Kommunizier mir – Teil II

Photobucketls Freund der schriftlichen Konversation bin ich selig, wenn ich ein paar Tage allein in gedankliche Selbstgespräche versinken und den Mund alleine zum Einatmen gebrauchen kann und diesen nicht zum lautformenden Ausatmen nutzen muss. Man verstehe mich jetzt nicht falsch, ich rede gerne, aber eben nur wenn ich will. Wird daraus ein Konversationszwang so kann der selbsternannte Gesprächspartner minütlich seine Sympathieminuspunkte aufaddieren. Auch plaudere ich gerne mit Menschen, die mir angenehm sind bzw. sympathisch werden. Allerdings nur unter der Bedingung, dass diese anfangen. Denn zum einen dränge ich mich ungern auf und zum anderen bin ich ein allzu miserabler Eisbrecher hinsichtlich des Erstkontaktes.
Anders ist es, wie angedeutet, in der schriftlichen Kommunikation. Neben dem Grund der nur wenige etwas angeht, sehe ich im geschrieben Wort mehr Ästhetik, als in der Aussprache. Als, vom phonetischen Individualismus losgelöstes, Abstraktum hat dieses etwas Reines. Es ist somit größtenteils frei von physischen wie psychischen Störfaktoren und es ermöglicht einem einen tieferen Umgang mit dem Inhalt. Da die schriftliche Kommunikation nicht unmittelbar geschehen muss -gegenüber dem mündlichen Dialog- kann man nach den Worten suchen, die den Sinn des auszudrückenden am besten nachkommen. Das vermindert Verständnisprobleme. Schafft allerdings gleichzeitig Spielraum für Fehlinterpretationen, da jegliche mimischen Deutungshilfen verwehrt bleiben. Es sei denn, man simuliert diese intensiv durch die Satzsonderzeichen. Alles in allem, auch wenn ich mich ungern wiederhole, bin ich Verfechter der schriftlichen Konversation und immer bereit, diese Leidenschaft in papieren oder elektronischen Briefen auszuleben.
Es war einfach ein Vergnügen sich in den beiden Lebensphasen, in denen ich Brieffreundschaften pflegte, auszutoben. Wohlgemerkt »war«. Dieses lag zum einen daran, dass jegliche Kontakte mit einem Mal abbrachen. Und es wäre unwahrscheinlich, dass bei der Zahl an Briefkontakten immer der Post die treibende Kraft hinter dem schlagartigen Schweigen gewesen sei. Der Hauptgrund für meinen Frust war auch die fehlende Resonanz. Denn was will ich mit Briefen, deren Inhalt auch innerhalb einer SMS hätte gesagt werden können? Darauf antworten? Mir in der Hoffnung auf Besserung noch drei Seiten ausdenken und dafür obendrein Versandkosten aufbringen? Klar. Zeit und Geld wachsen bei mir ja auch im Kräutergarten. Es begeisterte mich immer, wenn ich Briefe von den Kontakten bekam, bei denen ich schon am Gewicht merkte, dass sich das Lesen lohnt. Briefe, die Seiten füllten und neben den persönlichen Gegebenheiten auch auf andere Themen eingingen und somit einfach die Möglichkeit auf Gedankenaustausch oder gar Debatten boten. Briefe, bei denen man von einem Thema auf das andere kam. Briefe, die drei Blätter Ausgangsmaterial boten, mit denen man es auf vier Blätter Beantwortung brachte. Aber wenn ich drei Blätter abschicke und eineinhalb Seiten mit schriftlichem Smalltalk zurückbekomme… Was soll ich dann diese Brieffreundschaft engagiert aufrechterhalten? Wozu wurde dafür überhaupt eine Brieffreundschaft angefangen? Falls es bei mir in ferner Zukunft einmal eine dritte Phase geben sollte, so werden dieses Briefe komplett digitalisieren. Da Banalgeplauder per E-Mail zumindest den Materialaufwand gering hält.
Auch wenn es noch weniger vor Funklöchern schützt. Oder es ist schnell gesagt, dass man in Kontakt bleiben möchte und dann kurz die E-Mail-Adresse hinterher wirft. Anscheinend ist diese nur eine Geste zum Abschied und nicht wirklich eine Aufforderung zum Kontakthalten. Ebenso diverse Nachrichten, die einem von manchen Sozialkontaktplattformen ins Haus geflattert kommen und meist den Satz beinhalten: Wie geht es dir denn? Schreib mal. Anscheinend auch nur eine hohle Floskel. Das Problem ist nur, dass ich das wörtlich nehme. Ich weiß, an diesen Aspekt muss ich noch an mir arbeiten. Aber es ist nun einmal so, dass ich ab und zu doch etwas von Menschen erwarte. Somit schreibe ich. Je nach Länge des Kontaktabbruches hebe ich den Anschnitt meines Lebens aus der Unwissenheit, hänge noch andere Anregungen mit an und übe mich in gleichem Interesse bzgl. der anderen Person. Und dann warte ich indirekt. Die ersten drei Wochen noch bewusst, dann fällt es mir ab und zu im Monat ein und nach einem Quartal landet es im Gedächtniskompost. Nur denke ich mir dann auch: Freunde, dann leckt mich doch am Arsch. Wer keine Lust auf wirkliches re-kennenlernen hat, der sollte es offen sagen. Oder in diesem Fall, von vornherein schweigen. Es sei denn natürlich, man wollte mich loswerden und traute sich nur nicht, dieses offen auszusprechen. In diesem Fall beglückwünsche ich zwar für das Höchstmaß an Idiotie, denn dann hätte man mich ja nicht zu erst anschreiben brauchen, aber ich würde dann dem Wunsch nach endgültiger Streichung des Bekanntschaftsgrades nachkommen. Aber im Prinzip ödet es mich an, wenn, egal auf welchem Wege, ein Angebot zum ungezwungenen Kontaktaufbau unterbreitet wird und dann auf solche Ignoranz seitens des Kontaktsuchenden stößt.
Natürlich soll Schreiben keine Akkordarbeit werden, wobei der Gedanke schön wäre, darauf so entlohnt zu werden. Und auch ich lasse bei Antworten gerne mal etwas warten, zumindest, wenn sich meine tägliche Freizeit nur noch im Bereich der Minuten befindet. Aber wer mit mir in Kontakt treten will, der sollte schon den Anstand besitzen und beim ersten »Hallo Welt« darauf einzugehen. Denn wenn ich schon der Bitte nachkomme, so will ich keine Monologe verfassen. Und wer etwas über mich wissen will, da er mich von früher kennt, wird in Zukunft Pech haben. Derartige Einblicke gibt es nur noch als Gegenleistung, ansonsten muss er sich wohl mit vier Sätzen Smalltalk zufrieden geben. Ich befürchte nur, dass bei diesem Niveau ebensolche Antworten sicher sind.

2 Gedanken zu „Kommunizier mir – Teil II

  1. Brieffreundschaften? Ich hab bisher nicht begriffen, was daran interessant sein kann. Laura hat früher ja ebenfalls diesem Hobby gefröhnt, ich bekam nur irgendwann in der 6ten oder 7ten Klasse von unserer Englisch-Lehrerin eine Brieffreundin aus England aufs Auge gedrückt die den – vom Lehrer kontrollierten – ersten Brief bekam und deren Antwort ich mit mäßigem Interesse überflogen habe. Antworten? Bestimmt nicht!

    Das liegt ausnahmsweise weniger an meiner grundsätzlichen Abneigung gegen Menschen allgemein und dumme Menschen im Besonderen sondern viel mehr an meiner Faulheit. Persönliche Briefe schreibt man von Hand und ich hasse es mehr als drei oder vier Worte auf einen Zettel zu kritzeln. Alles andere wird, wenn möglich, getippt und selbst Formulare für irgendwelche Anmeldungen, Abmeldungen, Ummeldung und Fuck-off-Anträge lass ich meine bessere Hälfte ausfüllen und schmiere lediglich meine unleserliche Unterschrift darunter.

    Zugegeben, bei E-Mails siegt auch oft die Faulheit, der Mangel an Zeit oder schlicht die Vergesslichkeit. E-Mail kommt rein, man überfliegt sie kurz, das Telefon klingelt und schon ist das Thema wieder vergessen. Bei sieben aktiv genutzten E-Mailadressen, unzähligen Ordnern und Filtern siegt zuletzt dann auch oft das Chaos: Wo war denn nur die E-Mail die ich beantworten sollte?

  2. Interessant wurden die Brieffreundschaften dann, wenn die Briefe außerhalb der kurzen Einblicke in tägliches Erleben auch Anreiz gaben, gemeinsam über Themen nachzudenken, um die man sich alleine keine Gedanken gemacht hätte. Zudem hielt ich nur Kontakt zu Schreiberinnen, was aber wiederum auf eine andere Art des Interesses zurückzuführen war. (Ich lernte darüber immerhin drei meiner Lebensgefährtinnen kennen) Davon einmal abgesehen besaß ich bei der ersten Welle der Brieffreundschaften noch kein Internet und bei der zweiten eines mit einer Übertragungsrate, die geradeso Wikipedia aushielt ohne zusammenzubrechen. Somit war das die einzige Möglichkeit, die Kontakte aufzubauen, die man jetzt nebenbei über diverse Plattformen erreichen kann.

    Persönliche Briefe schreibt man per Hand, das ist richtig. Das habe ich aber des guten Willens nie gemacht. Denn auch ich verfüge über die typisch maskuline Klaue und kann nur mit Füllfederhalter stilvoll schreiben. Das Problem dabei ist allerdings, dass ich Linkshänder bin -zumindest bei allen was mit filigranen Linien auf Papier oder Bildschirm zutun hat- und es noch nicht schaffte, so zu schreiben, dass die jüngsten Zeilen nicht ab und zu vom Handballen malträtiert werden. Aber letztendlich glaube ich auch nicht, dass ich wieder Interesse oder Zeit für die Art von Brieffreundschaften haben werden.

Schreibe einen Kommentar