19ter Januar 2011 – Der letzte Salut an einen Soldaten

Photobucketer sich mir gegenüber loyal verhält, der weiß, dass er von mir dasselbe erwarten kann. Ich bin treu den Treuen und dankbar den Dankbaren. Dabei ist es mir egal, wer vor mir steht. Politische Gesinnung, religiöse Neigung, ethnische Herkunft, das alles ist unbedeutend. Ein zu vernachlässigender Aspekt der individuellen Entfaltung. Der Mensch ist vor mir gleich, solange ich ihn respektieren kann.

Aber nicht nur der Mensch zeigt Treue. Ebenso nicht nur das Tier. Sondern es sind mittlerweile auch die Maschinen, mit denen das Leben einen engen Bund einzugehen bereit ist. Einen Bund, der mit Erinnerungen, Erfahrungen und Emotionen gebunden ist. Mit einem Stück Freiheit und Lebensfreude, die für manche selbstverständlich erscheint. Da deren durchgängiger Erfolg solche Situationen nie missen lässt, oder bei Verlust schnell Abhilfe geschaffen werden kann. Doch nichts ist selbstverständlich und nichts ist ersetzbar. Keine einzige Sekunde und sei sie noch so trivial. Sei sie noch so im Übermut des Momentes ignoriert, so wird man sich deren Kostbarkeit ab dem Moment bewusst, ab dem der Vorrat nicht mehr unendlich erscheint. Und man sich denken hört: »Das war das letzte Mal«

Ein letzter Tribut an einen der Treuen, der mich fast sieben Jahre begleitete. Aus dem Norden kommend, durchzog er mit mir die Jahre des Aufbruchs in Hessen, die Jahre des Falls in Nordrhein-Westfalen sowie die Jahre der Reanimation in Thüringen. Aber auch Momente in Sachsen und Bayern. Mit dessen Hilfe gelang es mir, vor der Erdrückung unliebsamer Zeiten zu fliehen. Es war mir möglich, mit Leichtigkeit Distanz zu überwinden. Ein Privileg, dass mich zu einem nun geliebten Menschen geführt hatte.
Mit dessen Hilfe lenkte es mich zu Stunden der Leichtigkeit. Sei es unter der Sonne, die über dem Festivalgelände stand. Die Dämmerung, die allmählich über das Ausflugsziel hinweg zog oder die Nacht, die sich über den Club gelegt hatte.

Es war nur ein Konstrukt, eine Maschine, die zum Dienen erbaut worden war. Seelenlos und doch nicht ohne Seele. Da es diese von mir zugestanden bekam. Die Schwermut des Abschieds unterliegt nur der Erinnerung an Momente. Doch was macht das für einen Unterschied. Sind es nicht auch nur Momentaufnahmen, deren Erinnerung an Mensch und Tier knüpft.

Und was bleibt, ist allein die Erinnerung. An Zeiten der Freude und des Leids. Der belebenden Zweisamkeit und unendlich erscheinenden Einsamkeit. An den Gedanken der Freiheit. Der Begeisterung der Reise und der Spannung der Ungebundenheit. All die Augenblicke, deren Vorrat ebenso unendlich schien, sind vorbei. Mit dem Augenblick in der ewigen Vergangenheit gefangen, an dem ich nun zum letzten Mal mit den Fingern über die Motorhaube trommelte, unter welcher der nun tote Motor ruhte. Dessen Leistungsbereitschaft eben diese Treue ausstrahlte. Aber doch nicht grenzenlos war.
Und dennoch mit so etwas wie Seele dahinter. Denn es wäre egal gewesen, wo ihn die Schwäche des Materials heimgesucht hätte. Auf der Überholspur der Autobahn mit 170 Kilometer in der Stunde. Irgendwo in der Pampa ohne Orientierung. Doch hauchte er die Lebensenergie auf ungefährlicher Strecke aus, so dass ich den Kollos nur 10 Minuten zur nächsten Tankstelle schieben musste. Wenige Wochen vor dem nächsten TÜV-Termin, der definitiv auch so mein Zahlungsvermögen in die Knie gezwungen hätte. Ist das Zufall? Ich glaube nicht an Zufall. Zufall ist Chaos. Und Chaos ist ohne Nutzen… Diese Situation zu dieser Zeit hingegen hatte mich bewahrt, hatte mir somit genützt.

Nur ein Pkw. In der Tat und es ist mir gelinde gesagt egal, ob man dieses versteht oder nicht. Doch Treue den Treuen, egal ob Tier, Mensch, Pflanze oder Maschine. Und dieser war es, noch bis vor Tagen. Und alles, was nun noch von diesen Jahren zeugt, ist das »Ungeziefersoldat«, das die längste Zeit seinen Platz zwischen den beiden schematischen Skarabäen auf der Heckscheibe gefunden hatte. Sowie die Nummernschilder, die mit Abnutzungsspuren neben mir liegen…

Dieses stellt keinen Aufruf zur Nennung der Marke dar, um dahingehend zu debattieren. Da ich dieses für unwürdig erachte. Womöglich geht es auch nicht um den Pkw, sondern nur, um ein damit verbundenes und dankbar gelebtes Stück Existenz. Erinnerungen und eine Freiheit, deren Wiederkehr im Ungewissen liegt. Oder vielleicht ist es doch wegen genau diesem Pkw. Wegen der großen Geste, die mir dessen Besitz überhaupt ermöglicht hatte. Und der Art, wie es diesem Fahrzeug gelang, mir die Skepsis zu nehmen. Dieses sei gleich. Denn hauptsächlich geht es um eines: Einen letzter Salut an einen treuen Ungeziefersoldaten.

4 Gedanken zu „19ter Januar 2011 – Der letzte Salut an einen Soldaten

  1. Ja, das kann ich nachvollziehen. Unser alter Volvo steht seit Jahren in einer großen Halle und kostet uns monatlich Miete. Wir hoffen noch immer, dass wir irgendwann genug Geld über haben, um ihn wiederzubeleben. Bis dahin fahren wir mit einem seelenlosen Auto, das uns zwar zuverlässig von A nach B bringt, aber niemals einen persönlichen Wert haben wird. Manchmal tut mir das Auto auch leid, denn es gibt sein Bestes. Aber es passt nicht zu uns.

  2. Es ist schon seltsam, was für Spuren der Sentimentalität man manchmal in sich trägt. Kein anderes Ding im Haushalt wird so mit Emotionen verbunden wie das Auto. Zumal ich das bei Volvo auch verstehen kann. Ich hatte einmal das Vergnügen in so einem zu sitzen…als wenn man eine Fregatte steuert. Diesen sollen, soviel ich weiß, auch mit die sichersten Pkws sein. Allerdings auch recht treibstoffbegierig. In diesem Sinne, auf gute Wiederbelebung.

  3. Schick.

    Pkws sind mir im Grunde wurst. Zwar kann ich sagen, ob mir ein Model gefällt oder nicht, zumindest wenn es mir entgegenkommt. Aber im Grunde sehen die für mich alle gleich aus. Aus der Erinnerung kann ich zwar noch einen Trabant von einem Hummer unterscheiden. Aber dann hört es auch schon auf. Volvo oder Mercedes. Mini oder Smart. Ich könnte keine Unterschiede nennen. Dahingehend ist wohl mein Y-Chromosom zu kurz geraten.

    Doch bei dem eigenen Wagen hörte das auf. Ware die damit verbundenen Momenten doch meist mehr als rein pragmatischer Natur. Interessant zu wissen, das deiner noch auf reine Reanimation wartet. Ich hätte nicht einmal das finanziell aufrechterhalten können.

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