und Literaturagenten zu belästigen. Aber bis jetzt stand mir dann doch noch nicht wieder der Sinn nach Pauschalabsagen.

  4. Du wirst dich doch wohl nicht in virtuelle Welten flüchten, die mit vermeintlichen Siegen lockt, weil die reale Welt zu wenig Erfolgsmomente bereithält? Nutz die Zeit lieber, um an deinen Texten zu arbeiten, am Schreibstil zu feilen und kämpfe für die Dinge, die dir was bedeuten! Sonst komm ich mal rüber und zieh dich an den Ohren aus deinem Eremiten-Dasein und nehme dir die virtuelle Welt weg. Pauschalabsagen sind unser täglich Brot. Übrigens auch das tägliche Brot der großen Bestseller-Autoren, die dann zufällig irgendwann einmal Glück hatten. Also stell dich nicht an und mach weiter!

    Hugh, ich habe gesprochen. ;-)

    Häuptling der Schreiberlinge

  5. Zu wenig Erfolgsmomente. Blicke ich die letzten beiden Jahre zurück, so gab es der Erfolgsmomente 8. Das auf ca. 730 Tage verteilt darf doch schon einmal eine Desillusion wert ein. Und was heißt hier überhaupt […]vermeintliche Siege[…] Ich steh bei »Mass Effect« kurz davor, dem Reaper gehörig in den Blechhintern zu treten. Wenn das kein Sieg für die Menschheit ist, was dann.
    Ja…aber stimmt schon großer Häuptling, an der Akademie brachte man uns jeden Spittel in Sachen Motivationstraining bei, bis auf eine Kleinigkeit: Die Indoktrination der Eigenmotivation. Ich ziehe meinen Selbstwert aus der Schöpfung von Taten, Erwerb, Leistungsbeweis und Gewinn. Bleiben diese Faktoren über Quartale hinweg aus, gefriert mein Lächeln und Tatendrang im Teufelskreis der schwachen Persönlichkeit.

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